Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Arno Holz. 8. Ich bin ein Dichter und kein Papagei Und lieb es drum, in unsre Zeit zu schauen; Und doch mißfällt an ihr mir dreierlei, Und dieses Factum kann ich nicht verdauen. Die junge Dame weint sich nicht mehr "blind", Die jungen Herrn sind meistens eitle Schöpse, Und -- "last not least" -- die echten Thränen sind Noch seltner heute als die echten Möpse. 9. Die Simpeldichter hör ich ewig flennen, Sie tuten alle in dasselbe Horn Und nie packt sie der dreimal heil'ge Zorn, Weil sie das Elend nur aus Büchern kennen. Ein Tagebuchblatt. 1885. Original-Beitrag. Wie lang ist's her? Erst sieben Jahre! Und doch klingt's schon: "Es war einmal!" Der Wiege näher als der Bahre, Ging ich tagtäglich ins Pennal. Ich war ein träumerischer Junge, Las Cicero und Wilhelm Hauff Und trug das Herz auf meiner Zunge Und spießte Schmetterlinge auf. Arno Holz. 8. Ich bin ein Dichter und kein Papagei Und lieb es drum, in unſre Zeit zu ſchauen; Und doch mißfällt an ihr mir dreierlei, Und dieſes Factum kann ich nicht verdauen. Die junge Dame weint ſich nicht mehr „blind“, Die jungen Herrn ſind meiſtens eitle Schöpſe, Und — „last not least“ — die echten Thränen ſind Noch ſeltner heute als die echten Möpſe. 9. Die Simpeldichter hör ich ewig flennen, Sie tuten alle in daſſelbe Horn Und nie packt ſie der dreimal heil’ge Zorn, Weil ſie das Elend nur aus Büchern kennen. Ein Tagebuchblatt. 1885. Original-Beitrag. Wie lang iſt’s her? Erſt ſieben Jahre! Und doch klingt’s ſchon: „Es war einmal!“ Der Wiege näher als der Bahre, Ging ich tagtäglich ins Pennal. Ich war ein träumeriſcher Junge, Las Cicero und Wilhelm Hauff Und trug das Herz auf meiner Zunge Und ſpießte Schmetterlinge auf. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0168" n="150"/> <fw place="top" type="header">Arno Holz.</fw><lb/> <div n="3"> <head>8.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Ich bin ein Dichter und kein Papagei</l><lb/> <l>Und lieb es drum, in <hi rendition="#g">unſre</hi> Zeit zu ſchauen;</l><lb/> <l>Und doch mißfällt an ihr mir dreierlei,</l><lb/> <l>Und dieſes Factum kann ich nicht verdauen.</l><lb/> <l>Die junge Dame weint ſich nicht mehr „blind“,</l><lb/> <l>Die jungen Herrn ſind meiſtens eitle Schöpſe,</l><lb/> <l>Und — <hi rendition="#aq">„last not least“</hi> — die echten Thränen ſind</l><lb/> <l>Noch ſeltner heute als die echten Möpſe.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <div n="3"> <head>9.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Die Simpeldichter hör ich ewig flennen,</l><lb/> <l>Sie tuten alle in daſſelbe Horn</l><lb/> <l>Und nie packt ſie der dreimal heil’ge Zorn,</l><lb/> <l>Weil ſie das Elend nur aus Büchern kennen.</l> </lg> </lg> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head><hi rendition="#b">Ein Tagebuchblatt.</hi><lb/> 1885.</head><lb/> <p> <hi rendition="#c">Original-Beitrag.</hi> </p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wie lang iſt’s her? Erſt ſieben Jahre!</l><lb/> <l>Und doch klingt’s ſchon: „Es war einmal!“</l><lb/> <l>Der Wiege näher als der Bahre,</l><lb/> <l>Ging ich tagtäglich ins Pennal.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Ich war ein träumeriſcher Junge,</l><lb/> <l>Las Cicero und Wilhelm Hauff</l><lb/> <l>Und trug das Herz auf meiner Zunge</l><lb/> <l>Und ſpießte Schmetterlinge auf.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [150/0168]
Arno Holz.
8.
Ich bin ein Dichter und kein Papagei
Und lieb es drum, in unſre Zeit zu ſchauen;
Und doch mißfällt an ihr mir dreierlei,
Und dieſes Factum kann ich nicht verdauen.
Die junge Dame weint ſich nicht mehr „blind“,
Die jungen Herrn ſind meiſtens eitle Schöpſe,
Und — „last not least“ — die echten Thränen ſind
Noch ſeltner heute als die echten Möpſe.
9.
Die Simpeldichter hör ich ewig flennen,
Sie tuten alle in daſſelbe Horn
Und nie packt ſie der dreimal heil’ge Zorn,
Weil ſie das Elend nur aus Büchern kennen.
Ein Tagebuchblatt.
1885.
Original-Beitrag.
Wie lang iſt’s her? Erſt ſieben Jahre!
Und doch klingt’s ſchon: „Es war einmal!“
Der Wiege näher als der Bahre,
Ging ich tagtäglich ins Pennal.
Ich war ein träumeriſcher Junge,
Las Cicero und Wilhelm Hauff
Und trug das Herz auf meiner Zunge
Und ſpießte Schmetterlinge auf.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |