Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.Ein überaus naschhafter Apothekerlehrling war dieser Unart 12*
Ein uͤberaus naſchhafter Apothekerlehrling war dieſer Unart 12*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0193" n="179"/> <p>Ein uͤberaus naſchhafter Apothekerlehrling war dieſer Unart<lb/> wegen von ſeinem etwas groben Herrn oͤfters hart, jedoch ſtets<lb/> erfolglos gezuͤchtigt worden. Der Herr, ein Mann ohne Reli-<lb/> gion, wie die Leute ſagten, naſchte ſo gern als der Lehrling<lb/> und verzieh deßhalb dieſem um ſo weniger, weil ſein eigner<lb/> Genuß dadurch beeintraͤchtigt wurde. Wie Lehrlinge zu allerlei<lb/> Verrichtungen gebraucht werden, wegen welcher ſie keineswegs<lb/> in die Lehre geſchickt wurden, ſo hatte eines Tages der Ungluͤck-<lb/> liche, von dem ich ſpreche, den ſehr verfaͤnglichen Auftrag er-<lb/> halten, in temporaͤrer Abweſenheit der Koͤchin auf ein bra-<lb/> tendes Spanferkel Acht zu haben und daſſelbe mit Butter zu<lb/> beſtreichen. Der wonnigliche Duft dieſes leckern Gerichtes war<lb/> viel zu lockend, als daß der leicht verfuͤhrbare Juͤngling haͤtte<lb/> der Verſuchung widerſtehen koͤnnen. Einige Blaſen, die ſich<lb/> auf der lieblich braͤunlichen Haut des Spanferkels gebildet<lb/> hatten, verlockten den Ungluͤckſeeligen, ſie niederzudruͤcken. Die<lb/> Haut war aber ſchon ſo gahr gebraten, daß ſie mit krachendem<lb/> Kniſtern einbrach und ſich ſenkend loͤſete. Im Wahne, das<lb/> abgeloͤſete Fleckchen wuͤrde ſich durch laͤngeres Braten und<lb/> Butterbeſtreichen wieder braͤunen und auf dieſe Art completiren<lb/> — was man heftig wuͤnſcht, glaubt man gern — naſchte er das<lb/> Stuͤckchen Haut weg. Es ſchmeckte ihm jedoch ſo allerliebſt,<lb/> und ſowohl die reizende Kuͤrze des ſo ſpaͤrlichen Genuſſes,<lb/> als die reiche Maſſe des noch zu genießenden vorliegenden<lb/> Objektes, welches ſich ja, <hi rendition="#aq">ex hypothesi,</hi> eben ſo gut ſuppliren<lb/> konnte, brachte ihn dahin, daß er im Wonnetaumel der Ge-<lb/> ſchmacksluſt, im Wirbel ſeeliger Vergeſſenheit, faſt die ganze<lb/> gar zu ſchmackhafte Huͤlle des ihn ſo ſuͤß anlaͤchelnden Ferkels<lb/> verzehrt hatte, als die Koͤchin herbeikam, die ſchreckliche Ent-<lb/> ſtellung des zarten, nun ſchaudrig hautlos nackten, Gerichtes<lb/> mit Schreck und Grauſen gewahrte, und mit der furchtbaren<lb/> Drohung: der Herr wuͤrde ihn dieſesmal, ob des unerhoͤrten<lb/> Frevels, unfehlbar todtſchlagen, den Suͤnder aus ſeinem Taumel<lb/> <fw place="bottom" type="sig">12*</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [179/0193]
Ein uͤberaus naſchhafter Apothekerlehrling war dieſer Unart
wegen von ſeinem etwas groben Herrn oͤfters hart, jedoch ſtets
erfolglos gezuͤchtigt worden. Der Herr, ein Mann ohne Reli-
gion, wie die Leute ſagten, naſchte ſo gern als der Lehrling
und verzieh deßhalb dieſem um ſo weniger, weil ſein eigner
Genuß dadurch beeintraͤchtigt wurde. Wie Lehrlinge zu allerlei
Verrichtungen gebraucht werden, wegen welcher ſie keineswegs
in die Lehre geſchickt wurden, ſo hatte eines Tages der Ungluͤck-
liche, von dem ich ſpreche, den ſehr verfaͤnglichen Auftrag er-
halten, in temporaͤrer Abweſenheit der Koͤchin auf ein bra-
tendes Spanferkel Acht zu haben und daſſelbe mit Butter zu
beſtreichen. Der wonnigliche Duft dieſes leckern Gerichtes war
viel zu lockend, als daß der leicht verfuͤhrbare Juͤngling haͤtte
der Verſuchung widerſtehen koͤnnen. Einige Blaſen, die ſich
auf der lieblich braͤunlichen Haut des Spanferkels gebildet
hatten, verlockten den Ungluͤckſeeligen, ſie niederzudruͤcken. Die
Haut war aber ſchon ſo gahr gebraten, daß ſie mit krachendem
Kniſtern einbrach und ſich ſenkend loͤſete. Im Wahne, das
abgeloͤſete Fleckchen wuͤrde ſich durch laͤngeres Braten und
Butterbeſtreichen wieder braͤunen und auf dieſe Art completiren
— was man heftig wuͤnſcht, glaubt man gern — naſchte er das
Stuͤckchen Haut weg. Es ſchmeckte ihm jedoch ſo allerliebſt,
und ſowohl die reizende Kuͤrze des ſo ſpaͤrlichen Genuſſes,
als die reiche Maſſe des noch zu genießenden vorliegenden
Objektes, welches ſich ja, ex hypothesi, eben ſo gut ſuppliren
konnte, brachte ihn dahin, daß er im Wonnetaumel der Ge-
ſchmacksluſt, im Wirbel ſeeliger Vergeſſenheit, faſt die ganze
gar zu ſchmackhafte Huͤlle des ihn ſo ſuͤß anlaͤchelnden Ferkels
verzehrt hatte, als die Koͤchin herbeikam, die ſchreckliche Ent-
ſtellung des zarten, nun ſchaudrig hautlos nackten, Gerichtes
mit Schreck und Grauſen gewahrte, und mit der furchtbaren
Drohung: der Herr wuͤrde ihn dieſesmal, ob des unerhoͤrten
Frevels, unfehlbar todtſchlagen, den Suͤnder aus ſeinem Taumel
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