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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.

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urtheil vermag, indem die überaus zarten Froschschenkel häufig
von der unnachdenklichen Menge fast mit Abscheu verschmäht wer-
den. -- Andere sagen, sie würden bei'm Froschessen erst recht
hungrig. O Unnachdenklichkeit! -- als ob nicht gerade in die-
sem Umstande die schönste Bürgschaft eines längstmöglich fort-
gesetzten Genusses läge! -- Wer überhaupt ißt, um den Ma-
gen zu füllen, verdient gar nicht zu essen.

Zu den, aus Unkenntniß und Mangel eigener Erfahrung,
häufig überschätzten Eßbarkeiten gehören die Schildkröten. Ich
habe in Italien öfters welche gegessen, es ist nicht der Mühe
werth, zu bedauern, daß sie nicht auch bei uns heimisch
sind, was sie noch dazu sehr leicht gemacht werden können.
Doch hat es tiefe Bedeutung, wenn Apollo zur Schildkröte
sagt: "Wenn du todt bist, dann wird erst dein Gesang an-
heben."

Ueber die ebenfalls eßbaren Krokodille, Leguans, und de-
ren Eier, so wie über die Riesenschlangen, welche wie Schwein-
fleisch schmecken sollen, weiß ich nichts zu sagen, welches zu sa-
gen mir schwer ankommt.

Die Fische sind eigentlich wohl Fleisch; eigentlich aber auch
kein Fleisch. Statt darüber zu streiten, lasse man sie lieber
sich schmecken.

Im Allgemeinen gilt, daß in stehenden Wassern, tieflie-
genden Teichen, sumpfigen langsam fließenden Flüssen lebende
Fische indifferenter, dumpfer, fetter und doch schwerer sind;
denn es kommt auf der Welt sehr viel auf die Umgebung an.
In freier See hausende Fische haben durchaus entschiedeneren,
stärkeren, festeren Charakter. Gleich gut und etwas milder zei-
gen sich die in schnell fließenden Strömen und größeren Land-
seen.

Vorzüglich geschätzt schon von Alters her wegen höherer
Feinheit sind die Fische, welche in hochgelegenen, rasch fließen-
den kleineren Flüssen mit Kies- und Felsgrund ein frei beweg-

urtheil vermag, indem die uͤberaus zarten Froſchſchenkel haͤufig
von der unnachdenklichen Menge faſt mit Abſcheu verſchmaͤht wer-
den. — Andere ſagen, ſie wuͤrden bei’m Froſcheſſen erſt recht
hungrig. O Unnachdenklichkeit! — als ob nicht gerade in die-
ſem Umſtande die ſchoͤnſte Buͤrgſchaft eines laͤngſtmoͤglich fort-
geſetzten Genuſſes laͤge! — Wer uͤberhaupt ißt, um den Ma-
gen zu fuͤllen, verdient gar nicht zu eſſen.

Zu den, aus Unkenntniß und Mangel eigener Erfahrung,
haͤufig uͤberſchaͤtzten Eßbarkeiten gehoͤren die Schildkroͤten. Ich
habe in Italien oͤfters welche gegeſſen, es iſt nicht der Muͤhe
werth, zu bedauern, daß ſie nicht auch bei uns heimiſch
ſind, was ſie noch dazu ſehr leicht gemacht werden koͤnnen.
Doch hat es tiefe Bedeutung, wenn Apollo zur Schildkroͤte
ſagt: „Wenn du todt biſt, dann wird erſt dein Geſang an-
heben.“

Ueber die ebenfalls eßbaren Krokodille, Leguans, und de-
ren Eier, ſo wie uͤber die Rieſenſchlangen, welche wie Schwein-
fleiſch ſchmecken ſollen, weiß ich nichts zu ſagen, welches zu ſa-
gen mir ſchwer ankommt.

Die Fiſche ſind eigentlich wohl Fleiſch; eigentlich aber auch
kein Fleiſch. Statt daruͤber zu ſtreiten, laſſe man ſie lieber
ſich ſchmecken.

Im Allgemeinen gilt, daß in ſtehenden Waſſern, tieflie-
genden Teichen, ſumpfigen langſam fließenden Fluͤſſen lebende
Fiſche indifferenter, dumpfer, fetter und doch ſchwerer ſind;
denn es kommt auf der Welt ſehr viel auf die Umgebung an.
In freier See hauſende Fiſche haben durchaus entſchiedeneren,
ſtaͤrkeren, feſteren Charakter. Gleich gut und etwas milder zei-
gen ſich die in ſchnell fließenden Stroͤmen und groͤßeren Land-
ſeen.

Vorzuͤglich geſchaͤtzt ſchon von Alters her wegen hoͤherer
Feinheit ſind die Fiſche, welche in hochgelegenen, raſch fließen-
den kleineren Fluͤſſen mit Kies- und Felsgrund ein frei beweg-

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[234/0248] urtheil vermag, indem die uͤberaus zarten Froſchſchenkel haͤufig von der unnachdenklichen Menge faſt mit Abſcheu verſchmaͤht wer- den. — Andere ſagen, ſie wuͤrden bei’m Froſcheſſen erſt recht hungrig. O Unnachdenklichkeit! — als ob nicht gerade in die- ſem Umſtande die ſchoͤnſte Buͤrgſchaft eines laͤngſtmoͤglich fort- geſetzten Genuſſes laͤge! — Wer uͤberhaupt ißt, um den Ma- gen zu fuͤllen, verdient gar nicht zu eſſen. Zu den, aus Unkenntniß und Mangel eigener Erfahrung, haͤufig uͤberſchaͤtzten Eßbarkeiten gehoͤren die Schildkroͤten. Ich habe in Italien oͤfters welche gegeſſen, es iſt nicht der Muͤhe werth, zu bedauern, daß ſie nicht auch bei uns heimiſch ſind, was ſie noch dazu ſehr leicht gemacht werden koͤnnen. Doch hat es tiefe Bedeutung, wenn Apollo zur Schildkroͤte ſagt: „Wenn du todt biſt, dann wird erſt dein Geſang an- heben.“ Ueber die ebenfalls eßbaren Krokodille, Leguans, und de- ren Eier, ſo wie uͤber die Rieſenſchlangen, welche wie Schwein- fleiſch ſchmecken ſollen, weiß ich nichts zu ſagen, welches zu ſa- gen mir ſchwer ankommt. Die Fiſche ſind eigentlich wohl Fleiſch; eigentlich aber auch kein Fleiſch. Statt daruͤber zu ſtreiten, laſſe man ſie lieber ſich ſchmecken. Im Allgemeinen gilt, daß in ſtehenden Waſſern, tieflie- genden Teichen, ſumpfigen langſam fließenden Fluͤſſen lebende Fiſche indifferenter, dumpfer, fetter und doch ſchwerer ſind; denn es kommt auf der Welt ſehr viel auf die Umgebung an. In freier See hauſende Fiſche haben durchaus entſchiedeneren, ſtaͤrkeren, feſteren Charakter. Gleich gut und etwas milder zei- gen ſich die in ſchnell fließenden Stroͤmen und groͤßeren Land- ſeen. Vorzuͤglich geſchaͤtzt ſchon von Alters her wegen hoͤherer Feinheit ſind die Fiſche, welche in hochgelegenen, raſch fließen- den kleineren Fluͤſſen mit Kies- und Felsgrund ein frei beweg-

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Zitationshilfe: Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/248>, abgerufen am 22.11.2024.