Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Johannes Bohne. Derweil das Herz sich enge mir Zusammenpreßte in der Brust Mir war's, als könnt' ich alles fühlen, Was du erlebt, da du am Kreuze hingst, Als dir der Blick auf tausend Gaffer sank Und ein'ge nur, Die dich beweinten, Doch nie verstanden. Du Riesengeist, du fühltest dich allein! -- Das schmerzte. -- Du kanntest wohl das Menschenherz In seinem Wollen, seinem Ahnen, In seinem Fühlen, seinem Hasten Nach leichtem Glück -- Du wußtest, was den Armen quält, Und was dem Unglücklichen, Der in den Ketten schmachtet, durch die Seele hegt, Und was den Menschen packt und schüttelt, Sieht er des Schicksals ehernen Schritt Zu Boden treten unerbittlich, Was er gebaut, entraffen Das Liebste seinem Herzen, Die Sichel durch die vollen Saaten gehn. -- Du sahst den fahlen Jammerblick, Der mit Entsetzen hoffnungslos Auf deine Tröstermiene starrte, Wenn ihn, den Sterbenden, Des Todes harter Arm Auf seinem Lager niederrang, Und er sich wand -- -- -- Doch war das Sünde, Daß mich ein Weib gebar? -- Nein! -- Sünde -- wider die Natur -- Natur ist Sünde -- -- Erlösung aus dem Labyrinth! Ich irre, ich strauchle -- Erlösung für meinen Geist Und für mein wehes Herz! -- Da sah ich die Züge, Von Schmerzen eben noch verzerrt, Johannes Bohne. Derweil das Herz ſich enge mir Zuſammenpreßte in der Bruſt Mir war’s, als könnt’ ich alles fühlen, Was du erlebt, da du am Kreuze hingſt, Als dir der Blick auf tauſend Gaffer ſank Und ein’ge nur, Die dich beweinten, Doch nie verſtanden. Du Rieſengeiſt, du fühlteſt dich allein! — Das ſchmerzte. — Du kannteſt wohl das Menſchenherz In ſeinem Wollen, ſeinem Ahnen, In ſeinem Fühlen, ſeinem Haſten Nach leichtem Glück — Du wußteſt, was den Armen quält, Und was dem Unglücklichen, Der in den Ketten ſchmachtet, durch die Seele hegt, Und was den Menſchen packt und ſchüttelt, Sieht er des Schickſals ehernen Schritt Zu Boden treten unerbittlich, Was er gebaut, entraffen Das Liebſte ſeinem Herzen, Die Sichel durch die vollen Saaten gehn. — Du ſahſt den fahlen Jammerblick, Der mit Entſetzen hoffnungslos Auf deine Tröſtermiene ſtarrte, Wenn ihn, den Sterbenden, Des Todes harter Arm Auf ſeinem Lager niederrang, Und er ſich wand — — — Doch war das Sünde, Daß mich ein Weib gebar? — Nein! — Sünde — wider die Natur — Natur iſt Sünde — — Erlöſung aus dem Labyrinth! Ich irre, ich ſtrauchle — Erlöſung für meinen Geiſt Und für mein wehes Herz! — Da ſah ich die Züge, Von Schmerzen eben noch verzerrt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <lg n="1"> <pb facs="#f0137" n="119"/> <fw place="top" type="header">Johannes Bohne.</fw><lb/> <l>Derweil das Herz ſich enge mir</l><lb/> <l>Zuſammenpreßte in der Bruſt</l><lb/> <l>Mir war’s, als könnt’ ich alles fühlen,</l><lb/> <l>Was du erlebt, da du am Kreuze hingſt,</l><lb/> <l>Als dir der Blick auf tauſend Gaffer ſank</l><lb/> <l>Und ein’ge nur,</l><lb/> <l>Die dich beweinten,</l><lb/> <l>Doch nie verſtanden.