gemacht werden. Wie aber ist es möglich, z. B. eine Wurst, welche durch Basilicum, Majoran etc. entstellt ist, zu restituiren?
Eine Ueberwürzung wäre nur in jenen bedauerlichen Fällen räthlich, wo man irgend eine widerstrebende (namentlich Fleisch-) Speise durch Verhältnisse und Rücksichten determinirt, zu essen sich gezwungen sähe. Je mehr Würze, um so weniger reiner wahrer Geschmack. Dieß gilt auch von zu stark gezuckerten Lob- preißungen, so wenig es auch die Geprießenen selber merken oder glauben.
Pilze und Schwämme -- Persoon zählt einundvierzig eßbare Gattungen auf -- bilden den Uebergang zum Animali- schen, können dieß sogar manchmal ergänzen und surrogiren. Der lohnende Genuß, welchen sie gewähren, verdient es wohl, daß man sich mit ihrer Naturgeschichte genau vertraut macht, um nicht auf schädliche zu stoßen. Freilich wird der feingebil- dete Geschmack des Essenden am besten über ihre Gedeihlichkeit entscheiden, indem kein giftiger Pilz gut schmeckt. Doch ist diese feinere Geschmacksausbildung nicht bei jedem Esser vor- auszusetzen. Schwärzt sich ein in das aus Schwämmen bereitete Gericht getauchter silberner Löffel, so verzichte man auf's Essen.
Uebrigens vertragen die meisten derberen Pilz- und Schwammarten etwas reichlichere Würzzusätze, welche man in gegebenen Fällen nachträglich zu ergänzen sich nicht geniren sollte. Der nachsalzende oder nachpfeffernde Esser spricht da- durch nicht nur keinen absoluten Tadel über das concrete Ge- richt aus, sondern er kann ja, nach Bedarf, seine (angebliche) Gewohnheit nachzuwürzen, schlau selbst tadelnd, mit um so we- niger Anstoß seine Absicht erreichen.
Trotz des Reichthums der schmackhaftesten Einzelheiten, welche wir dem Pflanzenreich verdanken, die aber hier nicht füglich aufzuzählen sind, könnte doch auch dieser Kreis noch be- deutend erweitert werden, wie man z. B. bei Tiedemann finden wird.
gemacht werden. Wie aber iſt es moͤglich, z. B. eine Wurſt, welche durch Baſilicum, Majoran ꝛc. entſtellt iſt, zu reſtituiren?
Eine Ueberwuͤrzung waͤre nur in jenen bedauerlichen Faͤllen raͤthlich, wo man irgend eine widerſtrebende (namentlich Fleiſch-) Speiſe durch Verhaͤltniſſe und Ruͤckſichten determinirt, zu eſſen ſich gezwungen ſaͤhe. Je mehr Wuͤrze, um ſo weniger reiner wahrer Geſchmack. Dieß gilt auch von zu ſtark gezuckerten Lob- preißungen, ſo wenig es auch die Geprießenen ſelber merken oder glauben.
Pilze und Schwaͤmme — Perſoon zaͤhlt einundvierzig eßbare Gattungen auf — bilden den Uebergang zum Animali- ſchen, koͤnnen dieß ſogar manchmal ergaͤnzen und ſurrogiren. Der lohnende Genuß, welchen ſie gewaͤhren, verdient es wohl, daß man ſich mit ihrer Naturgeſchichte genau vertraut macht, um nicht auf ſchaͤdliche zu ſtoßen. Freilich wird der feingebil- dete Geſchmack des Eſſenden am beſten uͤber ihre Gedeihlichkeit entſcheiden, indem kein giftiger Pilz gut ſchmeckt. Doch iſt dieſe feinere Geſchmacksausbildung nicht bei jedem Eſſer vor- auszuſetzen. Schwaͤrzt ſich ein in das aus Schwaͤmmen bereitete Gericht getauchter ſilberner Loͤffel, ſo verzichte man auf’s Eſſen.
Uebrigens vertragen die meiſten derberen Pilz- und Schwammarten etwas reichlichere Wuͤrzzuſaͤtze, welche man in gegebenen Faͤllen nachtraͤglich zu ergaͤnzen ſich nicht geniren ſollte. Der nachſalzende oder nachpfeffernde Eſſer ſpricht da- durch nicht nur keinen abſoluten Tadel uͤber das concrete Ge- richt aus, ſondern er kann ja, nach Bedarf, ſeine (angebliche) Gewohnheit nachzuwuͤrzen, ſchlau ſelbſt tadelnd, mit um ſo we- niger Anſtoß ſeine Abſicht erreichen.
Trotz des Reichthums der ſchmackhafteſten Einzelheiten, welche wir dem Pflanzenreich verdanken, die aber hier nicht fuͤglich aufzuzaͤhlen ſind, koͤnnte doch auch dieſer Kreis noch be- deutend erweitert werden, wie man z. B. bei Tiedemann finden wird.
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Eine Ueberwuͤrzung waͤre nur in jenen bedauerlichen Faͤllen
raͤthlich, wo man irgend eine widerſtrebende (namentlich Fleiſch-)
Speiſe durch Verhaͤltniſſe und Ruͤckſichten determinirt, zu eſſen
ſich gezwungen ſaͤhe. Je mehr Wuͤrze, um ſo weniger reiner
wahrer Geſchmack. Dieß gilt auch von zu ſtark gezuckerten Lob-
preißungen, ſo wenig es auch die Geprießenen ſelber merken
oder glauben.
Pilze und Schwaͤmme — Perſoon zaͤhlt einundvierzig
eßbare Gattungen auf — bilden den Uebergang zum Animali-
ſchen, koͤnnen dieß ſogar manchmal ergaͤnzen und ſurrogiren.
Der lohnende Genuß, welchen ſie gewaͤhren, verdient es wohl,
daß man ſich mit ihrer Naturgeſchichte genau vertraut macht,
um nicht auf ſchaͤdliche zu ſtoßen. Freilich wird der feingebil-
dete Geſchmack des Eſſenden am beſten uͤber ihre Gedeihlichkeit
entſcheiden, indem kein giftiger Pilz gut ſchmeckt. Doch iſt
dieſe feinere Geſchmacksausbildung nicht bei jedem Eſſer vor-
auszuſetzen. Schwaͤrzt ſich ein in das aus Schwaͤmmen bereitete
Gericht getauchter ſilberner Loͤffel, ſo verzichte man auf’s Eſſen.
Uebrigens vertragen die meiſten derberen Pilz- und
Schwammarten etwas reichlichere Wuͤrzzuſaͤtze, welche man in
gegebenen Faͤllen nachtraͤglich zu ergaͤnzen ſich nicht geniren
ſollte. Der nachſalzende oder nachpfeffernde Eſſer ſpricht da-
durch nicht nur keinen abſoluten Tadel uͤber das concrete Ge-
richt aus, ſondern er kann ja, nach Bedarf, ſeine (angebliche)
Gewohnheit nachzuwuͤrzen, ſchlau ſelbſt tadelnd, mit um ſo we-
niger Anſtoß ſeine Abſicht erreichen.
Trotz des Reichthums der ſchmackhafteſten Einzelheiten,
welche wir dem Pflanzenreich verdanken, die aber hier nicht
fuͤglich aufzuzaͤhlen ſind, koͤnnte doch auch dieſer Kreis noch be-
deutend erweitert werden, wie man z. B. bei Tiedemann
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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/236>, abgerufen am 23.07.2024.
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