Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.deshalb auf alle Fälle einen Umweg, obwohl der Him¬ "Für uns Frauen, -- für uns, die wir erst seit so "Ja, wissen Sie denn, was das beweisen würde, deshalb auf alle Fälle einen Umweg, obwohl der Him¬ „Für uns Frauen, — für uns, die wir erſt ſeit ſo „Ja, wiſſen Sie denn, was das beweiſen würde, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0023" n="19"/><fw type="pageNum" place="top">— 19 —<lb/></fw>deshalb auf alle Fälle einen Umweg, obwohl der Him¬<lb/> mel ſich bezog. Sie bemerkte auch gar nichts davon,<lb/> weder von der Himmelstrübung noch vom Umweg.</p><lb/> <p>„Für uns Frauen, — für uns, die wir erſt ſeit ſo<lb/> kurzem ſtudieren dürfen, iſt es durchaus nicht ſo, wie Sie<lb/> da ſagen,“ widerſprach ſie, ganz eingenommen von ihrer<lb/> Sache; „für uns bedeutet es keine Askeſe und keine<lb/> Schreibtiſchexiſtenz. Wie ſollte das auch möglich ſein!<lb/> Wir treten ja damit nun grade mitten in den Kampf<lb/> hinein, — um unſre Freiheit, um unſre Rechte, —<lb/> mitten hinein in das Leben! Wer von uns ſich dem<lb/> Studium hingiebt, thut es nicht nur mit dem Kopf,<lb/> mit der Intelligenz, ſondern mit dem ganzen Willen,<lb/> dem ganzen Menſchen! Er erobert nicht nur Wiſſen,<lb/> ſondern ein Stück Leben voll von Gemütsbewegungen.<lb/> Was Sie von der Wiſſenſchaft ſagen, klingt ſo, als ſei<lb/> ſie nur noch die geeignetſte Beſchäftigung für Greiſe, für<lb/> abgelebte Menſchen. Aber vielleicht ſeid nur ihr greiſen¬<lb/> haft. Bei uns begeiſtert ſie die Starken, die Jungen,<lb/> die Friſchen!“</p><lb/> <p>„Ja, wiſſen Sie denn, was das beweiſen würde,<lb/> wenn es wirklich ſo iſt?“ fragte er ärgerlich, und ſtu¬<lb/> dierte dabei mit verliebtem Wohlgefallen den Anſatz des<lb/> braunen Haares an ihren Schläfen, der eine reizende<lb/> kleine Linie bildete; „es beweiſt einfach, daß Ihr Ge¬<lb/> ſchlecht zurück iſt, daß es da lebt, wo wir vor Jahrhun¬<lb/> derten ſtanden. Etwa da, wo wir für jede wiſſenſchaft¬<lb/> liche Erkenntnis auf den Scheiterhaufen gerieten, oder<lb/> mindeſtens in öffentlichen Verruf. Damals hatte aller¬<lb/> dings das Leben für die Wiſſenſchaft noch etwas ver¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [19/0023]
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deshalb auf alle Fälle einen Umweg, obwohl der Him¬
mel ſich bezog. Sie bemerkte auch gar nichts davon,
weder von der Himmelstrübung noch vom Umweg.
„Für uns Frauen, — für uns, die wir erſt ſeit ſo
kurzem ſtudieren dürfen, iſt es durchaus nicht ſo, wie Sie
da ſagen,“ widerſprach ſie, ganz eingenommen von ihrer
Sache; „für uns bedeutet es keine Askeſe und keine
Schreibtiſchexiſtenz. Wie ſollte das auch möglich ſein!
Wir treten ja damit nun grade mitten in den Kampf
hinein, — um unſre Freiheit, um unſre Rechte, —
mitten hinein in das Leben! Wer von uns ſich dem
Studium hingiebt, thut es nicht nur mit dem Kopf,
mit der Intelligenz, ſondern mit dem ganzen Willen,
dem ganzen Menſchen! Er erobert nicht nur Wiſſen,
ſondern ein Stück Leben voll von Gemütsbewegungen.
Was Sie von der Wiſſenſchaft ſagen, klingt ſo, als ſei
ſie nur noch die geeignetſte Beſchäftigung für Greiſe, für
abgelebte Menſchen. Aber vielleicht ſeid nur ihr greiſen¬
haft. Bei uns begeiſtert ſie die Starken, die Jungen,
die Friſchen!“
„Ja, wiſſen Sie denn, was das beweiſen würde,
wenn es wirklich ſo iſt?“ fragte er ärgerlich, und ſtu¬
dierte dabei mit verliebtem Wohlgefallen den Anſatz des
braunen Haares an ihren Schläfen, der eine reizende
kleine Linie bildete; „es beweiſt einfach, daß Ihr Ge¬
ſchlecht zurück iſt, daß es da lebt, wo wir vor Jahrhun¬
derten ſtanden. Etwa da, wo wir für jede wiſſenſchaft¬
liche Erkenntnis auf den Scheiterhaufen gerieten, oder
mindeſtens in öffentlichen Verruf. Damals hatte aller¬
dings das Leben für die Wiſſenſchaft noch etwas ver¬
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