Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.gehäuft, und der nächste Stoß trieb wieder die Berge auseinander. Die Ungethüme selbst mußten, geworfen, geschleudert, mit dem Wetter kämpfen. Da riß ein neuer Stoß den Wagen um, und krachend stürzte er auf die Seite. Jetzt waren die Breschen für den Feind da. Zum zweiten Male gab sich Sacken verloren. Verhüllt in den Pelz, die Augen zugedrückt, erwartete er, am Boden liegend, das Unvermeidliche. Aber die Hülfe war mit dem Sturm gekommen. Mehrere Schüsse, Peitschenknall, Pferdewiehern, Hundegebell und das Hallo vieler Menschenstimmen verscheuchte die grimmigen Thiere im Augenblick, wo der Zahn eines Wolfes die schwächeren Bretter des Kutschenbodens, der jetzt frei zur Seite lag, durchgerissen hatte. Er war gerettet, seine Wächter waren mit frischen Pferden und dem Aufgebot einer ganzen Dorfschaft zurückgekehrt. Aber er sah wenig mehr, als den ersten Totaleindruck, den das Nachtbild einer asiatischen Dorfschaft, in wildfremden Trachten, angeleuchtet von Kienbränden, auf seine angegriffenen Nerven verursachte. Einem, dessen weitgeschlitzte Augen und aufgerissener Mund unter der plattgedrückten Nase ihn zu anderer Zeit mit Entsetzen erfüllt hätte, fiel er um den Hals. Denn es war ein Mensch. Dann versank er in Bewußtlosigkeit und sah nicht mehr, wie man den Kutschenkasten auf einem Schlitten befestigte; auch erfuhr er nicht, daß man ihn in dem Dorfe zu Bette brachte und so lange pflegte, bis die Weiterreise ohne Gefahr wieder angetreten werden konnte. gehäuft, und der nächste Stoß trieb wieder die Berge auseinander. Die Ungethüme selbst mußten, geworfen, geschleudert, mit dem Wetter kämpfen. Da riß ein neuer Stoß den Wagen um, und krachend stürzte er auf die Seite. Jetzt waren die Breschen für den Feind da. Zum zweiten Male gab sich Sacken verloren. Verhüllt in den Pelz, die Augen zugedrückt, erwartete er, am Boden liegend, das Unvermeidliche. Aber die Hülfe war mit dem Sturm gekommen. Mehrere Schüsse, Peitschenknall, Pferdewiehern, Hundegebell und das Hallo vieler Menschenstimmen verscheuchte die grimmigen Thiere im Augenblick, wo der Zahn eines Wolfes die schwächeren Bretter des Kutschenbodens, der jetzt frei zur Seite lag, durchgerissen hatte. Er war gerettet, seine Wächter waren mit frischen Pferden und dem Aufgebot einer ganzen Dorfschaft zurückgekehrt. Aber er sah wenig mehr, als den ersten Totaleindruck, den das Nachtbild einer asiatischen Dorfschaft, in wildfremden Trachten, angeleuchtet von Kienbränden, auf seine angegriffenen Nerven verursachte. Einem, dessen weitgeschlitzte Augen und aufgerissener Mund unter der plattgedrückten Nase ihn zu anderer Zeit mit Entsetzen erfüllt hätte, fiel er um den Hals. Denn es war ein Mensch. Dann versank er in Bewußtlosigkeit und sah nicht mehr, wie man den Kutschenkasten auf einem Schlitten befestigte; auch erfuhr er nicht, daß man ihn in dem Dorfe zu Bette brachte und so lange pflegte, bis die Weiterreise ohne Gefahr wieder angetreten werden konnte. <TEI> <text> <body> <div n="7"> <p><pb facs="#f0098"/> gehäuft, und der nächste Stoß trieb wieder die Berge auseinander. Die Ungethüme selbst mußten, geworfen, geschleudert, mit dem Wetter kämpfen. Da riß ein neuer Stoß den Wagen um, und krachend stürzte er auf die Seite. Jetzt waren die Breschen für den Feind da. Zum zweiten Male gab sich Sacken verloren. Verhüllt in den Pelz, die Augen zugedrückt, erwartete er, am Boden liegend, das Unvermeidliche. Aber die Hülfe war mit dem Sturm gekommen. Mehrere Schüsse, <choice><sic>Peischenknall</sic><corr>Peitschenknall</corr></choice>, Pferdewiehern, Hundegebell und das Hallo vieler Menschenstimmen verscheuchte die grimmigen Thiere im Augenblick, wo der Zahn eines Wolfes die schwächeren Bretter des Kutschenbodens, der jetzt frei zur Seite lag, durchgerissen hatte. Er war gerettet, seine Wächter waren mit frischen Pferden und dem Aufgebot einer ganzen Dorfschaft zurückgekehrt. Aber er sah wenig mehr, als den ersten Totaleindruck, den das Nachtbild einer asiatischen Dorfschaft, in wildfremden Trachten, angeleuchtet von Kienbränden, auf seine angegriffenen Nerven verursachte. Einem, dessen weitgeschlitzte Augen und aufgerissener Mund unter der plattgedrückten Nase ihn zu anderer Zeit mit Entsetzen erfüllt hätte, fiel er um den Hals. Denn es war ein Mensch.</p><lb/> <p>Dann versank er in Bewußtlosigkeit und sah nicht mehr, wie man den Kutschenkasten auf einem Schlitten befestigte; auch erfuhr er nicht, daß man ihn in dem Dorfe zu Bette brachte und so lange pflegte, bis die Weiterreise ohne Gefahr wieder angetreten werden konnte.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0098]
gehäuft, und der nächste Stoß trieb wieder die Berge auseinander. Die Ungethüme selbst mußten, geworfen, geschleudert, mit dem Wetter kämpfen. Da riß ein neuer Stoß den Wagen um, und krachend stürzte er auf die Seite. Jetzt waren die Breschen für den Feind da. Zum zweiten Male gab sich Sacken verloren. Verhüllt in den Pelz, die Augen zugedrückt, erwartete er, am Boden liegend, das Unvermeidliche. Aber die Hülfe war mit dem Sturm gekommen. Mehrere Schüsse, Peitschenknall, Pferdewiehern, Hundegebell und das Hallo vieler Menschenstimmen verscheuchte die grimmigen Thiere im Augenblick, wo der Zahn eines Wolfes die schwächeren Bretter des Kutschenbodens, der jetzt frei zur Seite lag, durchgerissen hatte. Er war gerettet, seine Wächter waren mit frischen Pferden und dem Aufgebot einer ganzen Dorfschaft zurückgekehrt. Aber er sah wenig mehr, als den ersten Totaleindruck, den das Nachtbild einer asiatischen Dorfschaft, in wildfremden Trachten, angeleuchtet von Kienbränden, auf seine angegriffenen Nerven verursachte. Einem, dessen weitgeschlitzte Augen und aufgerissener Mund unter der plattgedrückten Nase ihn zu anderer Zeit mit Entsetzen erfüllt hätte, fiel er um den Hals. Denn es war ein Mensch.
Dann versank er in Bewußtlosigkeit und sah nicht mehr, wie man den Kutschenkasten auf einem Schlitten befestigte; auch erfuhr er nicht, daß man ihn in dem Dorfe zu Bette brachte und so lange pflegte, bis die Weiterreise ohne Gefahr wieder angetreten werden konnte.
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Zitationshilfe: | Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910/98>, abgerufen am 16.07.2024. |