Brettern ihre Stelle geltend gemacht, und der Schauspieler muß essen können. Es geht aber damit, wie mit dem Fechten. Entweder können Schauspieler keines von beiden und geben die ungeschmückte blanke Natur, oder sie bringen so viel künstliche Manier, daß man deutlich sieht, dieß ist weder gehauen, noch gestochen, weder gefochten, noch gegessen. Der Schauspieler muß wenigstens das Exterieur wie des Helden so des Eßkünst- lers weg haben, wenn auch nicht von ihm verlangt werden kann, daß er selber wirklich ein Held oder Eßkünstler sein soll. Wenn nun aber der Schauspieler essen soll wie ein Mensch, so gilt Gegentheils als wichtige Regel, daß der Mensch nicht essen soll wie ein Schauspieler.
Die mimischen Tänze bei den Gastmählern der Griechen hat man in neuerer Zeit selbstständiger gemacht, weiter ausge- bildet, und der Oper und dem Ballet zugewiesen. Allerdings sind diese auch viel zu interessant, als daß sie nur so neben her zu genießen wären, und doch auch wieder das Essen zu anzie- hend, als daß es ein getheiltes Interesse zuließe.
Der Dichtkunst erwähne ich zuletzt, weil es mir, aus wohl hinlänglich dargelegten Gründen, am allerwenigsten einfiele, eine eigentliche Tafelpoesie aufkommen zu lassen. Sollte aber die Liebe zur Poesie so glühend sein, daß man sie auch mit Messer und Gabel zu Leibe nehmen wollte, so wäre wohl die Dichtungsgattung der Leberreime hierzu die angemessenste. Vor philosophischen Gastmählern aber bewahre uns der Him- mel! Was die Griechen so nannten, war ein ziemlich vernünfti- ges Gespräch. Nicht zu vergessen, daß man dabei viel und möglich gut sprach, aber um so weniger und schlechter zu essen bekam, wie's auch in Wieland's Aristipp heißt: -- "wobei eine freie muntere Unterhaltung die bessere Hälfte der Bewir- thung machte. Heutzutag nun ist's mit der Philosophie ganz anders. Die heutige Philosophie ist lediglich eine Poesie über
Brettern ihre Stelle geltend gemacht, und der Schauſpieler muß eſſen koͤnnen. Es geht aber damit, wie mit dem Fechten. Entweder koͤnnen Schauſpieler keines von beiden und geben die ungeſchmuͤckte blanke Natur, oder ſie bringen ſo viel kuͤnſtliche Manier, daß man deutlich ſieht, dieß iſt weder gehauen, noch geſtochen, weder gefochten, noch gegeſſen. Der Schauſpieler muß wenigſtens das Exterieur wie des Helden ſo des Eßkuͤnſt- lers weg haben, wenn auch nicht von ihm verlangt werden kann, daß er ſelber wirklich ein Held oder Eßkuͤnſtler ſein ſoll. Wenn nun aber der Schauſpieler eſſen ſoll wie ein Menſch, ſo gilt Gegentheils als wichtige Regel, daß der Menſch nicht eſſen ſoll wie ein Schauſpieler.
Die mimiſchen Taͤnze bei den Gaſtmaͤhlern der Griechen hat man in neuerer Zeit ſelbſtſtaͤndiger gemacht, weiter ausge- bildet, und der Oper und dem Ballet zugewieſen. Allerdings ſind dieſe auch viel zu intereſſant, als daß ſie nur ſo neben her zu genießen waͤren, und doch auch wieder das Eſſen zu anzie- hend, als daß es ein getheiltes Intereſſe zuließe.
Der Dichtkunſt erwaͤhne ich zuletzt, weil es mir, aus wohl hinlaͤnglich dargelegten Gruͤnden, am allerwenigſten einfiele, eine eigentliche Tafelpoeſie aufkommen zu laſſen. Sollte aber die Liebe zur Poeſie ſo gluͤhend ſein, daß man ſie auch mit Meſſer und Gabel zu Leibe nehmen wollte, ſo waͤre wohl die Dichtungsgattung der Leberreime hierzu die angemeſſenſte. Vor philoſophiſchen Gaſtmaͤhlern aber bewahre uns der Him- mel! Was die Griechen ſo nannten, war ein ziemlich vernuͤnfti- ges Geſpraͤch. Nicht zu vergeſſen, daß man dabei viel und moͤglich gut ſprach, aber um ſo weniger und ſchlechter zu eſſen bekam, wie’s auch in Wieland’s Ariſtipp heißt: — „wobei eine freie muntere Unterhaltung die beſſere Haͤlfte der Bewir- thung machte. Heutzutag nun iſt’s mit der Philoſophie ganz anders. Die heutige Philoſophie iſt lediglich eine Poeſie uͤber
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Brettern ihre Stelle geltend gemacht, und der Schauſpieler
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Entweder koͤnnen Schauſpieler keines von beiden und geben die
ungeſchmuͤckte blanke Natur, oder ſie bringen ſo viel kuͤnſtliche
Manier, daß man deutlich ſieht, dieß iſt weder gehauen, noch
geſtochen, weder gefochten, noch gegeſſen. Der Schauſpieler
muß wenigſtens das Exterieur wie des Helden ſo des Eßkuͤnſt-
lers weg haben, wenn auch nicht von ihm verlangt werden
kann, daß er ſelber wirklich ein Held oder Eßkuͤnſtler ſein ſoll.
Wenn nun aber der Schauſpieler eſſen ſoll wie ein Menſch, ſo
gilt Gegentheils als wichtige Regel, daß der Menſch nicht eſſen
ſoll wie ein Schauſpieler.
Die mimiſchen Taͤnze bei den Gaſtmaͤhlern der Griechen
hat man in neuerer Zeit ſelbſtſtaͤndiger gemacht, weiter ausge-
bildet, und der Oper und dem Ballet zugewieſen. Allerdings
ſind dieſe auch viel zu intereſſant, als daß ſie nur ſo neben her
zu genießen waͤren, und doch auch wieder das Eſſen zu anzie-
hend, als daß es ein getheiltes Intereſſe zuließe.
Der Dichtkunſt erwaͤhne ich zuletzt, weil es mir, aus wohl
hinlaͤnglich dargelegten Gruͤnden, am allerwenigſten einfiele,
eine eigentliche Tafelpoeſie aufkommen zu laſſen. Sollte aber
die Liebe zur Poeſie ſo gluͤhend ſein, daß man ſie auch mit
Meſſer und Gabel zu Leibe nehmen wollte, ſo waͤre wohl die
Dichtungsgattung der Leberreime hierzu die angemeſſenſte.
Vor philoſophiſchen Gaſtmaͤhlern aber bewahre uns der Him-
mel! Was die Griechen ſo nannten, war ein ziemlich vernuͤnfti-
ges Geſpraͤch. Nicht zu vergeſſen, daß man dabei viel und
moͤglich gut ſprach, aber um ſo weniger und ſchlechter zu eſſen
bekam, wie’s auch in Wieland’s Ariſtipp heißt: — „wobei
eine freie muntere Unterhaltung die beſſere Haͤlfte der Bewir-
thung machte. Heutzutag nun iſt’s mit der Philoſophie ganz
anders. Die heutige Philoſophie iſt lediglich eine Poeſie uͤber
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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/99>, abgerufen am 16.02.2025.
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