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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.

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die Gabel rechts führen sehen. Es kann die Sache also auch
nicht an der Schwierigkeit der Sache liegen. Und in der That
ist die Hauptursache auch die Unwissenschaftlichkeit, mit welcher
man bis zur Zeit der Erscheinung dieser Vorlesungen das Essen
überhaupt betrieb.

Zobel hängt einzelnen Eßregeln die Bemerkung an, wenn
man allein oder zu Hause esse, dürfe man anders, weniger
genirt, gröber verfahren. Dem ist auf das Bestimmteste un-
beugsam zu widersprechen. Wer, sagt Goethe, bei Proben
tragischer Rollen die Hand in den Busen steckt, kommt in Ge-
fahr, bei der Aufführung eine Oeffnung im Harnisch zu suchen.
-- Wer zu Hause bei'm täglichen Essen die Gabel rechts führt,
wird sie nie links handhaben lernen. Wer sich zu Hause kei-
ner Serviette bedient, wird auch öffentlich nicht anständig da-
mit zu verfahren wissen. Wer zu Hause ein Rembrand ist,
wird schwerlich anderwärts ein Raffael sein.

Virtuosität überhaupt ist im Grunde gar nichts Anderes,
als fortgesetzte Gewohnheit; -- nämlich virtuose Gewohnheit.
Ich reiste einst mit einem Violinvirtuosen und einem Oboevir-
tuosen drei Tage und Nächte ununterbrochen auf dem Eilwagen.
Es war natürlich unmöglich, während dieser Zeit Violine zu
spielen oder Oboe zu blasen. Als wir am vierten Tage in einer
großen Stadt angekommen waren, wo sie ein großes Concert geben
wollten, fielen sie gierig über ihre Instrumente her, und jam-
merten nun zu mir: sie wären außer aller Uebung, sie könnten
nichts mehr. -- Wahrscheinlich war dieß auf widersprechendes
Lob von meiner Seite berechnet; jedenfalls übertrieben. Doch
merkte ich mir die Sache zu eignem großen Nutzen.

Ehe man nun aber der Eßinstrumente sich bedient, werfe
man mit Discretion einen vorsichtigen Blick auf dieselben. Be-
sonders kommt es manchmal vor, daß zwischen den Zacken der
Gabeln noch etwas vom Eisenhammerschlag oder von irgend einer
andern, nicht wohl genießbaren Substanz, welche zum Putzen

die Gabel rechts fuͤhren ſehen. Es kann die Sache alſo auch
nicht an der Schwierigkeit der Sache liegen. Und in der That
iſt die Haupturſache auch die Unwiſſenſchaftlichkeit, mit welcher
man bis zur Zeit der Erſcheinung dieſer Vorleſungen das Eſſen
uͤberhaupt betrieb.

Zobel haͤngt einzelnen Eßregeln die Bemerkung an, wenn
man allein oder zu Hauſe eſſe, duͤrfe man anders, weniger
genirt, groͤber verfahren. Dem iſt auf das Beſtimmteſte un-
beugſam zu widerſprechen. Wer, ſagt Goethe, bei Proben
tragiſcher Rollen die Hand in den Buſen ſteckt, kommt in Ge-
fahr, bei der Auffuͤhrung eine Oeffnung im Harniſch zu ſuchen.
— Wer zu Hauſe bei’m taͤglichen Eſſen die Gabel rechts fuͤhrt,
wird ſie nie links handhaben lernen. Wer ſich zu Hauſe kei-
ner Serviette bedient, wird auch oͤffentlich nicht anſtaͤndig da-
mit zu verfahren wiſſen. Wer zu Hauſe ein Rembrand iſt,
wird ſchwerlich anderwaͤrts ein Raffael ſein.

