Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Löcher finden, um zu athmen. Statt des Abfalls und der Zersplitterung wird die Ritterschaft sich unter dem sanften Fittigschlag der jungen Herzogin behaglich fühlen, und die hohe Verwandtschaft, die ihre schwachen Rechte stark macht, wird uns wenigstens vor ungebührlichem Einfluß von Polen und Preußen her schützen. Ihr Trauerkleid wird sie bald ablegen, und ihr froher Sinn verspricht, wenn sie hier ihre Residenz behält, dem Lande und der Stadt Vortheile und ein heiteres Ansehen. Um deßhalb ist es an uns, ihr das Leben hier angenehm zu machen, während die Klugheit uns gebietet, uns bei ihr zu empfehlen. Du hast ihr Herz gewonnen beim ersten Anblick, nutze die Gunst des Schicksals, das selten zweimal winkt, und nimm die dir dargebotene Stelle als Hofdame an. So sprach der Freiherr von Treyden zu seiner Nichte Benigna von Trotha, welche zu dem ihren auch seinen Namen hinzugefügt hatte. -- Und was wird mein Bräutigam dazu sagen? entgegnete das verständige Mädchen, mit ihren großen klugen Augen lächelnd den Pflegevater anblickend. Er wird sich trösten, wie er sich die sechs Jahre über getröstet hat, mit Seneca und Aristoteles. Wie sehr diese Partie auch mein Betrieb war, so habe ich doch nicht Lust, noch andere sechs Jahr zu warten, bis seine Melancholie alle Bedenken beseitigt hat, und du eine alte Jungfer bist. Löcher finden, um zu athmen. Statt des Abfalls und der Zersplitterung wird die Ritterschaft sich unter dem sanften Fittigschlag der jungen Herzogin behaglich fühlen, und die hohe Verwandtschaft, die ihre schwachen Rechte stark macht, wird uns wenigstens vor ungebührlichem Einfluß von Polen und Preußen her schützen. Ihr Trauerkleid wird sie bald ablegen, und ihr froher Sinn verspricht, wenn sie hier ihre Residenz behält, dem Lande und der Stadt Vortheile und ein heiteres Ansehen. Um deßhalb ist es an uns, ihr das Leben hier angenehm zu machen, während die Klugheit uns gebietet, uns bei ihr zu empfehlen. Du hast ihr Herz gewonnen beim ersten Anblick, nutze die Gunst des Schicksals, das selten zweimal winkt, und nimm die dir dargebotene Stelle als Hofdame an. So sprach der Freiherr von Treyden zu seiner Nichte Benigna von Trotha, welche zu dem ihren auch seinen Namen hinzugefügt hatte. — Und was wird mein Bräutigam dazu sagen? entgegnete das verständige Mädchen, mit ihren großen klugen Augen lächelnd den Pflegevater anblickend. Er wird sich trösten, wie er sich die sechs Jahre über getröstet hat, mit Seneca und Aristoteles. Wie sehr diese Partie auch mein Betrieb war, so habe ich doch nicht Lust, noch andere sechs Jahr zu warten, bis seine Melancholie alle Bedenken beseitigt hat, und du eine alte Jungfer bist. <TEI> <text> <body> <div n="6"> <p><pb facs="#f0058"/> Löcher finden, um zu athmen. Statt des Abfalls und der Zersplitterung wird die Ritterschaft sich unter dem sanften Fittigschlag der jungen Herzogin behaglich fühlen, und die hohe Verwandtschaft, die ihre schwachen Rechte stark macht, wird uns wenigstens vor ungebührlichem Einfluß von Polen und Preußen her schützen. Ihr Trauerkleid wird sie bald ablegen, und ihr froher Sinn verspricht, wenn sie hier ihre Residenz behält, dem Lande und der Stadt Vortheile und ein heiteres Ansehen. Um deßhalb ist es an uns, ihr das Leben hier angenehm zu machen, während die Klugheit uns gebietet, uns bei ihr zu empfehlen. Du hast ihr Herz gewonnen beim ersten Anblick, nutze die Gunst des Schicksals, das selten zweimal winkt, und nimm die dir dargebotene Stelle als Hofdame an.</p><lb/> <p>So sprach der Freiherr von Treyden zu seiner Nichte Benigna von Trotha, welche zu dem ihren auch seinen Namen hinzugefügt hatte. — Und was wird mein Bräutigam dazu sagen? entgegnete das verständige Mädchen, mit ihren großen klugen Augen lächelnd den Pflegevater anblickend.</p><lb/> <p>Er wird sich trösten, wie er sich die sechs Jahre über getröstet hat, mit Seneca und Aristoteles. Wie sehr diese Partie auch mein Betrieb war, so habe ich doch nicht Lust, noch andere sechs Jahr zu warten, bis seine Melancholie alle Bedenken beseitigt hat, und du eine alte Jungfer bist.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0058]
Löcher finden, um zu athmen. Statt des Abfalls und der Zersplitterung wird die Ritterschaft sich unter dem sanften Fittigschlag der jungen Herzogin behaglich fühlen, und die hohe Verwandtschaft, die ihre schwachen Rechte stark macht, wird uns wenigstens vor ungebührlichem Einfluß von Polen und Preußen her schützen. Ihr Trauerkleid wird sie bald ablegen, und ihr froher Sinn verspricht, wenn sie hier ihre Residenz behält, dem Lande und der Stadt Vortheile und ein heiteres Ansehen. Um deßhalb ist es an uns, ihr das Leben hier angenehm zu machen, während die Klugheit uns gebietet, uns bei ihr zu empfehlen. Du hast ihr Herz gewonnen beim ersten Anblick, nutze die Gunst des Schicksals, das selten zweimal winkt, und nimm die dir dargebotene Stelle als Hofdame an.
So sprach der Freiherr von Treyden zu seiner Nichte Benigna von Trotha, welche zu dem ihren auch seinen Namen hinzugefügt hatte. — Und was wird mein Bräutigam dazu sagen? entgegnete das verständige Mädchen, mit ihren großen klugen Augen lächelnd den Pflegevater anblickend.
Er wird sich trösten, wie er sich die sechs Jahre über getröstet hat, mit Seneca und Aristoteles. Wie sehr diese Partie auch mein Betrieb war, so habe ich doch nicht Lust, noch andere sechs Jahr zu warten, bis seine Melancholie alle Bedenken beseitigt hat, und du eine alte Jungfer bist.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-14T12:11:53Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-14T12:11:53Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |