Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Alfred Hugenberg. Noch fühl' ich Kraft, zu wirken und zu streben Noch pulst in meinen Adern frisch das Blut. Nicht soll der Geist gen Himmel bang entschweben: Auf Erden ist der Menschheit schönstes Gut! Ich kann und mag an einen Gott nicht glauben, Der mich erschaffen aus dem dunklen Nichts -- Nicht lasse ich den hohen Stolz mir rauben, Ein Mensch zu sein, ein Sohn des Sonnenlichts! Ich kniee nicht vor einem kalten Gotte, Der mich zum Dienst mit harter Drohung zwingt -- Komm' her, o Kind, in diese kühle Grotte, Wo klar der Quell dem grünen Moos entspringt. Laß alle Furcht aus Deinem Herzen schwinden, Vor Dir will ich in heißer Liebe knien Und menschlich an des Menschen Brust empfinden Und alle finstren Träume will ich fliehn. Nicht soll ein Gott mich strafen und belohnen, Ich selbst will meiner Thaten Richter sein. Die Götter, die im eignen Inn'ren wohnen, Sie bet' ich hoffend an, sie nur allein! Frei streb' ich nach des Lebens höchsten Zielen Und einen andren Lohn begehr' ich nicht, Als sterbend einst das Wonneglück zu fühlen: Ich lebte, liebte, sonnte mich im Licht! Frühlingsmorgen. Originalbeitrag. Leuchtend brach der Strahl der Sonne, Aus den weißen Nebelfluthen, Als ich heut' am frühen Morgen Durch die thaubenetzte Wiese Kummervollen Herzens hinschlich; Und die morgenfrische Erde Streckte alle ihre Glieder, Blätter, Blüthen, Halme, Gräser -- Alle durstend ihm entgegen. 14
Alfred Hugenberg. Noch fühl’ ich Kraft, zu wirken und zu ſtreben Noch pulſt in meinen Adern friſch das Blut. Nicht ſoll der Geiſt gen Himmel bang entſchweben: Auf Erden iſt der Menſchheit ſchönſtes Gut! Ich kann und mag an einen Gott nicht glauben, Der mich erſchaffen aus dem dunklen Nichts — Nicht laſſe ich den hohen Stolz mir rauben, Ein Menſch zu ſein, ein Sohn des Sonnenlichts! Ich kniee nicht vor einem kalten Gotte, Der mich zum Dienſt mit harter Drohung zwingt — Komm’ her, o Kind, in dieſe kühle Grotte, Wo klar der Quell dem grünen Moos entſpringt. Laß alle Furcht aus Deinem Herzen ſchwinden, Vor Dir will ich in heißer Liebe knien Und menſchlich an des Menſchen Bruſt empfinden Und alle finſtren Träume will ich fliehn. Nicht ſoll ein Gott mich ſtrafen und belohnen, Ich ſelbſt will meiner Thaten Richter ſein. Die Götter, die im eignen Inn’ren wohnen, Sie bet’ ich hoffend an, ſie nur allein! Frei ſtreb’ ich nach des Lebens höchſten Zielen Und einen andren Lohn begehr’ ich nicht, Als ſterbend einſt das Wonneglück zu fühlen: Ich lebte, liebte, ſonnte mich im Licht! Frühlingsmorgen. Originalbeitrag. Leuchtend brach der Strahl der Sonne, Aus den weißen Nebelfluthen, Als ich heut’ am frühen Morgen Durch die thaubenetzte Wieſe Kummervollen Herzens hinſchlich; Und die morgenfriſche Erde Streckte alle ihre Glieder, Blätter, Blüthen, Halme, Gräſer — Alle durſtend ihm entgegen. 14
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Alfred Hugenberg.
Noch fühl’ ich Kraft, zu wirken und zu ſtreben
Noch pulſt in meinen Adern friſch das Blut.
Nicht ſoll der Geiſt gen Himmel bang entſchweben:
Auf Erden iſt der Menſchheit ſchönſtes Gut!
Ich kann und mag an einen Gott nicht glauben,
Der mich erſchaffen aus dem dunklen Nichts —
Nicht laſſe ich den hohen Stolz mir rauben,
Ein Menſch zu ſein, ein Sohn des Sonnenlichts!
Ich kniee nicht vor einem kalten Gotte,
Der mich zum Dienſt mit harter Drohung zwingt —
Komm’ her, o Kind, in dieſe kühle Grotte,
Wo klar der Quell dem grünen Moos entſpringt.
Laß alle Furcht aus Deinem Herzen ſchwinden,
Vor Dir will ich in heißer Liebe knien
Und menſchlich an des Menſchen Bruſt empfinden
Und alle finſtren Träume will ich fliehn.
Nicht ſoll ein Gott mich ſtrafen und belohnen,
Ich ſelbſt will meiner Thaten Richter ſein.
Die Götter, die im eignen Inn’ren wohnen,
Sie bet’ ich hoffend an, ſie nur allein!
Frei ſtreb’ ich nach des Lebens höchſten Zielen
Und einen andren Lohn begehr’ ich nicht,
Als ſterbend einſt das Wonneglück zu fühlen:
Ich lebte, liebte, ſonnte mich im Licht!
Frühlingsmorgen.
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Leuchtend brach der Strahl der Sonne,
Aus den weißen Nebelfluthen,
Als ich heut’ am frühen Morgen
Durch die thaubenetzte Wieſe
Kummervollen Herzens hinſchlich;
Und die morgenfriſche Erde
Streckte alle ihre Glieder,
Blätter, Blüthen, Halme, Gräſer —
Alle durſtend ihm entgegen.
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Zitationshilfe: | Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885], S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/227>, abgerufen am 16.02.2025. |