Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.so urkräftige, als wohlschmeckende Speise, die höchste Urspeise. Vergleicht man aber jenes schon benannte ausgesottene Wohl zu beherzigen ist, daß am Spies Gebratenes vor Wie man nun über die genannten beiden Eßbarkeiten über- 15*
ſo urkraͤftige, als wohlſchmeckende Speiſe, die hoͤchſte Urſpeiſe. Vergleicht man aber jenes ſchon benannte ausgeſottene Wohl zu beherzigen iſt, daß am Spies Gebratenes vor Wie man nun uͤber die genannten beiden Eßbarkeiten uͤber- 15*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0241" n="227"/> ſo urkraͤftige, als wohlſchmeckende Speiſe, die hoͤchſte Urſpeiſe.<lb/> Die Deutſchen Nachahmungen ſind merklich matter und weni-<lb/> ger nahrhaft: geſottenes Rindfleiſch aber, wie ſchon bemerkt,<lb/> ohne alle Kraft und ſo wenig anſprechend, wie ein durch un-<lb/> aufhoͤrliches Thraͤnenvergießen entmannter Menſch. Die Fran-<lb/> zoͤſiſchen <hi rendition="#aq">Boeufs à la Mode</hi> — ja wohl <hi rendition="#aq">à la Mode!</hi> — mit<lb/> jenem Urbilde verglichen, ſind rein eine Sardelle gegen einen<lb/> Wallfiſch. Es kann davon gar keine Rede ſein. Jenes Deutſche<lb/> Rindfleiſch aber ſagt beſonders dem allgemeinen Hausgebrauche<lb/> zu. Schweinsbraten wird von Vielen, namentlich Nichteßkuͤnſt-<lb/> lern, nicht ſo gut vertragen, iſt ſchon ein leckereres Gericht, außer-<lb/> ordentlich vortrefflich wohlſchmeckend und nahrhaft, und bildet,<lb/> mit jenem Engliſchen Roaſtbeef zur Baſis, eine ſchoͤne, reiche<lb/> Mannigfaltigkeit.</p><lb/> <p>Vergleicht man aber jenes ſchon benannte ausgeſottene<lb/> Rindfleiſch mit dem originalen ſaftvollen Schweinsbraten, ſo<lb/> bin ich unbedingt auf Seiten des <hi rendition="#g">Hippokrates, Galen</hi> und<lb/> der Salernitaniſchen Schule, ſo gute Kranken-Suppen auch<lb/> Rindfleiſchbruͤhe geben moͤge.</p><lb/> <p>Wohl zu beherzigen iſt, daß am Spies Gebratenes vor<lb/> allem anders Gebratenen den Vorzug verdient. Man ver-<lb/> gleiche z. B. am Spies gebratenen mit dem gewoͤhnlichen<lb/> Schweinsbraten, und man wird hochgeſteigerten Genuß finden.<lb/> Auch muß <hi rendition="#g">Avicenna</hi> und <hi rendition="#g">Rhazes</hi> vollkommen Recht gegeben<lb/> werden, daß fuͤr thatkraͤftige und arbeitſame Maͤnner die fette<lb/> Fuͤlle und naͤhrende Kraft des Schweinsbratens zunaͤchſt paſſe.<lb/> Fuͤr traͤumende Phantaſten iſt aber geſottenes Rindfleiſch ſehr<lb/> entſprechend, wenn auch nicht ſtaͤrkend.</p><lb/> <p>Wie man nun uͤber die genannten beiden Eßbarkeiten uͤber-<lb/> haupt geſtritten, ſo erſtreckte ſich der Disput auch auf<lb/> ihre einzelnen <hi rendition="#g">Stuͤcke</hi>. — Doch wuͤrde mich dieß, da ich gar<lb/> mehr Andres zu beſprechen habe, zu weit fuͤhren, und ſtelle<lb/> <fw place="bottom" type="sig">15*</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [227/0241]
ſo urkraͤftige, als wohlſchmeckende Speiſe, die hoͤchſte Urſpeiſe.
Die Deutſchen Nachahmungen ſind merklich matter und weni-
ger nahrhaft: geſottenes Rindfleiſch aber, wie ſchon bemerkt,
ohne alle Kraft und ſo wenig anſprechend, wie ein durch un-
aufhoͤrliches Thraͤnenvergießen entmannter Menſch. Die Fran-
zoͤſiſchen Boeufs à la Mode — ja wohl à la Mode! — mit
jenem Urbilde verglichen, ſind rein eine Sardelle gegen einen
Wallfiſch. Es kann davon gar keine Rede ſein. Jenes Deutſche
Rindfleiſch aber ſagt beſonders dem allgemeinen Hausgebrauche
zu. Schweinsbraten wird von Vielen, namentlich Nichteßkuͤnſt-
lern, nicht ſo gut vertragen, iſt ſchon ein leckereres Gericht, außer-
ordentlich vortrefflich wohlſchmeckend und nahrhaft, und bildet,
mit jenem Engliſchen Roaſtbeef zur Baſis, eine ſchoͤne, reiche
Mannigfaltigkeit.
Vergleicht man aber jenes ſchon benannte ausgeſottene
Rindfleiſch mit dem originalen ſaftvollen Schweinsbraten, ſo
bin ich unbedingt auf Seiten des Hippokrates, Galen und
der Salernitaniſchen Schule, ſo gute Kranken-Suppen auch
Rindfleiſchbruͤhe geben moͤge.
Wohl zu beherzigen iſt, daß am Spies Gebratenes vor
allem anders Gebratenen den Vorzug verdient. Man ver-
gleiche z. B. am Spies gebratenen mit dem gewoͤhnlichen
Schweinsbraten, und man wird hochgeſteigerten Genuß finden.
Auch muß Avicenna und Rhazes vollkommen Recht gegeben
werden, daß fuͤr thatkraͤftige und arbeitſame Maͤnner die fette
Fuͤlle und naͤhrende Kraft des Schweinsbratens zunaͤchſt paſſe.
Fuͤr traͤumende Phantaſten iſt aber geſottenes Rindfleiſch ſehr
entſprechend, wenn auch nicht ſtaͤrkend.
Wie man nun uͤber die genannten beiden Eßbarkeiten uͤber-
haupt geſtritten, ſo erſtreckte ſich der Disput auch auf
ihre einzelnen Stuͤcke. — Doch wuͤrde mich dieß, da ich gar
mehr Andres zu beſprechen habe, zu weit fuͤhren, und ſtelle
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