verschluckten Bissen, die Gabel immer auf's Neue von der rech- ten Hand zur linken und von der linken Hand zur rechten, und das Messer wird stets von Neuem ergriffen und weggelegt.
Es ist kaum zu begreifen, wie eine so unbeholfene und täp- pische, plumbe und schwerfällige Manier, wodurch selbst die zar- testen, feinsten, küssenswerthesten Damenhändchen hufschmied- artig grob erscheinen, nicht längst aufgegeben wurde, da doch die Englische Encheirese, die Gabel stets und fortwährend mit der linken Hand zu führen, als so nachahmungswürdiges Bei- spiel nahe liegt. Aber das Ungeschickte wird immer eher nach- geahmt, als das Gescheidte. Kommt ein vernünftiger Eßkünstler nun mit solchen rechts die Gabel führenden Menschenkindern zusammen, und führt dieselbe, wie es gescheidt, zweckmäßig und schön ist, mit der linken Hand, so stößt er immer an den linken Nachbar an, der die Gabel rechts führt, und nun statt seinen eigenen Fehler einzusehen, im Gegentheil den richtig Essenden für unrichtig, links und unbequem hält. Dergleichen ist nun wahrhaft bedauerlich, und allgemeine Aenderung und Besserung sehr zu wünschen. Möchten diese Vorlesungen etwas dazu bei- zutragen im Stande sein! Und wenn sie auch sonst nichts leiste- ten, als nur dieses Einzige, so hätten sie wahrlich mehr gethan, als hundert andere, die gar nichts wirken.
Hier könnte Erziehung viel thun. Wie kann man aber er- warten, daß ein Vater, ein Hofmeister oder sonstiger Mann, mit Ernst und Erfolg, Führung der Gabel mit der linken Hand einschärfen wird, der sie selber nur mit der rechten zu handha- ben weiß? Die Besserung muß von den Erziehern selbst aus- gehen, bei ihnen selbst anfangen.
"Man könnte erzogne Kinder gebären, Wenn die Eltern erzogen wären."
Handelte es sich um Ausrottung von Vorurtheilen, so wollte ich schweigen, weil alle Vorlesungen der Welt hier nichts
verſchluckten Biſſen, die Gabel immer auf’s Neue von der rech- ten Hand zur linken und von der linken Hand zur rechten, und das Meſſer wird ſtets von Neuem ergriffen und weggelegt.
Es iſt kaum zu begreifen, wie eine ſo unbeholfene und taͤp- piſche, plumbe und ſchwerfaͤllige Manier, wodurch ſelbſt die zar- teſten, feinſten, kuͤſſenswertheſten Damenhaͤndchen hufſchmied- artig grob erſcheinen, nicht laͤngſt aufgegeben wurde, da doch die Engliſche Encheireſe, die Gabel ſtets und fortwaͤhrend mit der linken Hand zu fuͤhren, als ſo nachahmungswuͤrdiges Bei- ſpiel nahe liegt. Aber das Ungeſchickte wird immer eher nach- geahmt, als das Geſcheidte. Kommt ein vernuͤnftiger Eßkuͤnſtler nun mit ſolchen rechts die Gabel fuͤhrenden Menſchenkindern zuſammen, und fuͤhrt dieſelbe, wie es geſcheidt, zweckmaͤßig und ſchoͤn iſt, mit der linken Hand, ſo ſtoͤßt er immer an den linken Nachbar an, der die Gabel rechts fuͤhrt, und nun ſtatt ſeinen eigenen Fehler einzuſehen, im Gegentheil den richtig Eſſenden fuͤr unrichtig, links und unbequem haͤlt. Dergleichen iſt nun wahrhaft bedauerlich, und allgemeine Aenderung und Beſſerung ſehr zu wuͤnſchen. Moͤchten dieſe Vorleſungen etwas dazu bei- zutragen im Stande ſein! Und wenn ſie auch ſonſt nichts leiſte- ten, als nur dieſes Einzige, ſo haͤtten ſie wahrlich mehr gethan, als hundert andere, die gar nichts wirken.
Hier koͤnnte Erziehung viel thun. Wie kann man aber er- warten, daß ein Vater, ein Hofmeiſter oder ſonſtiger Mann, mit Ernſt und Erfolg, Fuͤhrung der Gabel mit der linken Hand einſchaͤrfen wird, der ſie ſelber nur mit der rechten zu handha- ben weiß? Die Beſſerung muß von den Erziehern ſelbſt aus- gehen, bei ihnen ſelbſt anfangen.
„Man koͤnnte erzogne Kinder gebaͤren, Wenn die Eltern erzogen waͤren.“
Handelte es ſich um Ausrottung von Vorurtheilen, ſo wollte ich ſchweigen, weil alle Vorleſungen der Welt hier nichts
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verſchluckten Biſſen, die Gabel immer auf’s Neue von der rech-
ten Hand zur linken und von der linken Hand zur rechten, und
das Meſſer wird ſtets von Neuem ergriffen und weggelegt.
Es iſt kaum zu begreifen, wie eine ſo unbeholfene und taͤp-
piſche, plumbe und ſchwerfaͤllige Manier, wodurch ſelbſt die zar-
teſten, feinſten, kuͤſſenswertheſten Damenhaͤndchen hufſchmied-
artig grob erſcheinen, nicht laͤngſt aufgegeben wurde, da doch
die Engliſche Encheireſe, die Gabel ſtets und fortwaͤhrend mit
der linken Hand zu fuͤhren, als ſo nachahmungswuͤrdiges Bei-
ſpiel nahe liegt. Aber das Ungeſchickte wird immer eher nach-
geahmt, als das Geſcheidte. Kommt ein vernuͤnftiger Eßkuͤnſtler
nun mit ſolchen rechts die Gabel fuͤhrenden Menſchenkindern
zuſammen, und fuͤhrt dieſelbe, wie es geſcheidt, zweckmaͤßig und
ſchoͤn iſt, mit der linken Hand, ſo ſtoͤßt er immer an den linken
Nachbar an, der die Gabel rechts fuͤhrt, und nun ſtatt ſeinen
eigenen Fehler einzuſehen, im Gegentheil den richtig Eſſenden
fuͤr unrichtig, links und unbequem haͤlt. Dergleichen iſt nun
wahrhaft bedauerlich, und allgemeine Aenderung und Beſſerung
ſehr zu wuͤnſchen. Moͤchten dieſe Vorleſungen etwas dazu bei-
zutragen im Stande ſein! Und wenn ſie auch ſonſt nichts leiſte-
ten, als nur dieſes Einzige, ſo haͤtten ſie wahrlich mehr gethan,
als hundert andere, die gar nichts wirken.
Hier koͤnnte Erziehung viel thun. Wie kann man aber er-
warten, daß ein Vater, ein Hofmeiſter oder ſonſtiger Mann,
mit Ernſt und Erfolg, Fuͤhrung der Gabel mit der linken Hand
einſchaͤrfen wird, der ſie ſelber nur mit der rechten zu handha-
ben weiß? Die Beſſerung muß von den Erziehern ſelbſt aus-
gehen, bei ihnen ſelbſt anfangen.
„Man koͤnnte erzogne Kinder gebaͤren,
Wenn die Eltern erzogen waͤren.“
Handelte es ſich um Ausrottung von Vorurtheilen, ſo
wollte ich ſchweigen, weil alle Vorleſungen der Welt hier nichts
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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/182>, abgerufen am 23.07.2024.
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