</l><lb/> <l>Du Rieſengeiſt, du fühlteſt dich allein!</l><lb/> <l>— Das ſchmerzte. —</l><lb/> <l>Du kannteſt wohl das Menſchenherz</l><lb/> <l>In ſeinem Wollen, ſeinem Ahnen,</l><lb/> <l>In ſeinem Fühlen, ſeinem Haſten</l><lb/> <l>Nach leichtem Glück —</l><lb/> <l>Du wußteſt, was den Armen quält,</l><lb/> <l>Und was dem Unglücklichen,</l><lb/> <l>Der in den Ketten ſchmachtet, durch die Seele hegt,</l><lb/> <l>Und was den Menſchen packt und ſchüttelt,</l><lb/> <l>Sieht er des Schickſals ehernen Schritt</l><lb/> <l>Zu Boden treten unerbittlich,</l><lb/> <l>Was er gebaut, entraffen</l><lb/> <l>Das Liebſte ſeinem Herzen,</l><lb/> <l>Die Sichel durch die vollen Saaten gehn. —</l><lb/> <l>Du ſahſt den fahlen Jammerblick,</l><lb/> <l>Der mit Entſetzen hoffnungslos</l><lb/> <l>Auf deine Tröſtermiene ſtarrte,</l><lb/> <l>Wenn ihn, den Sterbenden,</l><lb/> <l>Des Todes harter Arm</l><lb/> <l>Auf ſeinem Lager niederrang,</l><lb/> <l>Und er ſich wand — —</l><lb/> <l>— Doch war das Sünde,</l><lb/> <l>Daß mich ein Weib gebar? —</l><lb/> <l>Nein! — Sünde — wider die Natur —</l><lb/> <l>Natur iſt Sünde — —</l><lb/> <l>Erlöſung aus dem Labyrinth!</l><lb/> <l>Ich irre, ich ſtrauchle —</l><lb/> <l>Erlöſung für meinen Geiſt</l><lb/> <l>Und für mein wehes Herz! —</l><lb/> <l>Da ſah ich die Züge,</l><lb/> <l>Von Schmerzen eben noch verzerrt,</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [119/0137]
Johannes Bohne.
Derweil das Herz ſich enge mir
Zuſammenpreßte in der Bruſt
Mir war’s, als könnt’ ich alles fühlen,
Was du erlebt, da du am Kreuze hingſt,
Als dir der Blick auf tauſend Gaffer ſank
Und ein’ge nur,
Die dich beweinten,
Doch nie verſtanden.
Du Rieſengeiſt, du fühlteſt dich allein!
— Das ſchmerzte. —
Du kannteſt wohl das Menſchenherz
In ſeinem Wollen, ſeinem Ahnen,
In ſeinem Fühlen, ſeinem Haſten
Nach leichtem Glück —
Du wußteſt, was den Armen quält,
Und was dem Unglücklichen,
Der in den Ketten ſchmachtet, durch die Seele hegt,
Und was den Menſchen packt und ſchüttelt,
Sieht er des Schickſals ehernen Schritt
Zu Boden treten unerbittlich,
Was er gebaut, entraffen
Das Liebſte ſeinem Herzen,
Die Sichel durch die vollen Saaten gehn. —
Du ſahſt den fahlen Jammerblick,
Der mit Entſetzen hoffnungslos
Auf deine Tröſtermiene ſtarrte,
Wenn ihn, den Sterbenden,
Des Todes harter Arm
Auf ſeinem Lager niederrang,
Und er ſich wand — —
— Doch war das Sünde,
Daß mich ein Weib gebar? —
Nein! — Sünde — wider die Natur —
Natur iſt Sünde — —
Erlöſung aus dem Labyrinth!
Ich irre, ich ſtrauchle —
Erlöſung für meinen Geiſt
Und für mein wehes Herz! —
Da ſah ich die Züge,
Von Schmerzen eben noch verzerrt,
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