Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].

Bild:
<< vorherige Seite
Hermann Conradi.
Zur Dirne, der im Herzen
Nur Lug brennt und Verrath?
Die mit geschmeid'ger Buhlerkunst
Erstickt die freie That?
Schreit ihr nach Wein und Rosen?
Nach üpp'gem Bacchusgelag'?
Nach sternendunkler, schwüler Nacht
Und flucht dem gold'nen Tag?
Ihr Narr'n! Es kommt die Stunde,
Da wieder am Kreuze einmal
Bluttriefend ein neuer Messias hängt,
Im Herzen Prometheus-Qual!
Auch den habt ihr gekreuzigt,
Dieweil sein Zorn geflammt --
Dieweil er die sündenverstrickte Brut
In heißem Groll verdammt!
Sein Mund sprach nicht von Liebe,
Sein Wort sprang wie ein Pfeil
Von klirrender Bogensehne springt,
Und traf, die sündengeil
In üppigem Wollustreigen
Das Leben verträumt und verspielt --
Sein Herz -- das wußte Vergebung nicht:
Es hat nur die Schmach gefühlt!
Die Schmach, daß ihr verrathen
Den gottgebor'nen Geist!
Daß ihr in wilder Bestiengier
Das Gold, das glänzt und gleißt,
D'ran tausend Flüche kleben,
Das tausend Thränen genetzt,
Ein sündenverloren, entartet Geschlecht,
Zu eurem Gott gesetzt!
Auch ihm, dem Bußekünder,
Verrenkt ihr das Gebein --
Doch wenn sein starres Auge bricht,
Bricht auf der Erde Gestein --
Hermann Conradi.
Zur Dirne, der im Herzen
Nur Lug brennt und Verrath?
Die mit geſchmeid’ger Buhlerkunſt
Erſtickt die freie That?
Schreit ihr nach Wein und Roſen?
Nach üpp’gem Bacchusgelag’?
Nach ſternendunkler, ſchwüler Nacht
Und flucht dem gold’nen Tag?
Ihr Narr’n! Es kommt die Stunde,
Da wieder am Kreuze einmal
Bluttriefend ein neuer Meſſias hängt,
Im Herzen Prometheus-Qual!
Auch den habt ihr gekreuzigt,
Dieweil ſein Zorn geflammt —
Dieweil er die ſündenverſtrickte Brut
In heißem Groll verdammt!
Sein Mund ſprach nicht von Liebe,
Sein Wort ſprang wie ein Pfeil
Von klirrender Bogenſehne ſpringt,
Und traf, die ſündengeil
In üppigem Wolluſtreigen
Das Leben verträumt und verſpielt —
Sein Herz — das wußte Vergebung nicht:
Es hat nur die Schmach gefühlt!
Die Schmach, daß ihr verrathen
Den gottgebor’nen Geiſt!
Daß ihr in wilder Beſtiengier
Das Gold, das glänzt und gleißt,
D’ran tauſend Flüche kleben,
Das tauſend Thränen genetzt,
Ein ſündenverloren, entartet Geſchlecht,
Zu eurem Gott geſetzt!
