Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Der Student lachte auf: Was hindert, mich Paläologus oder Montmorency, Brahe oder Dolgorucky zu nennen? Wenn es die Welt Euch glaubt! Die Welt glaubt Alles, wenn man versteht, es ihr auf die rechte Weise vorzutragen. Sagt selbst, wenn ich Euch allein zum ersten Mal hier in der Wüste begegnete, und ich nennte mich Dalberg, würdet Ihr mir's nicht glauben müssen? Mit der Pistole auf der Brust, vielleicht. Die Welt ist im Grunde genommen auch eine Wüste. Nur die Namen schwimmen obenauf, die sich geltend zu machen wissen. Ihr habt einen guten Anfang gemacht. Alles Große fängt klein an, sagte der Student. Ostermann war ein armer Theolog in Jena. Die Fortuna wollte, daß er im Duell einen Andern erstach, und nun ist er allmächtig in Rußland. Was war Jaguschinsky? Eines Küsters Sohn. Was Mentschikow? Eines Pastetenbäckers Junge. Was die Czarewna selbst? Eines Pfarrers Tochter und eines Dragoners Liebste. Man kommt vorwärts, mein lieber Baron von Sacken, wenn man sein Talent nicht in den Sack steckt. Man muß denn doch zuweilen darauf rechnen, daß uns ein Anderer mitnimmt; sonst bleibt man auch wohl am Wege liegen. Ein höhnisches Lächeln zuckte um des Studenten Lippe, und die gleichgültigen Augen schossen einen bösen Blick auf den Freiherrn: Eine Gefälligkeit ist der an- Der Student lachte auf: Was hindert, mich Paläologus oder Montmorency, Brahe oder Dolgorucky zu nennen? Wenn es die Welt Euch glaubt! Die Welt glaubt Alles, wenn man versteht, es ihr auf die rechte Weise vorzutragen. Sagt selbst, wenn ich Euch allein zum ersten Mal hier in der Wüste begegnete, und ich nennte mich Dalberg, würdet Ihr mir's nicht glauben müssen? Mit der Pistole auf der Brust, vielleicht. Die Welt ist im Grunde genommen auch eine Wüste. Nur die Namen schwimmen obenauf, die sich geltend zu machen wissen. Ihr habt einen guten Anfang gemacht. Alles Große fängt klein an, sagte der Student. Ostermann war ein armer Theolog in Jena. Die Fortuna wollte, daß er im Duell einen Andern erstach, und nun ist er allmächtig in Rußland. Was war Jaguschinsky? Eines Küsters Sohn. Was Mentschikow? Eines Pastetenbäckers Junge. Was die Czarewna selbst? Eines Pfarrers Tochter und eines Dragoners Liebste. Man kommt vorwärts, mein lieber Baron von Sacken, wenn man sein Talent nicht in den Sack steckt. Man muß denn doch zuweilen darauf rechnen, daß uns ein Anderer mitnimmt; sonst bleibt man auch wohl am Wege liegen. Ein höhnisches Lächeln zuckte um des Studenten Lippe, und die gleichgültigen Augen schossen einen bösen Blick auf den Freiherrn: Eine Gefälligkeit ist der an- <TEI> <text> <body> <div n="4"> <pb facs="#f0043"/> <p>Der Student lachte auf: Was hindert, mich Paläologus oder Montmorency, Brahe oder Dolgorucky zu nennen?</p><lb/> <p>Wenn es die Welt Euch glaubt!</p><lb/> <p>Die Welt glaubt Alles, wenn man versteht, es ihr auf die rechte Weise vorzutragen. Sagt selbst, wenn ich Euch allein zum ersten Mal hier in der Wüste begegnete, und ich nennte mich Dalberg, würdet Ihr mir's nicht glauben müssen?</p><lb/> <p>Mit der Pistole auf der Brust, vielleicht.</p><lb/> <p>Die Welt ist im Grunde genommen auch eine Wüste. Nur die Namen schwimmen obenauf, die sich geltend zu machen wissen.</p><lb/> <p>Ihr habt einen guten Anfang gemacht.</p><lb/> <p>Alles Große fängt klein an, sagte der Student. Ostermann war ein armer Theolog in Jena. Die Fortuna wollte, daß er im Duell einen Andern erstach, und nun ist er allmächtig in Rußland. Was war Jaguschinsky? Eines Küsters Sohn. Was Mentschikow? Eines Pastetenbäckers Junge. Was die Czarewna selbst? Eines Pfarrers Tochter und eines Dragoners Liebste. Man kommt vorwärts, mein lieber Baron von Sacken, wenn man sein Talent nicht in den Sack steckt.</p><lb/> <p>Man muß denn doch zuweilen darauf rechnen, daß uns ein Anderer mitnimmt; sonst bleibt man auch wohl am Wege liegen.</p><lb/> <p>Ein höhnisches Lächeln zuckte um des Studenten Lippe, und die gleichgültigen Augen schossen einen bösen Blick auf den Freiherrn: Eine Gefälligkeit ist der an-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0043]
Der Student lachte auf: Was hindert, mich Paläologus oder Montmorency, Brahe oder Dolgorucky zu nennen?
Wenn es die Welt Euch glaubt!
Die Welt glaubt Alles, wenn man versteht, es ihr auf die rechte Weise vorzutragen. Sagt selbst, wenn ich Euch allein zum ersten Mal hier in der Wüste begegnete, und ich nennte mich Dalberg, würdet Ihr mir's nicht glauben müssen?
Mit der Pistole auf der Brust, vielleicht.
Die Welt ist im Grunde genommen auch eine Wüste. Nur die Namen schwimmen obenauf, die sich geltend zu machen wissen.
Ihr habt einen guten Anfang gemacht.
Alles Große fängt klein an, sagte der Student. Ostermann war ein armer Theolog in Jena. Die Fortuna wollte, daß er im Duell einen Andern erstach, und nun ist er allmächtig in Rußland. Was war Jaguschinsky? Eines Küsters Sohn. Was Mentschikow? Eines Pastetenbäckers Junge. Was die Czarewna selbst? Eines Pfarrers Tochter und eines Dragoners Liebste. Man kommt vorwärts, mein lieber Baron von Sacken, wenn man sein Talent nicht in den Sack steckt.
Man muß denn doch zuweilen darauf rechnen, daß uns ein Anderer mitnimmt; sonst bleibt man auch wohl am Wege liegen.
Ein höhnisches Lächeln zuckte um des Studenten Lippe, und die gleichgültigen Augen schossen einen bösen Blick auf den Freiherrn: Eine Gefälligkeit ist der an-
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Zitationshilfe: | Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910/43>, abgerufen am 16.07.2024. |