Klingers "Die Zeit den Ruhm vernichtend". Wie manches Mal schon hatte ich den gepanzerten Jüngling an¬ geschaut, der, eherne Allmacht im Antlitz, dem vor ihm niedergeworfenen Weibe erbarmungslos mit dem Fuß in die Lende tritt ----.
Plötzlich weckte er irgend eine Ideenassociation in mir, plötzlich rührte er an irgend etwas, -- und eine lang, lang vergessene, eine tote Sensation meines eignen Lebens regte sich dunkel --.
Ich kann mit Worten nicht deutlich schildern, wie es war. Ich glaube nicht, daß ich dabei an eine be¬ stimmte Situation gedacht habe, zum Beispiel an Bennos brutale Lösung unsrer Beziehungen, oder daran, daß ich mich damals von ihm "zertreten" fühlte, oder überhaupt an seine Person, -- aber doch hing es mit ihm zusam¬ men, als mir ein Schauer über den Rücken ging, -- ein Schauer von so lähmend intensiver Erschütterung, daß ich unwillkürlich vor dem Bilde die Augen schloß.
Ich nahm nur noch mechanisch an der Unterhaltung teil, innerlich blieb ich tief benommen, denn mir war, als starrte ich durch meine ganze Umgebung hindurch auf etwas, das sich nur lange verborgen gehalten hatte, aber doch immer dagewesen sein mußte, gleich schattenhaftem Hintergrund, -- oder als sänke mein ganzes glückliches gegenwärtiges Leben langsam zu meinen Füßen nieder, wie ein dünner blumengestickter Schleier, und dahinter stände hoch aufgerichtet das Wirkliche, Wesenhafte, -- -- ja was? etwas wie die Silhouette eines gepanzerten Mannes? oder Benno selbst, der mich in den Armen hielt und mich den ersten Liebesrausch lehrte, und das
Klingers „Die Zeit den Ruhm vernichtend“. Wie manches Mal ſchon hatte ich den gepanzerten Jüngling an¬ geſchaut, der, eherne Allmacht im Antlitz, dem vor ihm niedergeworfenen Weibe erbarmungslos mit dem Fuß in die Lende tritt ——.
Plötzlich weckte er irgend eine Ideenaſſociation in mir, plötzlich rührte er an irgend etwas, — und eine lang, lang vergeſſene, eine tote Senſation meines eignen Lebens regte ſich dunkel —.
Ich kann mit Worten nicht deutlich ſchildern, wie es war. Ich glaube nicht, daß ich dabei an eine be¬ ſtimmte Situation gedacht habe, zum Beiſpiel an Bennos brutale Löſung unſrer Beziehungen, oder daran, daß ich mich damals von ihm „zertreten“ fühlte, oder überhaupt an ſeine Perſon, — aber doch hing es mit ihm zuſam¬ men, als mir ein Schauer über den Rücken ging, — ein Schauer von ſo lähmend intenſiver Erſchütterung, daß ich unwillkürlich vor dem Bilde die Augen ſchloß.
Ich nahm nur noch mechaniſch an der Unterhaltung teil, innerlich blieb ich tief benommen, denn mir war, als ſtarrte ich durch meine ganze Umgebung hindurch auf etwas, das ſich nur lange verborgen gehalten hatte, aber doch immer dageweſen ſein mußte, gleich ſchattenhaftem Hintergrund, — oder als ſänke mein ganzes glückliches gegenwärtiges Leben langſam zu meinen Füßen nieder, wie ein dünner blumengeſtickter Schleier, und dahinter ſtände hoch aufgerichtet das Wirkliche, Weſenhafte, — — ja was? etwas wie die Silhouette eines gepanzerten Mannes? oder Benno ſelbſt, der mich in den Armen hielt und mich den erſten Liebesrauſch lehrte, und das
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Klingers „Die Zeit den Ruhm vernichtend“. Wie
manches Mal ſchon hatte ich den gepanzerten Jüngling an¬
geſchaut, der, eherne Allmacht im Antlitz, dem vor ihm
niedergeworfenen Weibe erbarmungslos mit dem Fuß in
die Lende tritt ——.
Plötzlich weckte er irgend eine Ideenaſſociation in
mir, plötzlich rührte er an irgend etwas, — und eine
lang, lang vergeſſene, eine tote Senſation meines eignen
Lebens regte ſich dunkel —.
Ich kann mit Worten nicht deutlich ſchildern, wie
es war. Ich glaube nicht, daß ich dabei an eine be¬
ſtimmte Situation gedacht habe, zum Beiſpiel an Bennos
brutale Löſung unſrer Beziehungen, oder daran, daß ich
mich damals von ihm „zertreten“ fühlte, oder überhaupt
an ſeine Perſon, — aber doch hing es mit ihm zuſam¬
men, als mir ein Schauer über den Rücken ging, —
ein Schauer von ſo lähmend intenſiver Erſchütterung,
daß ich unwillkürlich vor dem Bilde die Augen ſchloß.
Ich nahm nur noch mechaniſch an der Unterhaltung
teil, innerlich blieb ich tief benommen, denn mir war,
als ſtarrte ich durch meine ganze Umgebung hindurch auf
etwas, das ſich nur lange verborgen gehalten hatte, aber
doch immer dageweſen ſein mußte, gleich ſchattenhaftem
Hintergrund, — oder als ſänke mein ganzes glückliches
gegenwärtiges Leben langſam zu meinen Füßen nieder,
wie ein dünner blumengeſtickter Schleier, und dahinter
ſtände hoch aufgerichtet das Wirkliche, Weſenhafte, —
— ja was? etwas wie die Silhouette eines gepanzerten
Mannes? oder Benno ſelbſt, der mich in den Armen
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Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/121>, abgerufen am 16.07.2024.
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