Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.Ich weiß nicht, ob ich auf der niedrigen Ottomane Trotzdem würde ich ja nie, im ganzen Leben nicht, Denn ich kann wohl als Künstlerin entzückt und Ich weiß nicht, ob ich auf der niedrigen Ottomane Trotzdem würde ich ja nie, im ganzen Leben nicht, Denn ich kann wohl als Künſtlerin entzückt und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0178" n="174"/> <fw type="pageNum" place="top">— 174 —<lb/></fw> <p>Ich weiß nicht, ob ich auf der niedrigen Ottomane<lb/> ſitzen blieb, oder ob ich in die Kniee ſank und mein Geſicht<lb/> in die Hände drückte, — jedenfalls hab ich dies meinem<lb/> innern Verhalten nach gethan und habe ſo verharrt. Damit<lb/> ſchloß für mich dieſe Scene; damit ſchloß meine Beziehung<lb/> zu Benno.</p><lb/> <p>Trotzdem würde ich ja nie, im ganzen Leben nicht,<lb/> imſtande ſein, die Liebe eines Mannes zu ertragen, der<lb/> mich wirklich auf die Kniee feſtbannen oder mich in<lb/> meiner Individualität ähnlich vergewaltigen wollte, wie<lb/> Benno es ehedem unwiſſentlich verſucht hatte. Aber was<lb/> hilft mir dieſe Erkenntnis? Hilft ſie mir etwa dazu,<lb/> nun auch voll und ſtark und wahrhaft hingebend zu lieben<lb/> ohne dieſe furchtbaren Nervenreize? Nein! Wenn ich das<lb/> ſeitdem je geglaubt habe, ſo erwies es ſich ſofort als<lb/> ein bloßes Trugſpiel, ja eben als ein unwillkürliches<lb/> Spiel ohne Dauer und Tiefe. Es iſt, wie wenn ich<lb/> mich feſtgenagelt fühlte zwiſchen der Oberflächlichkeit Mut¬<lb/> chens und der hyſteriſchen Romantik der kleinen Ver¬<lb/> wachſenen, dazu beſtimmt, zwiſchen dieſen beiden Polen<lb/> des Gefühls hin und her zu pendeln wie zwiſchen Leicht¬<lb/> ſinn und Wahnſinn —.</p><lb/> <p>Denn ich kann wohl als Künſtlerin entzückt und<lb/> erregt werden, und zugleich mit tiefſter Sympathie nach<lb/> einem mir teuren Menſchenweſen langen, — aber alles<lb/> was dem Weib in mir an den Nerv greift, alles was<lb/> inſtinktiv tiefer greift, als Freundſchaft und Phantaſie zu¬<lb/> ſammen vermögen, — alles das iſt dunkel jenem letzten<lb/> Schauer verwandt, der vielleicht eine lange, unendliche<lb/> Generationen lange Kette duldender und ihres Duldens<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [174/0178]
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Ich weiß nicht, ob ich auf der niedrigen Ottomane
ſitzen blieb, oder ob ich in die Kniee ſank und mein Geſicht
in die Hände drückte, — jedenfalls hab ich dies meinem
innern Verhalten nach gethan und habe ſo verharrt. Damit
ſchloß für mich dieſe Scene; damit ſchloß meine Beziehung
zu Benno.
Trotzdem würde ich ja nie, im ganzen Leben nicht,
imſtande ſein, die Liebe eines Mannes zu ertragen, der
mich wirklich auf die Kniee feſtbannen oder mich in
meiner Individualität ähnlich vergewaltigen wollte, wie
Benno es ehedem unwiſſentlich verſucht hatte. Aber was
hilft mir dieſe Erkenntnis? Hilft ſie mir etwa dazu,
nun auch voll und ſtark und wahrhaft hingebend zu lieben
ohne dieſe furchtbaren Nervenreize? Nein! Wenn ich das
ſeitdem je geglaubt habe, ſo erwies es ſich ſofort als
ein bloßes Trugſpiel, ja eben als ein unwillkürliches
Spiel ohne Dauer und Tiefe. Es iſt, wie wenn ich
mich feſtgenagelt fühlte zwiſchen der Oberflächlichkeit Mut¬
chens und der hyſteriſchen Romantik der kleinen Ver¬
wachſenen, dazu beſtimmt, zwiſchen dieſen beiden Polen
des Gefühls hin und her zu pendeln wie zwiſchen Leicht¬
ſinn und Wahnſinn —.
Denn ich kann wohl als Künſtlerin entzückt und
erregt werden, und zugleich mit tiefſter Sympathie nach
einem mir teuren Menſchenweſen langen, — aber alles
was dem Weib in mir an den Nerv greift, alles was
inſtinktiv tiefer greift, als Freundſchaft und Phantaſie zu¬
ſammen vermögen, — alles das iſt dunkel jenem letzten
Schauer verwandt, der vielleicht eine lange, unendliche
Generationen lange Kette duldender und ihres Duldens
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