mit Wasser gefüllte, Schüssel auf den Tisch, worein die ganze Gesellschaft ihre Hände auf einmal steckt und wäscht. Wenn dieß geschehen, spricht ein Diener, der an dem andern Ende des Tisches steht, folgendes Gebet: "Hochgelobt und gepriesen sei das allerheiligste Sacrament des Altars und die klare und reine Empfängniß der allerheiligsten Jungfrau, in Gnaden empfan- gen von dem ersten Augenblick ihrer natürlichen Existenz. Mei- ne Damen und Herrn, wohl bekomme es Ihnen!" -- Hierauf macht er einen tiefen Bückling, und jeder entfernt sich, um die Sieste zu halten. Wenn Leute von Stand ein Traktament ge- ben, so ist allemal ein Mönch dabei, der gewöhnlich der Beicht- vater des Hauses ist. Bei Morgen- und Abendbesuchen prä- sentirt man Chokolade und Backwerk, an Sommerabenden aber Gefrornes. Zwischen acht und neun Uhr wird die Abendmahlzeit gehalten und dann legt man sich zu Bette.
Doch es ist Zeit, im civilisirten Europa zu landen. -- Was Goethe über Sizilien berichtet, sticht stark gegen den alten "Sizilianischen Luxus" ab. In der Herberge zu Caltanisetta war gar keine Gelegenheit zum Kochen. Mit Mühe erlangten die Reisenden von einem Bürger Herd und Holz, Küchen- und Tischgeräthe. Sie selbst kauften eine Henne und der Vetturino holte Reis, Salz und Spezereien. In Catania fanden sie zwar eine Henne in Reis gekocht, die aber durch unmäßigen Safranzusatz kaum genießbar war. Der Vetturino aß mit größ- tem Appetit rohe Artischocken und Kohlrabi. Doch fand Goethe die Gartenfrüchte herrlich, besonders den Salat von Zartheit und Geschmack wie eine Milch, Oel und Wein gut, Fische die besten und zartesten, sogar bis Palermo sehr gutes Rind- fleisch.
Neapel bietet mehr Ausbeute. Winckelmann äußert sich mit Entzücken über den zarten Blumenkohl von zwei Spannen im Durchmesser (sein Lieblingsgericht) und die köstliche Lagri- ma Christi, und es bekam ihm sehr wohl. Er schreibt: das
mit Waſſer gefuͤllte, Schuͤſſel auf den Tiſch, worein die ganze Geſellſchaft ihre Haͤnde auf einmal ſteckt und waͤſcht. Wenn dieß geſchehen, ſpricht ein Diener, der an dem andern Ende des Tiſches ſteht, folgendes Gebet: „Hochgelobt und geprieſen ſei das allerheiligſte Sacrament des Altars und die klare und reine Empfaͤngniß der allerheiligſten Jungfrau, in Gnaden empfan- gen von dem erſten Augenblick ihrer natuͤrlichen Exiſtenz. Mei- ne Damen und Herrn, wohl bekomme es Ihnen!“ — Hierauf macht er einen tiefen Buͤckling, und jeder entfernt ſich, um die Sieſte zu halten. Wenn Leute von Stand ein Traktament ge- ben, ſo iſt allemal ein Moͤnch dabei, der gewoͤhnlich der Beicht- vater des Hauſes iſt. Bei Morgen- und Abendbeſuchen praͤ- ſentirt man Chokolade und Backwerk, an Sommerabenden aber Gefrornes. Zwiſchen acht und neun Uhr wird die Abendmahlzeit gehalten und dann legt man ſich zu Bette.
Doch es iſt Zeit, im civiliſirten Europa zu landen. — Was Goethe uͤber Sizilien berichtet, ſticht ſtark gegen den alten „Sizilianiſchen Luxus“ ab. In der Herberge zu Caltaniſetta war gar keine Gelegenheit zum Kochen. Mit Muͤhe erlangten die Reiſenden von einem Buͤrger Herd und Holz, Kuͤchen- und Tiſchgeraͤthe. Sie ſelbſt kauften eine Henne und der Vetturino holte Reis, Salz und Spezereien. In Catania fanden ſie zwar eine Henne in Reis gekocht, die aber durch unmaͤßigen Safranzuſatz kaum genießbar war. Der Vetturino aß mit groͤß- tem Appetit rohe Artiſchocken und Kohlrabi. Doch fand Goethe die Gartenfruͤchte herrlich, beſonders den Salat von Zartheit und Geſchmack wie eine Milch, Oel und Wein gut, Fiſche die beſten und zarteſten, ſogar bis Palermo ſehr gutes Rind- fleiſch.
