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Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].

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Heinrich Hart.

Ja, ohne mich seid ihr versprengtes Gold,
Ich sammle, schmelze, präge was ihr wollt,
Klein bin ich wenn ihr klein, stark wenn ihr stark,
So mit dem Baume wächst des Baumes Mark.
Ich bin der urgeborne Sohn der Gluth,
Des Lebens Fülle wogt in meinem Blut,
Nicht sterben werd' ich, bis das letzte Blatt
Vom Baum der Welten sinkt zur Ruhestatt,
Bis in den Hafen fährt der Ewigkeit
Mit uns den Irrenden das Schiff der Zeit.
Bis dahin Kämpfen und kein schmerzlos Heil
Und Sehnsucht, der kein Erbe wird zu Theil,
Bis dahin Liebe, die den Haß gebiert
Und Glaube, der in Zweifel sich verliert,
Bis dahin Tod, der sich mit Leben schminkt
Und Königsprunk, der in den Koth versinkt
Bis dahin Kraft, die sich die Welt erstreitet,
Bis dahin Geist, der auf zur Gottheit leitet.
Er sprichts und Finsterniß ruht nah und fern,
Nur hier und da hell schimmert noch ein Stern,
Ich aber blicke starr zum Himmelsrand,
Wo mir das löwengleiche Haupt entschwand,
Wie einer, der im Geiste Gott erschaut, --
Da hör' ich einmal noch traumfernen Laut:
Du geh und künde was Du heut gesehn,
Wenn Du es kündest, wirst Du es verstehn,
Und fragst Du was ich bin und fragst Du wer,
Der Menschheit Seele bin ich, Ahasver.



Das Lied der Menschheit -- ja, es sei gewagt,
Wie schwach ich bin, wie klein auch, wie verzagt.
Wo ist ein Stoff wie dieser, wo ein Held
So ruhmeswerth, wo solch ein Erntefeld?
Nicht Götter sing' ich, nicht zum Fabelland
Träum' neuen Weg ich, nicht zum Höllenrand,
Euch, meiner Mutter Kinder, eure Spur
Such' ich im weiten Bergland der Natur,
Euch such' ich in der Urwelt Einsamkeit,
Euch durch den Flammenbrodem dieser Zeit

Heinrich Hart.

Ja, ohne mich ſeid ihr verſprengtes Gold,
Ich ſammle, ſchmelze, präge was ihr wollt,
Klein bin ich wenn ihr klein, ſtark wenn ihr ſtark,
So mit dem Baume wächſt des Baumes Mark.
Ich bin der urgeborne Sohn der Gluth,
Des Lebens Fülle wogt in meinem Blut,
Nicht ſterben werd’ ich, bis das letzte Blatt
Vom Baum der Welten ſinkt zur Ruheſtatt,
Bis in den Hafen fährt der Ewigkeit
Mit uns den Irrenden das Schiff der Zeit.
Bis dahin Kämpfen und kein ſchmerzlos Heil
Und Sehnſucht, der kein Erbe wird zu Theil,
Bis dahin Liebe, die den Haß gebiert
Und Glaube, der in Zweifel ſich verliert,
Bis dahin Tod, der ſich mit Leben ſchminkt
Und Königsprunk, der in den Koth verſinkt
Bis dahin Kraft, die ſich die Welt erſtreitet,
Bis dahin Geiſt, der auf zur Gottheit leitet.
Er ſprichts und Finſterniß ruht nah und fern,
Nur hier und da hell ſchimmert noch ein Stern,
Ich aber blicke ſtarr zum Himmelsrand,
Wo mir das löwengleiche Haupt entſchwand,
Wie einer, der im Geiſte Gott erſchaut, —
Da hör’ ich einmal noch traumfernen Laut:
Du geh und künde was Du heut geſehn,
Wenn Du es kündeſt, wirſt Du es verſtehn,
Und fragſt Du was ich bin und fragſt Du wer,
Der Menſchheit Seele bin ich, Ahasver.



Das Lied der Menſchheit — ja, es ſei gewagt,
Wie ſchwach ich bin, wie klein auch, wie verzagt.
Wo iſt ein Stoff wie dieſer, wo ein Held
So ruhmeswerth, wo ſolch ein Erntefeld?
Nicht Götter ſing’ ich, nicht zum Fabelland
Träum’ neuen Weg ich, nicht zum Höllenrand,
Euch, meiner Mutter Kinder, eure Spur
Such’ ich im weiten Bergland der Natur,
Euch ſuch’ ich in der Urwelt Einſamkeit,
Euch durch den Flammenbrodem dieſer Zeit
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[176/0194] Heinrich Hart. Ja, ohne mich ſeid ihr verſprengtes Gold, Ich ſammle, ſchmelze, präge was ihr wollt, Klein bin ich wenn ihr klein, ſtark wenn ihr ſtark, So mit dem Baume wächſt des Baumes Mark. Ich bin der urgeborne Sohn der Gluth, Des Lebens Fülle wogt in meinem Blut, Nicht ſterben werd’ ich, bis das letzte Blatt Vom Baum der Welten ſinkt zur Ruheſtatt, Bis in den Hafen fährt der Ewigkeit Mit uns den Irrenden das Schiff der Zeit. Bis dahin Kämpfen und kein ſchmerzlos Heil Und Sehnſucht, der kein Erbe wird zu Theil, Bis dahin Liebe, die den Haß gebiert Und Glaube, der in Zweifel ſich verliert, Bis dahin Tod, der ſich mit Leben ſchminkt Und Königsprunk, der in den Koth verſinkt Bis dahin Kraft, die ſich die Welt erſtreitet, Bis dahin Geiſt, der auf zur Gottheit leitet. Er ſprichts und Finſterniß ruht nah und fern, Nur hier und da hell ſchimmert noch ein Stern, Ich aber blicke ſtarr zum Himmelsrand, Wo mir das löwengleiche Haupt entſchwand, Wie einer, der im Geiſte Gott erſchaut, — Da hör’ ich einmal noch traumfernen Laut: Du geh und künde was Du heut geſehn, Wenn Du es kündeſt, wirſt Du es verſtehn, Und fragſt Du was ich bin und fragſt Du wer, Der Menſchheit Seele bin ich, Ahasver. Das Lied der Menſchheit — ja, es ſei gewagt, Wie ſchwach ich bin, wie klein auch, wie verzagt. Wo iſt ein Stoff wie dieſer, wo ein Held So ruhmeswerth, wo ſolch ein Erntefeld? Nicht Götter ſing’ ich, nicht zum Fabelland Träum’ neuen Weg ich, nicht zum Höllenrand, Euch, meiner Mutter Kinder, eure Spur Such’ ich im weiten Bergland der Natur, Euch ſuch’ ich in der Urwelt Einſamkeit, Euch durch den Flammenbrodem dieſer Zeit

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Zitationshilfe: Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885], S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/194>, abgerufen am 06.05.2024.