Virtuoſitaͤt uͤberhaupt iſt im Grunde gar nichts Anderes,
als fortgeſetzte Gewohnheit; — naͤmlich virtuoſe Gewohnheit.
Ich reiſte einſt mit einem Violinvirtuoſen und einem Oboevir-
tuoſen drei Tage und Naͤchte ununterbrochen auf dem Eilwagen.
Es war natuͤrlich unmoͤglich, waͤhrend dieſer Zeit Violine zu
ſpielen oder Oboe zu blaſen. Als wir am vierten Tage in einer
großen Stadt angekommen waren, wo ſie ein großes Concert geben
wollten, fielen ſie gierig uͤber ihre Inſtrumente her, und jam-
merten nun zu mir: ſie waͤren außer aller Uebung, ſie koͤnnten
nichts mehr. — Wahrſcheinlich war dieß auf widerſprechendes
Lob von meiner Seite berechnet; jedenfalls uͤbertrieben. Doch
merkte ich mir die Sache zu eignem großen Nutzen.

Ehe man nun aber der Eßinſtrumente ſich bedient, werfe
man mit Discretion einen vorſichtigen Blick auf dieſelben. Be-
ſonders kommt es manchmal vor, daß zwiſchen den Zacken der
Gabeln noch etwas vom Eiſenhammerſchlag oder von irgend einer
andern, nicht wohl genießbaren Subſtanz, welche zum Putzen

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[170/0184] die Gabel rechts fuͤhren ſehen. Es kann die Sache alſo auch nicht an der Schwierigkeit der Sache liegen. Und in der That iſt die Haupturſache auch die Unwiſſenſchaftlichkeit, mit welcher man bis zur Zeit der Erſcheinung dieſer Vorleſungen das Eſſen uͤberhaupt betrieb. Zobel haͤngt einzelnen Eßregeln die Bemerkung an, wenn man allein oder zu Hauſe eſſe, duͤrfe man anders, weniger genirt, groͤber verfahren. Dem iſt auf das Beſtimmteſte un- beugſam zu widerſprechen. Wer, ſagt Goethe, bei Proben tragiſcher Rollen die Hand in den Buſen ſteckt, kommt in Ge- fahr, bei der Auffuͤhrung eine Oeffnung im Harniſch zu ſuchen. — Wer zu Hauſe bei’m taͤglichen Eſſen die Gabel rechts fuͤhrt, wird ſie nie links handhaben lernen. Wer ſich zu Hauſe kei- ner Serviette bedient, wird auch oͤffentlich nicht anſtaͤndig da- mit zu verfahren wiſſen. Wer zu Hauſe ein Rembrand iſt, wird ſchwerlich anderwaͤrts ein Raffael ſein. Virtuoſitaͤt uͤberhaupt iſt im Grunde gar nichts Anderes, als fortgeſetzte Gewohnheit; — naͤmlich virtuoſe Gewohnheit. Ich reiſte einſt mit einem Violinvirtuoſen und einem Oboevir- tuoſen drei Tage und Naͤchte ununterbrochen auf dem Eilwagen. Es war natuͤrlich unmoͤglich, waͤhrend dieſer Zeit Violine zu ſpielen oder Oboe zu blaſen. Als wir am vierten Tage in einer großen Stadt angekommen waren, wo ſie ein großes Concert geben wollten, fielen ſie gierig uͤber ihre Inſtrumente her, und jam- merten nun zu mir: ſie waͤren außer aller Uebung, ſie koͤnnten nichts mehr. — Wahrſcheinlich war dieß auf widerſprechendes Lob von meiner Seite berechnet; jedenfalls uͤbertrieben. Doch merkte ich mir die Sache zu eignem großen Nutzen. Ehe man nun aber der Eßinſtrumente ſich bedient, werfe man mit Discretion einen vorſichtigen Blick auf dieſelben. Be- ſonders kommt es manchmal vor, daß zwiſchen den Zacken der Gabeln noch etwas vom Eiſenhammerſchlag oder von irgend einer andern, nicht wohl genießbaren Subſtanz, welche zum Putzen

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Zitationshilfe: Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/184>, abgerufen am 24.11.2024.