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Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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einander an. Wo ist sie? fragte der Soldat, welcher mich gefaßt hatte.

Sie ist nicht hier, versetzt' ich, sie ist auf einem benachbarten Gute, wo sie eine Freundin besucht. Hätte sie eine Ahnung von diesem Ereigniß gehabt, würde sie jenes Bild mit sich genommen haben. Sie würde untröstlich sein, wenn sie es bei ihrer Rückkehr nicht fände. Aber ich hoffe, ihr sagen zu können: Hier, mein Fräulein, das Bild des Majors, Ihres Vaters -- französische Krieger gaben es mir zurück, als sie erfuhren --

Genug, rief der Sappeur, nehmt das Bild, junger Mann. Wer seid Ihr?

Ich bin ein armer Teufel, versetzt' ich, ich unterrichte die Kinder des Gutsherrn.

Wo ist er?

Schon seit einer Stunde entflohen -- er hatte von eurem Herannahen erfahren. Ich kehrte zurück, weil mir das Bild des Fräuleins in den Sinn kam.

Wo ist das Geld vergraben? Ihr wißt es! rief Der, welcher mich noch immer hielt, mit schrecklicher Stimme.

Wie soll ich das wissen! versetzt ich, durchsucht mich -- nehmt, was ihr findet. Ich habe nichts als meine Armuth!

Laßt ihn! rief der alte Sappeur. Gebt ihm das Bild.

Der, welcher mich festhielt, ließ mich los, zog mir aber dabei meine Uhr aus der Tasche und steckte sie in die seinige. Der Sappeur runzelte die Stirn und machte eine Bewegung gegen ihn, als Plötzlich unten ein Ruf ertönte: Der Feind! zu den Waffen!

Die drei Soldaten eilten hinaus. Preußische Husaren sprengten in den Hof und schlugen sich mit den Marodeurs herum; ich nahm das Bild und eilte hinunter, um aus dem Hause zu entkommen, weil ich fürchtete, die Plünderer möchten es angezündet haben.

Als ich auf die Hausflur gelangte, fiel von dem

einander an. Wo ist sie? fragte der Soldat, welcher mich gefaßt hatte.

Sie ist nicht hier, versetzt' ich, sie ist auf einem benachbarten Gute, wo sie eine Freundin besucht. Hätte sie eine Ahnung von diesem Ereigniß gehabt, würde sie jenes Bild mit sich genommen haben. Sie würde untröstlich sein, wenn sie es bei ihrer Rückkehr nicht fände. Aber ich hoffe, ihr sagen zu können: Hier, mein Fräulein, das Bild des Majors, Ihres Vaters — französische Krieger gaben es mir zurück, als sie erfuhren —

Genug, rief der Sappeur, nehmt das Bild, junger Mann. Wer seid Ihr?

Ich bin ein armer Teufel, versetzt' ich, ich unterrichte die Kinder des Gutsherrn.

Wo ist er?

Schon seit einer Stunde entflohen — er hatte von eurem Herannahen erfahren. Ich kehrte zurück, weil mir das Bild des Fräuleins in den Sinn kam.

Wo ist das Geld vergraben? Ihr wißt es! rief Der, welcher mich noch immer hielt, mit schrecklicher Stimme.

Wie soll ich das wissen! versetzt ich, durchsucht mich — nehmt, was ihr findet. Ich habe nichts als meine Armuth!

Laßt ihn! rief der alte Sappeur. Gebt ihm das Bild.

Der, welcher mich festhielt, ließ mich los, zog mir aber dabei meine Uhr aus der Tasche und steckte sie in die seinige. Der Sappeur runzelte die Stirn und machte eine Bewegung gegen ihn, als Plötzlich unten ein Ruf ertönte: Der Feind! zu den Waffen!

Die drei Soldaten eilten hinaus. Preußische Husaren sprengten in den Hof und schlugen sich mit den Marodeurs herum; ich nahm das Bild und eilte hinunter, um aus dem Hause zu entkommen, weil ich fürchtete, die Plünderer möchten es angezündet haben.

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Zitationshilfe: Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andolt_nacht_1910/59>, abgerufen am 24.11.2024.