Ranges und Schnapskeller mit grellen Plakaten über der Thür. Immer weniger herrschaftliche Schlitten sau¬ sen über den festgestampften bläulichen Schnee, immer volkstümlicher werden die Trachten der vorübergehenden Menschen, -- bis endlich von ferne, im blitzenden Schein, den die Wintersonne den goldenen Kuppeln entlockt, -- das Alexander-Newskijkloster herüberschimmert.
Schon eine ganze Strecke vor dem Kloster wird die Straße beinahe dörflich und erhält einen sozusagen geist¬ lichen Anstrich. Weißbeworfene Gebäude mit goldenen Kreuzen oder goldener Strahlenform über dem Thor, Wohlthätigkeitsanstalten, Kapellchen, fromme Asyle er¬ heben sich zwischen den kleinen, niedrigen, demütigen Wohnhäusern, die auch nur noch weiße Kleidchen an¬ zulegen wagen. Und darüber ragt die gewaltige wei߬ goldene Himmelsstadt mit ihren Klostermauern, Kuppeln und Kirchen gegen den blaßblauen Winterhimmel empor, -- umhaucht vom Weihrauch, der aus ihren Heilig¬ tümern dringt, umstanden von geweihten Buden, wo Betperlen, Räucherkerzen und Kränze verkauft werden, umklungen von Glocken und Chorälen, -- das Ganze eine unbeschreibliche Symphonie von Weiß und Gold in¬ mitten dieser weißen Schneelandschaft unter den letzten goldenen Sonnenstrahlen.
Und dahinter der weite, weite Klostergarten im tiefen Winterfrieden.
Max Werner wollte grade in den Garten eintreten, als er zu seiner Ueberraschung Fenia darin erblickte; sie stand dicht am Eingang, an das goldblitzende Staket ge¬ lehnt, und wendete ihm den Rücken zu.
Ranges und Schnapskeller mit grellen Plakaten über der Thür. Immer weniger herrſchaftliche Schlitten ſau¬ ſen über den feſtgeſtampften bläulichen Schnee, immer volkstümlicher werden die Trachten der vorübergehenden Menſchen, — bis endlich von ferne, im blitzenden Schein, den die Winterſonne den goldenen Kuppeln entlockt, — das Alexander-Newskijkloſter herüberſchimmert.
Schon eine ganze Strecke vor dem Kloſter wird die Straße beinahe dörflich und erhält einen ſozuſagen geiſt¬ lichen Anſtrich. Weißbeworfene Gebäude mit goldenen Kreuzen oder goldener Strahlenform über dem Thor, Wohlthätigkeitsanſtalten, Kapellchen, fromme Aſyle er¬ heben ſich zwiſchen den kleinen, niedrigen, demütigen Wohnhäuſern, die auch nur noch weiße Kleidchen an¬ zulegen wagen. Und darüber ragt die gewaltige wei߬ goldene Himmelsſtadt mit ihren Kloſtermauern, Kuppeln und Kirchen gegen den blaßblauen Winterhimmel empor, — umhaucht vom Weihrauch, der aus ihren Heilig¬ tümern dringt, umſtanden von geweihten Buden, wo Betperlen, Räucherkerzen und Kränze verkauft werden, umklungen von Glocken und Chorälen, — das Ganze eine unbeſchreibliche Symphonie von Weiß und Gold in¬ mitten dieſer weißen Schneelandſchaft unter den letzten goldenen Sonnenſtrahlen.
Und dahinter der weite, weite Kloſtergarten im tiefen Winterfrieden.
Max Werner wollte grade in den Garten eintreten, als er zu ſeiner Ueberraſchung Fenia darin erblickte; ſie ſtand dicht am Eingang, an das goldblitzende Staket ge¬ lehnt, und wendete ihm den Rücken zu.
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Ranges und Schnapskeller mit grellen Plakaten über
der Thür. Immer weniger herrſchaftliche Schlitten ſau¬
ſen über den feſtgeſtampften bläulichen Schnee, immer
volkstümlicher werden die Trachten der vorübergehenden
Menſchen, — bis endlich von ferne, im blitzenden Schein,
den die Winterſonne den goldenen Kuppeln entlockt, —
das Alexander-Newskijkloſter herüberſchimmert.
Schon eine ganze Strecke vor dem Kloſter wird die
Straße beinahe dörflich und erhält einen ſozuſagen geiſt¬
lichen Anſtrich. Weißbeworfene Gebäude mit goldenen
Kreuzen oder goldener Strahlenform über dem Thor,
Wohlthätigkeitsanſtalten, Kapellchen, fromme Aſyle er¬
heben ſich zwiſchen den kleinen, niedrigen, demütigen
Wohnhäuſern, die auch nur noch weiße Kleidchen an¬
zulegen wagen. Und darüber ragt die gewaltige wei߬
goldene Himmelsſtadt mit ihren Kloſtermauern, Kuppeln
und Kirchen gegen den blaßblauen Winterhimmel empor,
— umhaucht vom Weihrauch, der aus ihren Heilig¬
tümern dringt, umſtanden von geweihten Buden, wo
Betperlen, Räucherkerzen und Kränze verkauft werden,
umklungen von Glocken und Chorälen, — das Ganze
eine unbeſchreibliche Symphonie von Weiß und Gold in¬
mitten dieſer weißen Schneelandſchaft unter den letzten
goldenen Sonnenſtrahlen.
Und dahinter der weite, weite Kloſtergarten im tiefen
Winterfrieden.
Max Werner wollte grade in den Garten eintreten,
als er zu ſeiner Ueberraſchung Fenia darin erblickte; ſie
ſtand dicht am Eingang, an das goldblitzende Staket ge¬
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Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/39>, abgerufen am 07.07.2024.
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