Beides erklärt sich Beider Unvereinbarkeit. Schinken aber und Radieschen passen sehr wohl. -- Warum harmoniren denn Trüffeln und Gänseleber so schön? -- Um wie viel die Leber hinter dem eigentlichen Fleisch zurückbleibt, um so viel geht die Trüffel über das gewöhnlich Vegetabilische hinaus, und gerade dadurch ergänzt und mischt sich Beides so entsprechend.
Wer wird nicht mit Indignation in Frankreich bemerken und blos der Französischen Oberflächlichkeit verzeihen, daß Gar- tensalat ein Gericht für sich bildet? Mit Zusatz von hartge- sottenen aufgeschnittenen Eiern könnte er eher dafür gelten, und dieses Tricolor von Weiß, Gelb und Grün hat auch was augen- fällig Liebliches. -- Andere ziehen den ebenfalls richtigen Gegensatz von kleingewürfeltem gerösteten Speck zu Gartensalat vor. -- Wie sehr aber gewinnt das Ganze, wenn z. B. eine wahlverwandte Kalbsbrust dazu kommt! -- Eine mit Rosinen und Milchbrod gefüllte Kalbsbrust dagegen hat zu weibischen Charakter. So wird auch in Deutschland Spargel für sich gegeben. Man sucht zwar durch Eiersauce, Krebsbutter etc. den geforderten animalischen Gegensatz einigermaßen zu er- gänzen. Wie kräftiger und großartiger aber macht sich z. B. ein gebratner Truthahn und Spargelsalat! Ein zweiter Salat von Neunaugen dazu steigert das Animalische, wie ich öfter das Vergnügen hatte, mich zu überzeugen, auf die anmuthigste Weise.
Nehmen wir gedämpfte junge Bohnen. Warmer Schinken bildet einen allerliebsten Gegensatz. Will man das Vegetabi- lische steigern, so schicken sich zugegebene Champignons vortrefflich dazu. Aehnlich ist's mit Kohl und Kalbscotelettes, welches Gericht durch aufgelegte gebratne Kastanien sehr angenehm und ergiebig noch mehr vegetabilisch verstärkt wird. So paßt auch zu einem einfachen gebratnen Kapaun ein zusammengesetzter Salat von Endivien, Sellerie, Kresse etc., -- und Rapunzeln mit Kartoffelsalat stellen sich freundlich einem gebacknen Karpfen gegenüber.
Beides erklaͤrt ſich Beider Unvereinbarkeit. Schinken aber und Radieschen paſſen ſehr wohl. — Warum harmoniren denn Truͤffeln und Gaͤnſeleber ſo ſchoͤn? — Um wie viel die Leber hinter dem eigentlichen Fleiſch zuruͤckbleibt, um ſo viel geht die Truͤffel uͤber das gewoͤhnlich Vegetabiliſche hinaus, und gerade dadurch ergaͤnzt und miſcht ſich Beides ſo entſprechend.
Wer wird nicht mit Indignation in Frankreich bemerken und blos der Franzoͤſiſchen Oberflaͤchlichkeit verzeihen, daß Gar- tenſalat ein Gericht fuͤr ſich bildet? Mit Zuſatz von hartge- ſottenen aufgeſchnittenen Eiern koͤnnte er eher dafuͤr gelten, und dieſes Tricolor von Weiß, Gelb und Gruͤn hat auch was augen- faͤllig Liebliches. — Andere ziehen den ebenfalls richtigen Gegenſatz von kleingewuͤrfeltem geroͤſteten Speck zu Gartenſalat vor. — Wie ſehr aber gewinnt das Ganze, wenn z. B. eine wahlverwandte Kalbsbruſt dazu kommt! — Eine mit Roſinen und Milchbrod gefuͤllte Kalbsbruſt dagegen hat zu weibiſchen Charakter. So wird auch in Deutſchland Spargel fuͤr ſich gegeben. Man ſucht zwar durch Eierſauce, Krebsbutter ꝛc. den geforderten animaliſchen Gegenſatz einigermaßen zu er- gaͤnzen. Wie kraͤftiger und großartiger aber macht ſich z. B. ein gebratner Truthahn und Spargelſalat! Ein zweiter Salat von Neunaugen dazu ſteigert das Animaliſche, wie ich oͤfter das Vergnuͤgen hatte, mich zu uͤberzeugen, auf die anmuthigſte Weiſe.