Neapel bietet mehr Ausbeute. Winckelmann aͤußert ſich mit Entzuͤcken uͤber den zarten Blumenkohl von zwei Spannen im Durchmeſſer (ſein Lieblingsgericht) und die koͤſtliche Lagri- ma Christi, und es bekam ihm ſehr wohl. Er ſchreibt: das
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0069"n="55"/>
mit Waſſer gefuͤllte, Schuͤſſel auf den Tiſch, worein die ganze<lb/>
Geſellſchaft ihre Haͤnde auf einmal ſteckt und waͤſcht. Wenn<lb/>
dieß geſchehen, ſpricht ein Diener, der an dem andern Ende des<lb/>
Tiſches ſteht, folgendes Gebet: „Hochgelobt und geprieſen ſei das<lb/>
allerheiligſte Sacrament des Altars und die klare und reine<lb/>
Empfaͤngniß der allerheiligſten Jungfrau, in Gnaden empfan-<lb/>
gen von dem erſten Augenblick ihrer natuͤrlichen Exiſtenz. Mei-<lb/>
ne Damen und Herrn, wohl bekomme es Ihnen!“— Hierauf<lb/>
macht er einen tiefen Buͤckling, und jeder entfernt ſich, um die<lb/>
Sieſte zu halten. Wenn Leute von Stand ein Traktament ge-<lb/>
ben, ſo iſt allemal ein Moͤnch dabei, der gewoͤhnlich der Beicht-<lb/>
vater des Hauſes iſt. Bei Morgen- und Abendbeſuchen praͤ-<lb/>ſentirt man Chokolade und Backwerk, an Sommerabenden aber<lb/>
Gefrornes. Zwiſchen acht und neun Uhr wird die Abendmahlzeit<lb/>
gehalten und dann legt man ſich zu Bette.</p><lb/><p>Doch es iſt Zeit, im civiliſirten Europa zu landen. —<lb/>
Was <hirendition="#g">Goethe</hi> uͤber Sizilien berichtet, ſticht ſtark gegen den alten<lb/>„Sizilianiſchen Luxus“ ab. In der Herberge zu <hirendition="#g">Caltaniſetta</hi><lb/>
war gar keine Gelegenheit zum Kochen. Mit Muͤhe erlangten<lb/>
die Reiſenden von einem Buͤrger Herd und Holz, Kuͤchen- und<lb/>
Tiſchgeraͤthe. Sie ſelbſt kauften eine Henne und der Vetturino<lb/>
holte Reis, Salz und Spezereien. In <hirendition="#g">Catania</hi> fanden ſie<lb/>
zwar eine Henne in Reis gekocht, die aber durch unmaͤßigen<lb/>
Safranzuſatz kaum genießbar war. Der Vetturino aß mit groͤß-<lb/>
tem Appetit rohe Artiſchocken und Kohlrabi. Doch fand <hirendition="#g">Goethe</hi><lb/>
die Gartenfruͤchte herrlich, beſonders den Salat von Zartheit<lb/>
und Geſchmack wie eine Milch, Oel und Wein gut, Fiſche die<lb/>
beſten und zarteſten, ſogar bis <hirendition="#g">Palermo</hi>ſehr gutes Rind-<lb/>
fleiſch.</p><lb/><p>Neapel bietet mehr Ausbeute. <hirendition="#g">Winckelmann</hi> aͤußert ſich<lb/>
mit Entzuͤcken uͤber den zarten Blumenkohl von zwei Spannen<lb/>
im Durchmeſſer (ſein Lieblingsgericht) und die koͤſtliche <hirendition="#aq">Lagri-<lb/>
ma Christi,</hi> und es bekam ihm ſehr wohl. Er ſchreibt: das<lb/></p></div></body></text></TEI>
[55/0069]
mit Waſſer gefuͤllte, Schuͤſſel auf den Tiſch, worein die ganze
Geſellſchaft ihre Haͤnde auf einmal ſteckt und waͤſcht. Wenn
dieß geſchehen, ſpricht ein Diener, der an dem andern Ende des
Tiſches ſteht, folgendes Gebet: „Hochgelobt und geprieſen ſei das
allerheiligſte Sacrament des Altars und die klare und reine
Empfaͤngniß der allerheiligſten Jungfrau, in Gnaden empfan-
gen von dem erſten Augenblick ihrer natuͤrlichen Exiſtenz. Mei-
ne Damen und Herrn, wohl bekomme es Ihnen!“ — Hierauf
macht er einen tiefen Buͤckling, und jeder entfernt ſich, um die
Sieſte zu halten. Wenn Leute von Stand ein Traktament ge-
ben, ſo iſt allemal ein Moͤnch dabei, der gewoͤhnlich der Beicht-
vater des Hauſes iſt. Bei Morgen- und Abendbeſuchen praͤ-
ſentirt man Chokolade und Backwerk, an Sommerabenden aber
Gefrornes. Zwiſchen acht und neun Uhr wird die Abendmahlzeit
gehalten und dann legt man ſich zu Bette.
Doch es iſt Zeit, im civiliſirten Europa zu landen. —
Was Goethe uͤber Sizilien berichtet, ſticht ſtark gegen den alten
„Sizilianiſchen Luxus“ ab. In der Herberge zu Caltaniſetta
war gar keine Gelegenheit zum Kochen. Mit Muͤhe erlangten
die Reiſenden von einem Buͤrger Herd und Holz, Kuͤchen- und
Tiſchgeraͤthe. Sie ſelbſt kauften eine Henne und der Vetturino
holte Reis, Salz und Spezereien. In Catania fanden ſie
zwar eine Henne in Reis gekocht, die aber durch unmaͤßigen
Safranzuſatz kaum genießbar war. Der Vetturino aß mit groͤß-
tem Appetit rohe Artiſchocken und Kohlrabi. Doch fand Goethe
die Gartenfruͤchte herrlich, beſonders den Salat von Zartheit
und Geſchmack wie eine Milch, Oel und Wein gut, Fiſche die
beſten und zarteſten, ſogar bis Palermo ſehr gutes Rind-
fleiſch.
Neapel bietet mehr Ausbeute. Winckelmann aͤußert ſich
mit Entzuͤcken uͤber den zarten Blumenkohl von zwei Spannen
im Durchmeſſer (ſein Lieblingsgericht) und die koͤſtliche Lagri-
ma Christi, und es bekam ihm ſehr wohl. Er ſchreibt: das
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/69>, abgerufen am 23.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.