Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.Endlich stand er auf, um fortzugehn. Aber jetzt "Wissen Sie übrigens, daß ich kürzlich Ihre Doppel¬ "Ach!" machte Fenia frappiert, und fragte nach "Wann denn?" "Gestern abend. Nicht sehr weit vom Kloster, wo Sie erhob sich von ihrem Stuhl und las mit ge¬ Sie sah blaß und in sich gekehrt aus. Sehr lieb Ihm that es weh, er verwünschte sich und blickte Da reichte Fenia ihm zum Abschied die Hand. "Nun, -- und wenn sie mir auch von vorn geglichen Er hielt ihre etwas kalte, etwas nervös zuckende Endlich ſtand er auf, um fortzugehn. Aber jetzt „Wiſſen Sie übrigens, daß ich kürzlich Ihre Doppel¬ „Ach!“ machte Fenia frappiert, und fragte nach „Wann denn?“ „Geſtern abend. Nicht ſehr weit vom Kloſter, wo Sie erhob ſich von ihrem Stuhl und las mit ge¬ Sie ſah blaß und in ſich gekehrt aus. Sehr lieb Ihm that es weh, er verwünſchte ſich und blickte Da reichte Fenia ihm zum Abſchied die Hand. „Nun, — und wenn ſie mir auch von vorn geglichen Er hielt ihre etwas kalte, etwas nervös zuckende <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0062" n="58"/> <fw type="pageNum" place="top">— 58 —<lb/></fw> <p>Endlich ſtand er auf, um fortzugehn. Aber jetzt<lb/> konnte er ſich doch nicht enthalten, zu bemerken:</p><lb/> <p>„Wiſſen Sie übrigens, daß ich kürzlich Ihre Doppel¬<lb/> gängerin ebenfalls zu ſehen geglaubt habe?“</p><lb/> <p>„Ach!“ machte Fenia frappiert, und fragte nach<lb/> kurzem Schweigen:</p><lb/> <p>„Wann denn?“</p><lb/> <p>„Geſtern abend. Nicht ſehr weit vom Kloſter, wo<lb/> wir uns neulich trafen. Sie ſtieg mit einem Herrn in<lb/> einen Schlitten und ſauſte mit klingelnden Schellen davon.<lb/> — — — Ich habe ſie übrigens nur von hinten ge¬<lb/> ſehen,“ fügte er ſchnell hinzu, denn plötzlich zweifelte er<lb/> durchaus nicht länger, und ſchämte ſich ſeiner unritter¬<lb/> lichen Aufwallung. „Alſo vielleicht ſieht ſie Ihnen auch<lb/> nur von hinten ähnlich, Fenitſchka.“</p><lb/> <p>Sie erhob ſich von ihrem Stuhl und las mit ge¬<lb/> ſenkten Augen von ihrem Rock die Fäſerchen und Fädchen<lb/> ab, die beim Nähen daran hängen geblieben waren.</p><lb/> <p>Sie ſah blaß und in ſich gekehrt aus. Sehr lieb<lb/> ſah ſie aus.</p><lb/> <p>Ihm that es weh, er verwünſchte ſich und blickte<lb/> mit Anſtrengung fort.</p><lb/> <p>Da reichte Fenia ihm zum Abſchied die Hand.</p><lb/> <p>„Nun, — und wenn ſie mir auch von vorn geglichen<lb/> hätte, — Ihnen das Geſicht zugekehrt hätte, — <hi rendition="#g">mein</hi><lb/> Geſicht, — was hätten Sie ſich dann gedacht?“ fragte<lb/> ſie und ſah ihn dabei an.</p><lb/> <p>Er hielt ihre etwas kalte, etwas nervös zuckende<lb/> Hand in der ſeinen, beugte ſich darüber und drückte zwei<lb/> Küſſe darauf.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [58/0062]
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Endlich ſtand er auf, um fortzugehn. Aber jetzt
konnte er ſich doch nicht enthalten, zu bemerken:
„Wiſſen Sie übrigens, daß ich kürzlich Ihre Doppel¬
gängerin ebenfalls zu ſehen geglaubt habe?“
„Ach!“ machte Fenia frappiert, und fragte nach
kurzem Schweigen:
„Wann denn?“
„Geſtern abend. Nicht ſehr weit vom Kloſter, wo
wir uns neulich trafen. Sie ſtieg mit einem Herrn in
einen Schlitten und ſauſte mit klingelnden Schellen davon.
— — — Ich habe ſie übrigens nur von hinten ge¬
ſehen,“ fügte er ſchnell hinzu, denn plötzlich zweifelte er
durchaus nicht länger, und ſchämte ſich ſeiner unritter¬
lichen Aufwallung. „Alſo vielleicht ſieht ſie Ihnen auch
nur von hinten ähnlich, Fenitſchka.“
Sie erhob ſich von ihrem Stuhl und las mit ge¬
ſenkten Augen von ihrem Rock die Fäſerchen und Fädchen
ab, die beim Nähen daran hängen geblieben waren.
Sie ſah blaß und in ſich gekehrt aus. Sehr lieb
ſah ſie aus.
Ihm that es weh, er verwünſchte ſich und blickte
mit Anſtrengung fort.
Da reichte Fenia ihm zum Abſchied die Hand.
„Nun, — und wenn ſie mir auch von vorn geglichen
hätte, — Ihnen das Geſicht zugekehrt hätte, — mein
Geſicht, — was hätten Sie ſich dann gedacht?“ fragte
ſie und ſah ihn dabei an.
Er hielt ihre etwas kalte, etwas nervös zuckende
Hand in der ſeinen, beugte ſich darüber und drückte zwei
Küſſe darauf.
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