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Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.

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Meine Mutter fragte dazwischen:

"Wie ist es denn morgen mittag, Benno? ißt du zu
Hause?"

"Wahrscheinlich nicht. Es ist weit über Land, wo
ich hin muß. Wir bringen den Kranken wohl gleich
mit," entgegnete er zerstreut, beendete etwas hastig sein
Abendessen und stand auf.

"Du entschuldigst wohl, es wartet jemand auf mich,"
bemerkte er zur Mutter, und dann, schon bei der Thür,
wandte er sich noch einmal zu mir und sagte zögernd:

"Ich wollte dich noch fragen, ob du nicht -- ich
wollte dich bitten, morgen vormittag, -- natürlich falls
du nichts andres vorhast, -- ob du mir nicht wieder
etwas Gesellschaft leisten willst. So wie heute. Es ist
meine liebste Stunde."

Dabei sah er eilig und beschäftigt aus und sah nie¬
mand an, während er redete.

"Gewiß! ich will kommen," sagte ich ein wenig
leise. Dabei schlug auch ich die Augen nicht auf. Meine
Glieder wurden mir bleischwer. Ich stützte die Arme
auf den Tisch und den Kopf darauf. "Wenn ich doch
aus dem Hause ginge und den Nachtzug nach Paris
nähme!" dachte ich.

Meine Mutter hatte von Benno wieder auf mich
geblickt; ihre Augen leuchteten, und wer kann wissen,
welche Hoffnungen in ihr aufstiegen und welche Mutter¬
wünsche, während sie umherging und das Dienstmädchen
beaufsichtigte, das den Tisch abräumte. Dieses war eine
arme entlassene Insassin des Irrenhauses, wie meistens
unser Gesinde.

Meine Mutter fragte dazwiſchen:

„Wie iſt es denn morgen mittag, Benno? ißt du zu
Hauſe?“

„Wahrſcheinlich nicht. Es iſt weit über Land, wo
ich hin muß. Wir bringen den Kranken wohl gleich
mit,“ entgegnete er zerſtreut, beendete etwas haſtig ſein
Abendeſſen und ſtand auf.

„Du entſchuldigſt wohl, es wartet jemand auf mich,“
bemerkte er zur Mutter, und dann, ſchon bei der Thür,
wandte er ſich noch einmal zu mir und ſagte zögernd:

„Ich wollte dich noch fragen, ob du nicht — ich
wollte dich bitten, morgen vormittag, — natürlich falls
du nichts andres vorhaſt, — ob du mir nicht wieder
etwas Geſellſchaft leiſten willſt. So wie heute. Es iſt
meine liebſte Stunde.“

Dabei ſah er eilig und beſchäftigt aus und ſah nie¬
mand an, während er redete.

„Gewiß! ich will kommen,“ ſagte ich ein wenig
leiſe. Dabei ſchlug auch ich die Augen nicht auf. Meine
Glieder wurden mir bleiſchwer. Ich ſtützte die Arme
auf den Tiſch und den Kopf darauf. „Wenn ich doch
aus dem Hauſe ginge und den Nachtzug nach Paris
nähme!“ dachte ich.

Meine Mutter hatte von Benno wieder auf mich
geblickt; ihre Augen leuchteten, und wer kann wiſſen,
welche Hoffnungen in ihr aufſtiegen und welche Mutter¬
wünſche, während ſie umherging und das Dienſtmädchen
beaufſichtigte, das den Tiſch abräumte. Dieſes war eine
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[143/0147] — 143 — Meine Mutter fragte dazwiſchen: „Wie iſt es denn morgen mittag, Benno? ißt du zu Hauſe?“ „Wahrſcheinlich nicht. Es iſt weit über Land, wo ich hin muß. Wir bringen den Kranken wohl gleich mit,“ entgegnete er zerſtreut, beendete etwas haſtig ſein Abendeſſen und ſtand auf. „Du entſchuldigſt wohl, es wartet jemand auf mich,“ bemerkte er zur Mutter, und dann, ſchon bei der Thür, wandte er ſich noch einmal zu mir und ſagte zögernd: „Ich wollte dich noch fragen, ob du nicht — ich wollte dich bitten, morgen vormittag, — natürlich falls du nichts andres vorhaſt, — ob du mir nicht wieder etwas Geſellſchaft leiſten willſt. So wie heute. Es iſt meine liebſte Stunde.“ Dabei ſah er eilig und beſchäftigt aus und ſah nie¬ mand an, während er redete. „Gewiß! ich will kommen,“ ſagte ich ein wenig leiſe. Dabei ſchlug auch ich die Augen nicht auf. Meine Glieder wurden mir bleiſchwer. Ich ſtützte die Arme auf den Tiſch und den Kopf darauf. „Wenn ich doch aus dem Hauſe ginge und den Nachtzug nach Paris nähme!“ dachte ich. Meine Mutter hatte von Benno wieder auf mich geblickt; ihre Augen leuchteten, und wer kann wiſſen, welche Hoffnungen in ihr aufſtiegen und welche Mutter¬ wünſche, während ſie umherging und das Dienſtmädchen beaufſichtigte, das den Tiſch abräumte. Dieſes war eine arme entlaſſene Inſaſſin des Irrenhauſes, wie meiſtens unſer Geſinde.

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Zitationshilfe: Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/147>, abgerufen am 24.11.2024.