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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.

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drehe auch die Schüssel nicht herum, daß vor dir komme, was
dir gefällig ist.

So du Fleisch willt vorlegen oder Fisch, so thu es mit
dem Messer und nicht mit den Fingern, wie heutiges Tages
etliche Nationen gewohnt sind.

Schmatze nicht wie eine Sau über dem Essen. Dieweil
du issest, kratze dein Haupt nicht. Fege auch nicht an der Nase.

Du sollt auch nicht zugleich essen und reden, denn solches
ist bäuerisch.

Oft nießen, sich schnäutzen und husten stehet nicht wohl an.

Wenn du ein Ei issest, so schneide zuvor das Brod. Mache
die Brocken nicht zu groß oder lang. Sieh darauf, daß dir
nichts daneben abrinne und iß es bald. Die Eierschalen zer-
brich nicht; lege sie wieder in die Schüssel und während du am
Ei issest, trinke nicht darein.

Mache das Tischtuch oder das Wammes nicht unsauber.
Mache auch nicht um deinen Teller von Beinen, Brodrinden
und dergleichen eine Schütte herum, wie die Schanzgräber.

Wirf auch die Beine nicht unter den Tisch, damit von den
Hunden kein Scharmützel entstehe, und die Beisitzenden darob
eine Unlust empfänden. So du gegessen hast, wasche deine
Hände und das Angesicht, spüle den Mund aus, und sage
Gott für seine väterliche Wohlthat Lob und Dank."

Aus des Magister Graf höflichem Schüler mögen die,
leider so oft vergessenen Verse in Erinnerung gebracht sein:

"Wenn du dich schnäutzen willst, so mußt du nicht posaunen,
Daß andre vor dem Ton erschrecken und erstaunen.
Bei'm Gähnen sollst du gleich die Hand zum Munde bringen,
Daß nicht dein Nachbar glaubt, du wollest ihn verschlingen."

Doch findet sich noch gar manches Beherzigenswerthe bei
diesem Auktor, welches nur aus Furcht unnöthiger Breite und
nur ungerne weggelassen wird, da dieses Werk in neuerer Zeit

drehe auch die Schuͤſſel nicht herum, daß vor dir komme, was
dir gefaͤllig iſt.

So du Fleiſch willt vorlegen oder Fiſch, ſo thu es mit
dem Meſſer und nicht mit den Fingern, wie heutiges Tages
etliche Nationen gewohnt ſind.

Schmatze nicht wie eine Sau uͤber dem Eſſen. Dieweil
du iſſeſt, kratze dein Haupt nicht. Fege auch nicht an der Naſe.

Du ſollt auch nicht zugleich eſſen und reden, denn ſolches
iſt baͤueriſch.

Oft nießen, ſich ſchnaͤutzen und huſten ſtehet nicht wohl an.

Wenn du ein Ei iſſeſt, ſo ſchneide zuvor das Brod. Mache
die Brocken nicht zu groß oder lang. Sieh darauf, daß dir
nichts daneben abrinne und iß es bald. Die Eierſchalen zer-
brich nicht; lege ſie wieder in die Schuͤſſel und waͤhrend du am
Ei iſſeſt, trinke nicht darein.

Mache das Tiſchtuch oder das Wammes nicht unſauber.
Mache auch nicht um deinen Teller von Beinen, Brodrinden
und dergleichen eine Schuͤtte herum, wie die Schanzgraͤber.

Wirf auch die Beine nicht unter den Tiſch, damit von den
Hunden kein Scharmuͤtzel entſtehe, und die Beiſitzenden darob
eine Unluſt empfaͤnden. So du gegeſſen haſt, waſche deine
Haͤnde und das Angeſicht, ſpuͤle den Mund aus, und ſage
Gott fuͤr ſeine vaͤterliche Wohlthat Lob und Dank.“

Aus des Magiſter Graf hoͤflichem Schuͤler moͤgen die,
leider ſo oft vergeſſenen Verſe in Erinnerung gebracht ſein:

„Wenn du dich ſchnaͤutzen willſt, ſo mußt du nicht poſaunen,
Daß andre vor dem Ton erſchrecken und erſtaunen.
Bei’m Gaͤhnen ſollſt du gleich die Hand zum Munde bringen,
Daß nicht dein Nachbar glaubt, du wolleſt ihn verſchlingen.“

Doch findet ſich noch gar manches Beherzigenswerthe bei
dieſem Auktor, welches nur aus Furcht unnoͤthiger Breite und
nur ungerne weggelaſſen wird, da dieſes Werk in neuerer Zeit

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[175/0189] drehe auch die Schuͤſſel nicht herum, daß vor dir komme, was dir gefaͤllig iſt. So du Fleiſch willt vorlegen oder Fiſch, ſo thu es mit dem Meſſer und nicht mit den Fingern, wie heutiges Tages etliche Nationen gewohnt ſind. Schmatze nicht wie eine Sau uͤber dem Eſſen. Dieweil du iſſeſt, kratze dein Haupt nicht. Fege auch nicht an der Naſe. Du ſollt auch nicht zugleich eſſen und reden, denn ſolches iſt baͤueriſch. Oft nießen, ſich ſchnaͤutzen und huſten ſtehet nicht wohl an. Wenn du ein Ei iſſeſt, ſo ſchneide zuvor das Brod. Mache die Brocken nicht zu groß oder lang. Sieh darauf, daß dir nichts daneben abrinne und iß es bald. Die Eierſchalen zer- brich nicht; lege ſie wieder in die Schuͤſſel und waͤhrend du am Ei iſſeſt, trinke nicht darein. Mache das Tiſchtuch oder das Wammes nicht unſauber. Mache auch nicht um deinen Teller von Beinen, Brodrinden und dergleichen eine Schuͤtte herum, wie die Schanzgraͤber. Wirf auch die Beine nicht unter den Tiſch, damit von den Hunden kein Scharmuͤtzel entſtehe, und die Beiſitzenden darob eine Unluſt empfaͤnden. So du gegeſſen haſt, waſche deine Haͤnde und das Angeſicht, ſpuͤle den Mund aus, und ſage Gott fuͤr ſeine vaͤterliche Wohlthat Lob und Dank.“ Aus des Magiſter Graf hoͤflichem Schuͤler moͤgen die, leider ſo oft vergeſſenen Verſe in Erinnerung gebracht ſein: „Wenn du dich ſchnaͤutzen willſt, ſo mußt du nicht poſaunen, Daß andre vor dem Ton erſchrecken und erſtaunen. Bei’m Gaͤhnen ſollſt du gleich die Hand zum Munde bringen, Daß nicht dein Nachbar glaubt, du wolleſt ihn verſchlingen.“ Doch findet ſich noch gar manches Beherzigenswerthe bei dieſem Auktor, welches nur aus Furcht unnoͤthiger Breite und nur ungerne weggelaſſen wird, da dieſes Werk in neuerer Zeit

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Zitationshilfe: Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/189>, abgerufen am 24.11.2024.