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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.

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Seit durch Aristoteles die Sokratische Beschränkung so
glücklich ergänzt ist, neben den moralischen Beziehungen auch
andere geltend gemacht wurden, und man das Selbstbewußt-
sein mit dem Weltbewußtsein zu einigen bestrebt war, hätte sich
die wissenschaftliche Forschung auch mehr der Außenwelt, in so
fern sie eßbar ist, im Begriffe zu bemächtigen streben sollen.
Dieß wurde jedoch, wie z. B. von Galen und der Salernita-
nischen Schule, nur vereinzelt und empirisch versucht. Auch
Aristoteles rügte schon z. B. den Unsinn, Milch und Fische
zugleich zu genießen.

Umfassender suchte eine neuere Eubiotik die Sache aufzu-
greifen, deren Verfasser sagt: Dasjenige in der großen Außen-
welt ist je für dasjenige Individuum das Beste, was das we-
sentlich Gleiche von etwas in der kleinen menschlichen Innen-
welt ist, aber in dieser eben jetzt in geringerem Maaße vorhan-
den ist, als es sein sollte. Und das ist das Schlimmste, was
einem bestimmten Individuum dasjenige vermehrt, was er schon
in hinlänglicher oder gar schon in größerem Maaße besitzt, als
er sollte.

Derselbe Verfasser sagt ferner: "Uns im gegenwärtigen Zeit-
alter bekommt Fleisch am besten, weil wir im Allgemeinen (?)
zum Theil (?) noch mehr (?) im Jünglingsalter (?) der Mensch-
heit (?) uns befinden (?), das sich physisch durch überwiegende
Irritabilität naturgemäß aussprechen soll, und daher auch von
Natur in beträchtlicherm Grade auf Fleischgenuß angewie-
sen ist."

Diese beiden Aussprüche widersprechen sich jedoch einiger-
maßen. Denn dem Jünglingsalter, das sich durch überwie-
gende Irritabilität ausspricht, kann ja, eben nach dem aufge-
stellten Prinzip, unmöglich das aus der großen Außenwelt das
Beste sein, was es selber schon am meisten hat. Nimmt man
aber diese Sätze nicht genau, so enthalten sie immer sehr viel
Wahres, obschon die Fragen übrig bleiben: wie erkennt man

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Seit durch Ariſtoteles die Sokratiſche Beſchraͤnkung ſo
gluͤcklich ergaͤnzt iſt, neben den moraliſchen Beziehungen auch
andere geltend gemacht wurden, und man das Selbſtbewußt-
ſein mit dem Weltbewußtſein zu einigen beſtrebt war, haͤtte ſich
die wiſſenſchaftliche Forſchung auch mehr der Außenwelt, in ſo
fern ſie eßbar iſt, im Begriffe zu bemaͤchtigen ſtreben ſollen.
Dieß wurde jedoch, wie z. B. von Galen und der Salernita-
niſchen Schule, nur vereinzelt und empiriſch verſucht. Auch
Ariſtoteles ruͤgte ſchon z. B. den Unſinn, Milch und Fiſche
zugleich zu genießen.

Umfaſſender ſuchte eine neuere Eubiotik die Sache aufzu-
greifen, deren Verfaſſer ſagt: Dasjenige in der großen Außen-
welt iſt je fuͤr dasjenige Individuum das Beſte, was das we-
ſentlich Gleiche von etwas in der kleinen menſchlichen Innen-
welt iſt, aber in dieſer eben jetzt in geringerem Maaße vorhan-
den iſt, als es ſein ſollte. Und das iſt das Schlimmſte, was
einem beſtimmten Individuum dasjenige vermehrt, was er ſchon
in hinlaͤnglicher oder gar ſchon in groͤßerem Maaße beſitzt, als
er ſollte.

Derſelbe Verfaſſer ſagt ferner: „Uns im gegenwaͤrtigen Zeit-
alter bekommt Fleiſch am beſten, weil wir im Allgemeinen (?)
zum Theil (?) noch mehr (?) im Juͤnglingsalter (?) der Menſch-
heit (?) uns befinden (?), das ſich phyſiſch durch uͤberwiegende
Irritabilitaͤt naturgemaͤß ausſprechen ſoll, und daher auch von
Natur in betraͤchtlicherm Grade auf Fleiſchgenuß angewie-
ſen iſt.“

Dieſe beiden Ausſpruͤche widerſprechen ſich jedoch einiger-
maßen. Denn dem Juͤnglingsalter, das ſich durch uͤberwie-
gende Irritabilitaͤt ausſpricht, kann ja, eben nach dem aufge-
ſtellten Prinzip, unmoͤglich das aus der großen Außenwelt das
Beſte ſein, was es ſelber ſchon am meiſten hat. Nimmt man
aber dieſe Saͤtze nicht genau, ſo enthalten ſie immer ſehr viel
Wahres, obſchon die Fragen uͤbrig bleiben: wie erkennt man

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[145/0159] Seit durch Ariſtoteles die Sokratiſche Beſchraͤnkung ſo gluͤcklich ergaͤnzt iſt, neben den moraliſchen Beziehungen auch andere geltend gemacht wurden, und man das Selbſtbewußt- ſein mit dem Weltbewußtſein zu einigen beſtrebt war, haͤtte ſich die wiſſenſchaftliche Forſchung auch mehr der Außenwelt, in ſo fern ſie eßbar iſt, im Begriffe zu bemaͤchtigen ſtreben ſollen. Dieß wurde jedoch, wie z. B. von Galen und der Salernita- niſchen Schule, nur vereinzelt und empiriſch verſucht. Auch Ariſtoteles ruͤgte ſchon z. B. den Unſinn, Milch und Fiſche zugleich zu genießen. Umfaſſender ſuchte eine neuere Eubiotik die Sache aufzu- greifen, deren Verfaſſer ſagt: Dasjenige in der großen Außen- welt iſt je fuͤr dasjenige Individuum das Beſte, was das we- ſentlich Gleiche von etwas in der kleinen menſchlichen Innen- welt iſt, aber in dieſer eben jetzt in geringerem Maaße vorhan- den iſt, als es ſein ſollte. Und das iſt das Schlimmſte, was einem beſtimmten Individuum dasjenige vermehrt, was er ſchon in hinlaͤnglicher oder gar ſchon in groͤßerem Maaße beſitzt, als er ſollte. Derſelbe Verfaſſer ſagt ferner: „Uns im gegenwaͤrtigen Zeit- alter bekommt Fleiſch am beſten, weil wir im Allgemeinen (?) zum Theil (?) noch mehr (?) im Juͤnglingsalter (?) der Menſch- heit (?) uns befinden (?), das ſich phyſiſch durch uͤberwiegende Irritabilitaͤt naturgemaͤß ausſprechen ſoll, und daher auch von Natur in betraͤchtlicherm Grade auf Fleiſchgenuß angewie- ſen iſt.“ Dieſe beiden Ausſpruͤche widerſprechen ſich jedoch einiger- maßen. Denn dem Juͤnglingsalter, das ſich durch uͤberwie- gende Irritabilitaͤt ausſpricht, kann ja, eben nach dem aufge- ſtellten Prinzip, unmoͤglich das aus der großen Außenwelt das Beſte ſein, was es ſelber ſchon am meiſten hat. Nimmt man aber dieſe Saͤtze nicht genau, ſo enthalten ſie immer ſehr viel Wahres, obſchon die Fragen uͤbrig bleiben: wie erkennt man 10

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Zitationshilfe: Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/159>, abgerufen am 27.11.2024.