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Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Sacken, der nicht in der Heide umgekommen, sondern nur den Weg verloren und erst spät auf beschwerlichen Umwegen die Straße, Mitau jedoch erst an dem Tage erreicht hatte, als der Leichenzug seines Herzogs zum andern Thore einzog.

Was geschehen wird, was man thun muß? sagte er zu seinen Freunden. Sich in sein Schneckenhaus zurückziehen, die Fühlhörner nur ausstrecken nach dem, was uns zunächst ankriecht. Weiter hinaus wirken zu wollen, wäre Thorheit. Wenn ein Orkan in die Flotte führt, hören des Admirals Befehle auf, Jeder darf nicht mehr denken, als wie er sein Schiff vor dem Zusammenstoß mit den andern bewahrt. Unser Admiralschiff ging unter, der Stamm, an den wir uns hielten, ist entwurzelt. Die Fremden werden die Hände nach uns ausstrecken. Abfall, Zersplitterung wird eintreten. Der Pole prätendirt sein lehnsherrliches Recht, der Brandenburger schielt herüber, was er dabei gewinnen mag, der Moskowite wird uns erdrücken, bis wir nicht mehr athmen.

Seine Freunde dachten nicht so: -- Wenn ein Sturm die Flotte auseinandertrieb, suchen die Schiffe einen Nothhafen, wenn die Hauptfahne sank, folgt man einer anderen Standarte. Ein Kluger giebt nicht um eine verlorne Schlacht den Feldzug verloren. Unsere Lunge war nie so gewaltig, daß wir damit in andere Fahrzeuge bliesen, wir mußten immer laviren und von fremdem Winde Nutzen ziehn; um deßhalb, wie wir auch scheinbar erdrückt werden, werden sich noch immer

Sacken, der nicht in der Heide umgekommen, sondern nur den Weg verloren und erst spät auf beschwerlichen Umwegen die Straße, Mitau jedoch erst an dem Tage erreicht hatte, als der Leichenzug seines Herzogs zum andern Thore einzog.

Was geschehen wird, was man thun muß? sagte er zu seinen Freunden. Sich in sein Schneckenhaus zurückziehen, die Fühlhörner nur ausstrecken nach dem, was uns zunächst ankriecht. Weiter hinaus wirken zu wollen, wäre Thorheit. Wenn ein Orkan in die Flotte führt, hören des Admirals Befehle auf, Jeder darf nicht mehr denken, als wie er sein Schiff vor dem Zusammenstoß mit den andern bewahrt. Unser Admiralschiff ging unter, der Stamm, an den wir uns hielten, ist entwurzelt. Die Fremden werden die Hände nach uns ausstrecken. Abfall, Zersplitterung wird eintreten. Der Pole prätendirt sein lehnsherrliches Recht, der Brandenburger schielt herüber, was er dabei gewinnen mag, der Moskowite wird uns erdrücken, bis wir nicht mehr athmen.

Seine Freunde dachten nicht so: — Wenn ein Sturm die Flotte auseinandertrieb, suchen die Schiffe einen Nothhafen, wenn die Hauptfahne sank, folgt man einer anderen Standarte. Ein Kluger giebt nicht um eine verlorne Schlacht den Feldzug verloren. Unsere Lunge war nie so gewaltig, daß wir damit in andere Fahrzeuge bliesen, wir mußten immer laviren und von fremdem Winde Nutzen ziehn; um deßhalb, wie wir auch scheinbar erdrückt werden, werden sich noch immer

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[0057] Sacken, der nicht in der Heide umgekommen, sondern nur den Weg verloren und erst spät auf beschwerlichen Umwegen die Straße, Mitau jedoch erst an dem Tage erreicht hatte, als der Leichenzug seines Herzogs zum andern Thore einzog. Was geschehen wird, was man thun muß? sagte er zu seinen Freunden. Sich in sein Schneckenhaus zurückziehen, die Fühlhörner nur ausstrecken nach dem, was uns zunächst ankriecht. Weiter hinaus wirken zu wollen, wäre Thorheit. Wenn ein Orkan in die Flotte führt, hören des Admirals Befehle auf, Jeder darf nicht mehr denken, als wie er sein Schiff vor dem Zusammenstoß mit den andern bewahrt. Unser Admiralschiff ging unter, der Stamm, an den wir uns hielten, ist entwurzelt. Die Fremden werden die Hände nach uns ausstrecken. Abfall, Zersplitterung wird eintreten. Der Pole prätendirt sein lehnsherrliches Recht, der Brandenburger schielt herüber, was er dabei gewinnen mag, der Moskowite wird uns erdrücken, bis wir nicht mehr athmen. Seine Freunde dachten nicht so: — Wenn ein Sturm die Flotte auseinandertrieb, suchen die Schiffe einen Nothhafen, wenn die Hauptfahne sank, folgt man einer anderen Standarte. Ein Kluger giebt nicht um eine verlorne Schlacht den Feldzug verloren. Unsere Lunge war nie so gewaltig, daß wir damit in andere Fahrzeuge bliesen, wir mußten immer laviren und von fremdem Winde Nutzen ziehn; um deßhalb, wie wir auch scheinbar erdrückt werden, werden sich noch immer

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T12:11:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910/57>, abgerufen am 28.11.2024.