Nehmen wir gedaͤmpfte junge Bohnen. Warmer Schinken bildet einen allerliebſten Gegenſatz. Will man das Vegetabi- liſche ſteigern, ſo ſchicken ſich zugegebene Champignons vortrefflich dazu. Aehnlich iſt’s mit Kohl und Kalbscotelettes, welches Gericht durch aufgelegte gebratne Kaſtanien ſehr angenehm und ergiebig noch mehr vegetabiliſch verſtaͤrkt wird. So paßt auch zu einem einfachen gebratnen Kapaun ein zuſammengeſetzter Salat von Endivien, Sellerie, Kreſſe ꝛc., — und Rapunzeln mit Kartoffelſalat ſtellen ſich freundlich einem gebacknen Karpfen gegenuͤber.
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Beides erklaͤrt ſich Beider Unvereinbarkeit. Schinken aber
und Radieschen paſſen ſehr wohl. — Warum harmoniren denn
Truͤffeln und Gaͤnſeleber ſo ſchoͤn? — Um wie viel die Leber
hinter dem eigentlichen Fleiſch zuruͤckbleibt, um ſo viel geht die
Truͤffel uͤber das gewoͤhnlich Vegetabiliſche hinaus, und gerade
dadurch ergaͤnzt und miſcht ſich Beides ſo entſprechend.
Wer wird nicht mit Indignation in Frankreich bemerken
und blos der Franzoͤſiſchen Oberflaͤchlichkeit verzeihen, daß Gar-
tenſalat ein Gericht fuͤr ſich bildet? Mit Zuſatz von hartge-
ſottenen aufgeſchnittenen Eiern koͤnnte er eher dafuͤr gelten, und
dieſes Tricolor von Weiß, Gelb und Gruͤn hat auch was augen-
faͤllig Liebliches. — Andere ziehen den ebenfalls richtigen
Gegenſatz von kleingewuͤrfeltem geroͤſteten Speck zu Gartenſalat
vor. — Wie ſehr aber gewinnt das Ganze, wenn z. B. eine
wahlverwandte Kalbsbruſt dazu kommt! — Eine mit Roſinen
und Milchbrod gefuͤllte Kalbsbruſt dagegen hat zu weibiſchen
Charakter. So wird auch in Deutſchland Spargel fuͤr ſich
gegeben. Man ſucht zwar durch Eierſauce, Krebsbutter ꝛc.
den geforderten animaliſchen Gegenſatz einigermaßen zu er-
gaͤnzen. Wie kraͤftiger und großartiger aber macht ſich z. B. ein
gebratner Truthahn und Spargelſalat! Ein zweiter Salat
von Neunaugen dazu ſteigert das Animaliſche, wie ich oͤfter das
Vergnuͤgen hatte, mich zu uͤberzeugen, auf die anmuthigſte Weiſe.
Nehmen wir gedaͤmpfte junge Bohnen. Warmer Schinken
bildet einen allerliebſten Gegenſatz. Will man das Vegetabi-
liſche ſteigern, ſo ſchicken ſich zugegebene Champignons vortrefflich
dazu. Aehnlich iſt’s mit Kohl und Kalbscotelettes, welches
Gericht durch aufgelegte gebratne Kaſtanien ſehr angenehm und
ergiebig noch mehr vegetabiliſch verſtaͤrkt wird. So paßt auch
zu einem einfachen gebratnen Kapaun ein zuſammengeſetzter
Salat von Endivien, Sellerie, Kreſſe ꝛc., — und Rapunzeln
mit Kartoffelſalat ſtellen ſich freundlich einem gebacknen Karpfen
gegenuͤber.
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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/173>, abgerufen am 23.07.2024.
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