Auch ihm, dem Bußekünder,
Verrenkt ihr das Gebein —
Doch wenn ſein ſtarres Auge bricht,
Bricht auf der Erde Geſtein —
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0126" n="108"/>
            <fw place="top" type="header">Hermann Conradi.</fw><lb/>
            <lg n="7">
              <l>Zur Dirne, der im Herzen</l><lb/>
              <l>Nur Lug brennt und Verrath?</l><lb/>
              <l>Die mit ge&#x017F;chmeid&#x2019;ger Buhlerkun&#x017F;t</l><lb/>
              <l>Er&#x017F;tickt die freie That?</l><lb/>
              <l>Schreit ihr nach Wein und Ro&#x017F;en?</l><lb/>
              <l>Nach üpp&#x2019;gem Bacchusgelag&#x2019;?</l><lb/>
              <l>Nach &#x017F;ternendunkler, &#x017F;chwüler Nacht</l><lb/>
              <l>Und flucht dem gold&#x2019;nen Tag?</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="8">
              <l>Ihr Narr&#x2019;n! Es kommt die Stunde,</l><lb/>
              <l>Da wieder am Kreuze einmal</l><lb/>
              <l>Bluttriefend ein <hi rendition="#g">neuer</hi> Me&#x017F;&#x017F;ias hängt,</l><lb/>
              <l>Im Herzen Prometheus-Qual!</l><lb/>
              <l>Auch <hi rendition="#g">den</hi> habt ihr gekreuzigt,</l><lb/>
              <l>Dieweil &#x017F;ein Zorn geflammt &#x2014;</l><lb/>
              <l>Dieweil er die &#x017F;ündenver&#x017F;trickte Brut</l><lb/>
              <l>In heißem Groll verdammt!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="9">
              <l>Sein Mund &#x017F;prach nicht von Liebe,</l><lb/>
              <l>Sein Wort &#x017F;prang wie ein Pfeil</l><lb/>
              <l>Von klirrender Bogen&#x017F;ehne &#x017F;pringt,</l><lb/>
              <l>Und traf, die &#x017F;ündengeil</l><lb/>
              <l>In üppigem Wollu&#x017F;treigen</l><lb/>
              <l>Das Leben verträumt und ver&#x017F;pielt &#x2014;</l><lb/>
              <l>Sein Herz &#x2014; das wußte Vergebung nicht:</l><lb/>
              <l>Es hat nur die Schmach gefühlt!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="10">
              <l>Die Schmach, daß ihr verrathen</l><lb/>
              <l>Den gottgebor&#x2019;nen Gei&#x017F;t!</l><lb/>
              <l>Daß ihr in wilder Be&#x017F;tiengier</l><lb/>
              <l>Das Gold, das glänzt und gleißt,</l><lb/>
              <l>D&#x2019;ran tau&#x017F;end Flüche kleben,</l><lb/>
              <l>Das tau&#x017F;end Thränen genetzt,</l><lb/>
              <l>Ein &#x017F;ündenverloren, entartet Ge&#x017F;chlecht,</l><lb/>
              <l>Zu eurem <hi rendition="#g">Gott</hi> ge&#x017F;etzt!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="11">
              <l>Auch ihm, dem Bußekünder,</l><lb/>
              <l>Verrenkt ihr das Gebein &#x2014;</l><lb/>
              <l>Doch wenn &#x017F;ein &#x017F;tarres Auge bricht,</l><lb/>
              <l>Bricht auf der Erde Ge&#x017F;tein &#x2014;</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[108/0126] Hermann Conradi. Zur Dirne, der im Herzen Nur Lug brennt und Verrath? Die mit geſchmeid’ger Buhlerkunſt Erſtickt die freie That? Schreit ihr nach Wein und Roſen? Nach üpp’gem Bacchusgelag’? Nach ſternendunkler, ſchwüler Nacht Und flucht dem gold’nen Tag? Ihr Narr’n! Es kommt die Stunde, Da wieder am Kreuze einmal Bluttriefend ein neuer Meſſias hängt, Im Herzen Prometheus-Qual! Auch den habt ihr gekreuzigt, Dieweil ſein Zorn geflammt — Dieweil er die ſündenverſtrickte Brut In heißem Groll verdammt! Sein Mund ſprach nicht von Liebe, Sein Wort ſprang wie ein Pfeil Von klirrender Bogenſehne ſpringt, Und traf, die ſündengeil In üppigem Wolluſtreigen Das Leben verträumt und verſpielt — Sein Herz — das wußte Vergebung nicht: Es hat nur die Schmach gefühlt! Die Schmach, daß ihr verrathen Den gottgebor’nen Geiſt! Daß ihr in wilder Beſtiengier Das Gold, das glänzt und gleißt, D’ran tauſend Flüche kleben, Das tauſend Thränen genetzt, Ein ſündenverloren, entartet Geſchlecht, Zu eurem Gott geſetzt! Auch ihm, dem Bußekünder, Verrenkt ihr das Gebein — Doch wenn ſein ſtarres Auge bricht, Bricht auf der Erde Geſtein —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/126
Zitationshilfe: Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885], S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/126>, abgerufen am 24.11.2024.