Altenberg, Peter: Pròdrŏmŏs. 2. Aufl. Berlin, 1906.Auch lag mein Buch "Was der Tag mir zuträgt" offen auf meinem Tische und ich überraschte einmal das Stubenmädchen bei der Lektüre desselben. Unter diesen facheusen Umständen war meine Glaubwürdigkeit in bezug auf Mäuse ziemlich untergraben. Dafür hatte ich immerhin einen gewissen Nimbus eingeheimst und man rechtete nicht mehr mit mir, liess mir sogar kleine Schwächen passieren, drückte ein Auge zu, benahm sich ausserordentlich kulant wie mit einem Kranken oder anderweitig zu Berücksichtigenden. Die Maus jedoch erschien jede Nacht, kratzte an der Papiertapete, bestieg häufig den Waschkasten. Eines Abends kaufte ich eine Mausefalle samt Speck, ging mit dem Instrument ostentativ an dem Portier, dem Hausknecht, dem Geschäftsführer, dem Zimmerkellner und den drei Stubenmädchen vorbei, stellte die Falle im Zimmer auf. Am nächsten Morgen war die Maus drin. Ich gedachte nun, ganz nonchalant die Mausefalle hinabzutragen. Die Sache sollte für sich selber sprechen! Aber auf der Stiege fiel es mir ein, wie erbittert die Menschen werden, wenn man sie einer Sache überführt, zumal eine Maus sich nicht in einem Passagierzimmer eines Hotels befinden sollte, in dem es Mäuse einfach "gar nicht gibt"! Auch wäre mein Nimbus eines Menschen ohne Gepäck, mit zwei paar Socken, zwei Flaschen Slibowitz, einem Buche "Was der Tag mir zuträgt" und der nachts bereits Mäuse Auch lag mein Buch „Was der Tag mir zuträgt“ offen auf meinem Tische und ich überraschte einmal das Stubenmädchen bei der Lektüre desselben. Unter diesen facheusen Umständen war meine Glaubwürdigkeit in bezug auf Mäuse ziemlich untergraben. Dafür hatte ich immerhin einen gewissen Nimbus eingeheimst und man rechtete nicht mehr mit mir, liess mir sogar kleine Schwächen passieren, drückte ein Auge zu, benahm sich ausserordentlich kulant wie mit einem Kranken oder anderweitig zu Berücksichtigenden. Die Maus jedoch erschien jede Nacht, kratzte an der Papiertapete, bestieg häufig den Waschkasten. Eines Abends kaufte ich eine Mausefalle samt Speck, ging mit dem Instrument ostentativ an dem Portier, dem Hausknecht, dem Geschäftsführer, dem Zimmerkellner und den drei Stubenmädchen vorbei, stellte die Falle im Zimmer auf. Am nächsten Morgen war die Maus drin. Ich gedachte nun, ganz nonchalant die Mausefalle hinabzutragen. Die Sache sollte für sich selber sprechen! Aber auf der Stiege fiel es mir ein, wie erbittert die Menschen werden, wenn man sie einer Sache überführt, zumal eine Maus sich nicht in einem Passagierzimmer eines Hotels befinden sollte, in dem es Mäuse einfach „gar nicht gibt“! Auch wäre mein Nimbus eines Menschen ohne Gepäck, mit zwei paar Socken, zwei Flaschen Slibowitz, einem Buche „Was der Tag mir zuträgt“ und der nachts bereits Mäuse <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0164" n="164"/> <p>Auch lag mein Buch „Was der Tag mir zuträgt“ offen auf meinem Tische und ich überraschte einmal das Stubenmädchen bei der Lektüre desselben.</p> <p>Unter diesen facheusen Umständen war meine Glaubwürdigkeit in bezug auf Mäuse ziemlich untergraben. Dafür hatte ich immerhin einen gewissen Nimbus eingeheimst und man rechtete nicht mehr mit mir, liess mir sogar kleine Schwächen passieren, drückte ein Auge zu, benahm sich ausserordentlich kulant wie mit einem Kranken oder anderweitig zu Berücksichtigenden.</p> <p>Die Maus jedoch erschien jede Nacht, kratzte an der Papiertapete, bestieg häufig den Waschkasten.</p> <p>Eines Abends kaufte ich eine Mausefalle samt Speck, ging mit dem Instrument ostentativ an dem Portier, dem Hausknecht, dem Geschäftsführer, dem Zimmerkellner und den drei Stubenmädchen vorbei, stellte die Falle im Zimmer auf. Am nächsten Morgen war die Maus drin.</p> <p>Ich gedachte nun, ganz nonchalant die Mausefalle hinabzutragen. Die Sache sollte für sich selber sprechen!</p> <p>Aber auf der Stiege fiel es mir ein, wie erbittert die Menschen werden, wenn man sie einer Sache überführt, zumal eine Maus sich nicht in einem Passagierzimmer eines Hotels befinden sollte, in dem es Mäuse einfach „gar nicht gibt“! Auch wäre mein Nimbus eines Menschen ohne Gepäck, mit zwei paar Socken, zwei Flaschen Slibowitz, einem Buche „Was der Tag mir zuträgt“ und der nachts bereits Mäuse </p> </div> </body> </text> </TEI> [164/0164]
Auch lag mein Buch „Was der Tag mir zuträgt“ offen auf meinem Tische und ich überraschte einmal das Stubenmädchen bei der Lektüre desselben.
Unter diesen facheusen Umständen war meine Glaubwürdigkeit in bezug auf Mäuse ziemlich untergraben. Dafür hatte ich immerhin einen gewissen Nimbus eingeheimst und man rechtete nicht mehr mit mir, liess mir sogar kleine Schwächen passieren, drückte ein Auge zu, benahm sich ausserordentlich kulant wie mit einem Kranken oder anderweitig zu Berücksichtigenden.
Die Maus jedoch erschien jede Nacht, kratzte an der Papiertapete, bestieg häufig den Waschkasten.
Eines Abends kaufte ich eine Mausefalle samt Speck, ging mit dem Instrument ostentativ an dem Portier, dem Hausknecht, dem Geschäftsführer, dem Zimmerkellner und den drei Stubenmädchen vorbei, stellte die Falle im Zimmer auf. Am nächsten Morgen war die Maus drin.
Ich gedachte nun, ganz nonchalant die Mausefalle hinabzutragen. Die Sache sollte für sich selber sprechen!
Aber auf der Stiege fiel es mir ein, wie erbittert die Menschen werden, wenn man sie einer Sache überführt, zumal eine Maus sich nicht in einem Passagierzimmer eines Hotels befinden sollte, in dem es Mäuse einfach „gar nicht gibt“! Auch wäre mein Nimbus eines Menschen ohne Gepäck, mit zwei paar Socken, zwei Flaschen Slibowitz, einem Buche „Was der Tag mir zuträgt“ und der nachts bereits Mäuse
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