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Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.

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Sollte nicht auch in uns was davon übrig sein? was
machen wir dann mit solchem ererbten kostbaren alten
Gefäß?"

"Wir stellen es meinetwegen in den Nippesschrank
zu andern Kuriositäten, wenn es nicht schon so löcherig
ist, daß wir es hinauswerfen müssen," antwortete Ga¬
briele und stand unruhig auf, "ich hasse alten Plunder!
er paßt doch nicht zu den Anforderungen des praktischen
Lebens."

"Vielleicht nicht. Aber er kann den praktischen Ge¬
rätschaften so unendlich überlegen sein durch seine Schön¬
heit," bemerkte ich, stand aber gleichfalls auf, um nicht
all das zu sagen, was mir auf dem Herzen lag. "Wir
reden darüber heute nicht zu Ende, Gabriele, aber ganz
außerordentlich fortgeschritten seid ihr ja hier in Brieg!"

Gabriele kämpfte mit etwas, was ihr nicht über die
Zunge wollte. Sie äußerte nur noch zögernd:

"Du bist eben eine Künstlerin, Mine. Ich sage ja
nicht, daß du mit Gefühlen spielen würdest, aber ihre
Tauglichkeit fürs Leben ist dir doch nicht alles, -- wenn
sie dich irgendwie künstlerisch anregen. Aber -- -- du
kannst damit leicht Menschen unglücklich machen."

Sie errötete, ihre Stimme wurde unsicher, und sie
ging schnell zu alltäglichern Gesprächsstoffen über. Wäh¬
rend wir weiter plauderten, mied sie meinen Blick, und
ich den ihren. Aber ich that es ohne die geringste
Ahnung von dem, was sich in ihrem Herzen an Befürch¬
tungen regte: sie jedoch begriff aus meinem Schweigen
alles. --

Ich verspätete mich bei Gabriele so sehr, daß bei uns

Sollte nicht auch in uns was davon übrig ſein? was
machen wir dann mit ſolchem ererbten koſtbaren alten
Gefäß?“

„Wir ſtellen es meinetwegen in den Nippesſchrank
zu andern Kurioſitäten, wenn es nicht ſchon ſo löcherig
iſt, daß wir es hinauswerfen müſſen,“ antwortete Ga¬
briele und ſtand unruhig auf, „ich haſſe alten Plunder!
er paßt doch nicht zu den Anforderungen des praktiſchen
Lebens.“

„Vielleicht nicht. Aber er kann den praktiſchen Ge¬
rätſchaften ſo unendlich überlegen ſein durch ſeine Schön¬
heit,“ bemerkte ich, ſtand aber gleichfalls auf, um nicht
all das zu ſagen, was mir auf dem Herzen lag. „Wir
reden darüber heute nicht zu Ende, Gabriele, aber ganz
außerordentlich fortgeſchritten ſeid ihr ja hier in Brieg!“

Gabriele kämpfte mit etwas, was ihr nicht über die
Zunge wollte. Sie äußerte nur noch zögernd:

„Du biſt eben eine Künſtlerin, Mine. Ich ſage ja
nicht, daß du mit Gefühlen ſpielen würdeſt, aber ihre
Tauglichkeit fürs Leben iſt dir doch nicht alles, — wenn
ſie dich irgendwie künſtleriſch anregen. Aber — — du
kannſt damit leicht Menſchen unglücklich machen.“

Sie errötete, ihre Stimme wurde unſicher, und ſie
ging ſchnell zu alltäglichern Geſprächsſtoffen über. Wäh¬
rend wir weiter plauderten, mied ſie meinen Blick, und
ich den ihren. Aber ich that es ohne die geringſte
Ahnung von dem, was ſich in ihrem Herzen an Befürch¬
tungen regte: ſie jedoch begriff aus meinem Schweigen
alles. —

Ich verſpätete mich bei Gabriele ſo ſehr, daß bei uns

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[140/0144] — 140 — Sollte nicht auch in uns was davon übrig ſein? was machen wir dann mit ſolchem ererbten koſtbaren alten Gefäß?“ „Wir ſtellen es meinetwegen in den Nippesſchrank zu andern Kurioſitäten, wenn es nicht ſchon ſo löcherig iſt, daß wir es hinauswerfen müſſen,“ antwortete Ga¬ briele und ſtand unruhig auf, „ich haſſe alten Plunder! er paßt doch nicht zu den Anforderungen des praktiſchen Lebens.“ „Vielleicht nicht. Aber er kann den praktiſchen Ge¬ rätſchaften ſo unendlich überlegen ſein durch ſeine Schön¬ heit,“ bemerkte ich, ſtand aber gleichfalls auf, um nicht all das zu ſagen, was mir auf dem Herzen lag. „Wir reden darüber heute nicht zu Ende, Gabriele, aber ganz außerordentlich fortgeſchritten ſeid ihr ja hier in Brieg!“ Gabriele kämpfte mit etwas, was ihr nicht über die Zunge wollte. Sie äußerte nur noch zögernd: „Du biſt eben eine Künſtlerin, Mine. Ich ſage ja nicht, daß du mit Gefühlen ſpielen würdeſt, aber ihre Tauglichkeit fürs Leben iſt dir doch nicht alles, — wenn ſie dich irgendwie künſtleriſch anregen. Aber — — du kannſt damit leicht Menſchen unglücklich machen.“ Sie errötete, ihre Stimme wurde unſicher, und ſie ging ſchnell zu alltäglichern Geſprächsſtoffen über. Wäh¬ rend wir weiter plauderten, mied ſie meinen Blick, und ich den ihren. Aber ich that es ohne die geringſte Ahnung von dem, was ſich in ihrem Herzen an Befürch¬ tungen regte: ſie jedoch begriff aus meinem Schweigen alles. — Ich verſpätete mich bei Gabriele ſo ſehr, daß bei uns

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Zitationshilfe: Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/144>, abgerufen am 25.11.2024.