den Caffee. -- Welches ungeheure Licht geht einem auf, wenn man so tiefsinnige Betrachtungen über den Weltinstinkt liest!
Indem ich nun zunächst der Suppen zu gedenken habe, will und kann ich nicht verhalten, wie wünschenswerth aus den wichtigsten Gründen ich eine Annäherung unserer Nation an die Englische Eßweise erachte. In Kosthäusern, bei Wirthsta- feln, überhaupt beim Zusammenstoßen Mehrer und Vieler, na- mentlich protestantischer Menschen, könnte wohl damit begon- nen, und durch gänzliche Verbannung oder doch möglichste Beschränkung des Suppenessens und dadurch allein zu erzie- lende große kräftige Rinder- und andere Braten das Erwünsch- teste erreicht und erfüllt werden. Doch ist die Gewohnheit des Suppenessens zu fest gewurzelt, als daß die Erfüllung solcher Hoffnungen irgend wahrscheinlich wäre. Für den Familientisch siedet man Rindfleisch der Brühe wegen, und den Katholiken ständen ihre Fasttage u. a. entgegen. Möchte wenigstens bei eigentlichen höheren Gastmählern auf die über diese Angelegen- heit bereits mitgetheilten Bemerkungen Rücksicht genommen werden.
Ich nahm einst an einer Berathung über ein zu veranstal- tendes Gastmahl Theil. Daß mein Antrag, die Suppe ganz wegzulassen, trotz einer deßhalb gehaltenen langen und breiten Rede, verworfen wurde, war fast vorauszusehen; schmerzlich er- griff es dagegen, als das entgegengesetzte Amendement einer in Burgunder gekochten Sagosuppe mit großer Stimmenmehrheit durchging. Ich prophezeite das Unglücklichste, was leider ein- traf. Obgleich die eifrigsten Wortführer dieser Suppe das Mög- liche thaten, sie schmackhaft zu finden, aus Rechthaberei selbst sich zwei Mal davon geben ließen, so war das Simulirte und Erzwungene dabei doch nicht zu verkennen. Andere schützten Verschiedenes vor, warum sie nicht viel davon essen wollten; Einige aber sagten geradezu: sie fänden keinen Geschmack daran.
Doch genug über einen ungeliebten Gegenstand.
den Caffée. — Welches ungeheure Licht geht einem auf, wenn man ſo tiefſinnige Betrachtungen uͤber den Weltinſtinkt lieſt!
Indem ich nun zunaͤchſt der Suppen zu gedenken habe, will und kann ich nicht verhalten, wie wuͤnſchenswerth aus den wichtigſten Gruͤnden ich eine Annaͤherung unſerer Nation an die Engliſche Eßweiſe erachte. In Koſthaͤuſern, bei Wirthsta- feln, uͤberhaupt beim Zuſammenſtoßen Mehrer und Vieler, na- mentlich proteſtantiſcher Menſchen, koͤnnte wohl damit begon- nen, und durch gaͤnzliche Verbannung oder doch moͤglichſte Beſchraͤnkung des Suppeneſſens und dadurch allein zu erzie- lende große kraͤftige Rinder- und andere Braten das Erwuͤnſch- teſte erreicht und erfuͤllt werden. Doch iſt die Gewohnheit des Suppeneſſens zu feſt gewurzelt, als daß die Erfuͤllung ſolcher Hoffnungen irgend wahrſcheinlich waͤre. Fuͤr den Familientiſch ſiedet man Rindfleiſch der Bruͤhe wegen, und den Katholiken ſtaͤnden ihre Faſttage u. a. entgegen. Moͤchte wenigſtens bei eigentlichen hoͤheren Gaſtmaͤhlern auf die uͤber dieſe Angelegen- heit bereits mitgetheilten Bemerkungen Ruͤckſicht genommen werden.
Ich nahm einſt an einer Berathung uͤber ein zu veranſtal- tendes Gaſtmahl Theil. Daß mein Antrag, die Suppe ganz wegzulaſſen, trotz einer deßhalb gehaltenen langen und breiten Rede, verworfen wurde, war faſt vorauszuſehen; ſchmerzlich er- griff es dagegen, als das entgegengeſetzte Amendement einer in Burgunder gekochten Sagoſuppe mit großer Stimmenmehrheit durchging. Ich prophezeite das Ungluͤcklichſte, was leider ein- traf. Obgleich die eifrigſten Wortfuͤhrer dieſer Suppe das Moͤg- liche thaten, ſie ſchmackhaft zu finden, aus Rechthaberei ſelbſt ſich zwei Mal davon geben ließen, ſo war das Simulirte und Erzwungene dabei doch nicht zu verkennen. Andere ſchuͤtzten Verſchiedenes vor, warum ſie nicht viel davon eſſen wollten; Einige aber ſagten geradezu: ſie faͤnden keinen Geſchmack daran.
Doch genug uͤber einen ungeliebten Gegenſtand.
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man ſo tiefſinnige Betrachtungen uͤber den Weltinſtinkt lieſt!
Indem ich nun zunaͤchſt der Suppen zu gedenken habe,
will und kann ich nicht verhalten, wie wuͤnſchenswerth aus den
wichtigſten Gruͤnden ich eine Annaͤherung unſerer Nation an
die Engliſche Eßweiſe erachte. In Koſthaͤuſern, bei Wirthsta-
feln, uͤberhaupt beim Zuſammenſtoßen Mehrer und Vieler, na-
mentlich proteſtantiſcher Menſchen, koͤnnte wohl damit begon-
nen, und durch gaͤnzliche Verbannung oder doch moͤglichſte
Beſchraͤnkung des Suppeneſſens und dadurch allein zu erzie-
lende große kraͤftige Rinder- und andere Braten das Erwuͤnſch-
teſte erreicht und erfuͤllt werden. Doch iſt die Gewohnheit des
Suppeneſſens zu feſt gewurzelt, als daß die Erfuͤllung ſolcher
Hoffnungen irgend wahrſcheinlich waͤre. Fuͤr den Familientiſch
ſiedet man Rindfleiſch der Bruͤhe wegen, und den Katholiken
ſtaͤnden ihre Faſttage u. a. entgegen. Moͤchte wenigſtens bei
eigentlichen hoͤheren Gaſtmaͤhlern auf die uͤber dieſe Angelegen-
heit bereits mitgetheilten Bemerkungen Ruͤckſicht genommen
werden.
Ich nahm einſt an einer Berathung uͤber ein zu veranſtal-
tendes Gaſtmahl Theil. Daß mein Antrag, die Suppe ganz
wegzulaſſen, trotz einer deßhalb gehaltenen langen und breiten
Rede, verworfen wurde, war faſt vorauszuſehen; ſchmerzlich er-
griff es dagegen, als das entgegengeſetzte Amendement einer in
Burgunder gekochten Sagoſuppe mit großer Stimmenmehrheit
durchging. Ich prophezeite das Ungluͤcklichſte, was leider ein-
traf. Obgleich die eifrigſten Wortfuͤhrer dieſer Suppe das Moͤg-
liche thaten, ſie ſchmackhaft zu finden, aus Rechthaberei ſelbſt
ſich zwei Mal davon geben ließen, ſo war das Simulirte und
Erzwungene dabei doch nicht zu verkennen. Andere ſchuͤtzten
Verſchiedenes vor, warum ſie nicht viel davon eſſen wollten;
Einige aber ſagten geradezu: ſie faͤnden keinen Geſchmack daran.
Doch genug uͤber einen ungeliebten Gegenſtand.
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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/233>, abgerufen am 23.07.2024.
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