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Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.

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Mit etwas erhobenen Händen faßte sie in die schweren
dunkelroten Damastvorhänge, die geschlossen vor dem
Fenster herabhingen, und schob sie ein wenig auseinander,
um hinaussehen zu können.

Max Werner fiel ihre eigentümlich schöne Rücken¬
linie in dieser Haltung mit gehobenen Armen und vor¬
geneigtem Kopfe auf, und seine Blicke blieben darauf
ruhen. Noch immer hatte sie die Vorliebe für dunkle,
schlichtfallende Kleider, und noch immer trug sie ihr Haar
in zwei lichtbraunen Flechten kranzförmig um den Kopf
geschlungen.

Irgend etwas trieb ihn, sich ihre ein wenig ge¬
zwungene Haltung gelöst zu denken, passiv geworden, --
er meinte vor sich zu sehen, wie ihre Hände den Vor¬
hang zusammenfassen und vor das Gesicht ziehen, -- wie
der Kopf sich tiefer und tiefer herabneigt in die schweren
tiefrotschimmernden Falten, -- wie der Rücken gebeugt
ist, -- die Schultern weiche, gleitende Linien bekommen,
-- bis die ganze Gestalt in sich gesunken dasteht und,
das Antlitz im Vorhang geborgen, weint. --

Es war wie eine Zwangsvorstellung, aber nicht
durch seelische Eindrücke oder Mutmaßungen hervorgerufen,
sondern wie ein malerischer Zwang, der in den Linien
lag, die durchaus in dieser Weise zusammenfließen woll¬
ten, -- hartnäckig, alle Wirklichkeit fälschend.

Aber dafür ging von dem Illusionsbilde eine fast
seelische Wirkung aus, -- etwas von dem widerspruchsvollen
Zauber, den Fenia ursprünglich für ihn besessen hatte. --

Er fuhr sich über die Augen, die zu schmerzen an¬
fingen, -- nervös geworden.

Mit etwas erhobenen Händen faßte ſie in die ſchweren
dunkelroten Damaſtvorhänge, die geſchloſſen vor dem
Fenſter herabhingen, und ſchob ſie ein wenig auseinander,
um hinausſehen zu können.

Max Werner fiel ihre eigentümlich ſchöne Rücken¬
linie in dieſer Haltung mit gehobenen Armen und vor¬
geneigtem Kopfe auf, und ſeine Blicke blieben darauf
ruhen. Noch immer hatte ſie die Vorliebe für dunkle,
ſchlichtfallende Kleider, und noch immer trug ſie ihr Haar
in zwei lichtbraunen Flechten kranzförmig um den Kopf
geſchlungen.

Irgend etwas trieb ihn, ſich ihre ein wenig ge¬
zwungene Haltung gelöſt zu denken, paſſiv geworden, —
er meinte vor ſich zu ſehen, wie ihre Hände den Vor¬
hang zuſammenfaſſen und vor das Geſicht ziehen, — wie
der Kopf ſich tiefer und tiefer herabneigt in die ſchweren
tiefrotſchimmernden Falten, — wie der Rücken gebeugt
iſt, — die Schultern weiche, gleitende Linien bekommen,
— bis die ganze Geſtalt in ſich geſunken daſteht und,
das Antlitz im Vorhang geborgen, weint. —

Es war wie eine Zwangsvorſtellung, aber nicht
durch ſeeliſche Eindrücke oder Mutmaßungen hervorgerufen,
ſondern wie ein maleriſcher Zwang, der in den Linien
lag, die durchaus in dieſer Weiſe zuſammenfließen woll¬
ten, — hartnäckig, alle Wirklichkeit fälſchend.

Aber dafür ging von dem Illuſionsbilde eine faſt
ſeeliſche Wirkung aus, — etwas von dem widerſpruchsvollen
Zauber, den Fenia urſprünglich für ihn beſeſſen hatte. —

Er fuhr ſich über die Augen, die zu ſchmerzen an¬
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[48/0052] — 48 — Mit etwas erhobenen Händen faßte ſie in die ſchweren dunkelroten Damaſtvorhänge, die geſchloſſen vor dem Fenſter herabhingen, und ſchob ſie ein wenig auseinander, um hinausſehen zu können. Max Werner fiel ihre eigentümlich ſchöne Rücken¬ linie in dieſer Haltung mit gehobenen Armen und vor¬ geneigtem Kopfe auf, und ſeine Blicke blieben darauf ruhen. Noch immer hatte ſie die Vorliebe für dunkle, ſchlichtfallende Kleider, und noch immer trug ſie ihr Haar in zwei lichtbraunen Flechten kranzförmig um den Kopf geſchlungen. Irgend etwas trieb ihn, ſich ihre ein wenig ge¬ zwungene Haltung gelöſt zu denken, paſſiv geworden, — er meinte vor ſich zu ſehen, wie ihre Hände den Vor¬ hang zuſammenfaſſen und vor das Geſicht ziehen, — wie der Kopf ſich tiefer und tiefer herabneigt in die ſchweren tiefrotſchimmernden Falten, — wie der Rücken gebeugt iſt, — die Schultern weiche, gleitende Linien bekommen, — bis die ganze Geſtalt in ſich geſunken daſteht und, das Antlitz im Vorhang geborgen, weint. — Es war wie eine Zwangsvorſtellung, aber nicht durch ſeeliſche Eindrücke oder Mutmaßungen hervorgerufen, ſondern wie ein maleriſcher Zwang, der in den Linien lag, die durchaus in dieſer Weiſe zuſammenfließen woll¬ ten, — hartnäckig, alle Wirklichkeit fälſchend. Aber dafür ging von dem Illuſionsbilde eine faſt ſeeliſche Wirkung aus, — etwas von dem widerſpruchsvollen Zauber, den Fenia urſprünglich für ihn beſeſſen hatte. — Er fuhr ſich über die Augen, die zu ſchmerzen an¬ fingen, — nervös geworden.

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Zitationshilfe: Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/52>, abgerufen am 27.11.2024.