Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.meine Braut; klug wie das ganze Geschlecht, das seine genauen Berechnungen, wo Vortheil zu erwarten ist, und wo nicht, geschickt in die Maske von Gefühl oder Gleichgültigkeit zu kleiden weiß. Ihre Tochter, mein theurer Behrend, hat dies selbe Erbtheil der Elternmutter Eva. Machen Sie sich im Voraus darauf gefaßt, oder freuen Sie sich vielmehr. Diese klugen Geschöpfe begehen keinen dummen Streich, der die Speculationen ihrer vorsichtigen Eltern zu Schanden macht. Speculire ich etwa, mein Herr von Sacken? Machen Sie eine Ausnahme von dem Menschengeschlecht? -- Vielleicht bilden Sie sich ein, mich zu lieben, Sie lieben mich auch wohl, so weit Sie es vermögen, ich bin Ihnen werth; Sie meinen meiner Eigenschaften wegen, im Grunde genommen aber ist es, weil ich Ihnen regelmäßig eine hohe Miethe bezahlt, die Ihnen schwerlich ein anderer Student giebt. Ich habe auch manche Geschenke in Ihrem Hause gemacht. Nun ist es Ihnen unangenehm, daß das aufhört; allein die Aussicht, daß ich Ihre Wohnung, Ihren Tisch in meinem Vaterland empfehle, daß ich Ihnen einen noch reichern Landsmann zusende, auch vielleicht, wie es Sitte ist, ein hübsches Angedenken, tröstet Sie doch, wenn Sie es sich auch selbst nicht gestehen. -- Keine Worte, keine Worte, mein Freund. Expellas naturam furca. Einer ist wie der Andre. Mein theurer Herr von Sacken, sagte nicht ohne Rührung der Advocat, wir kennen uns nun durch vier meine Braut; klug wie das ganze Geschlecht, das seine genauen Berechnungen, wo Vortheil zu erwarten ist, und wo nicht, geschickt in die Maske von Gefühl oder Gleichgültigkeit zu kleiden weiß. Ihre Tochter, mein theurer Behrend, hat dies selbe Erbtheil der Elternmutter Eva. Machen Sie sich im Voraus darauf gefaßt, oder freuen Sie sich vielmehr. Diese klugen Geschöpfe begehen keinen dummen Streich, der die Speculationen ihrer vorsichtigen Eltern zu Schanden macht. Speculire ich etwa, mein Herr von Sacken? Machen Sie eine Ausnahme von dem Menschengeschlecht? — Vielleicht bilden Sie sich ein, mich zu lieben, Sie lieben mich auch wohl, so weit Sie es vermögen, ich bin Ihnen werth; Sie meinen meiner Eigenschaften wegen, im Grunde genommen aber ist es, weil ich Ihnen regelmäßig eine hohe Miethe bezahlt, die Ihnen schwerlich ein anderer Student giebt. Ich habe auch manche Geschenke in Ihrem Hause gemacht. Nun ist es Ihnen unangenehm, daß das aufhört; allein die Aussicht, daß ich Ihre Wohnung, Ihren Tisch in meinem Vaterland empfehle, daß ich Ihnen einen noch reichern Landsmann zusende, auch vielleicht, wie es Sitte ist, ein hübsches Angedenken, tröstet Sie doch, wenn Sie es sich auch selbst nicht gestehen. — Keine Worte, keine Worte, mein Freund. Expellas naturam furca. Einer ist wie der Andre. Mein theurer Herr von Sacken, sagte nicht ohne Rührung der Advocat, wir kennen uns nun durch vier <TEI> <text> <body> <div n="3"> <p><pb facs="#f0035"/> meine Braut; klug wie das ganze Geschlecht, das seine genauen Berechnungen, wo Vortheil zu erwarten ist, und wo nicht, geschickt in die Maske von Gefühl oder Gleichgültigkeit zu kleiden weiß. Ihre Tochter, mein theurer Behrend, hat dies selbe Erbtheil der Elternmutter Eva. Machen Sie sich im Voraus darauf gefaßt, oder freuen Sie sich vielmehr. Diese klugen Geschöpfe begehen keinen dummen Streich, der die Speculationen ihrer vorsichtigen Eltern zu Schanden macht.</p><lb/> <p>Speculire ich etwa, mein Herr von Sacken?</p><lb/> <p>Machen Sie eine Ausnahme von dem Menschengeschlecht? — Vielleicht bilden Sie sich ein, mich zu lieben, Sie lieben mich auch wohl, so weit Sie es vermögen, ich bin Ihnen werth; Sie meinen meiner Eigenschaften wegen, im Grunde genommen aber ist es, weil ich Ihnen regelmäßig eine hohe Miethe bezahlt, die Ihnen schwerlich ein anderer Student giebt. Ich habe auch manche Geschenke in Ihrem Hause gemacht. Nun ist es Ihnen unangenehm, daß das aufhört; allein die Aussicht, daß ich Ihre Wohnung, Ihren Tisch in meinem Vaterland empfehle, daß ich Ihnen einen noch reichern Landsmann zusende, auch vielleicht, wie es Sitte ist, ein hübsches Angedenken, tröstet Sie doch, wenn Sie es sich auch selbst nicht gestehen. — Keine Worte, keine Worte, mein Freund. Expellas naturam furca. Einer ist wie der Andre.</p><lb/> <p>Mein theurer Herr von Sacken, sagte nicht ohne Rührung der Advocat, wir kennen uns nun durch vier<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0035]
meine Braut; klug wie das ganze Geschlecht, das seine genauen Berechnungen, wo Vortheil zu erwarten ist, und wo nicht, geschickt in die Maske von Gefühl oder Gleichgültigkeit zu kleiden weiß. Ihre Tochter, mein theurer Behrend, hat dies selbe Erbtheil der Elternmutter Eva. Machen Sie sich im Voraus darauf gefaßt, oder freuen Sie sich vielmehr. Diese klugen Geschöpfe begehen keinen dummen Streich, der die Speculationen ihrer vorsichtigen Eltern zu Schanden macht.
Speculire ich etwa, mein Herr von Sacken?
Machen Sie eine Ausnahme von dem Menschengeschlecht? — Vielleicht bilden Sie sich ein, mich zu lieben, Sie lieben mich auch wohl, so weit Sie es vermögen, ich bin Ihnen werth; Sie meinen meiner Eigenschaften wegen, im Grunde genommen aber ist es, weil ich Ihnen regelmäßig eine hohe Miethe bezahlt, die Ihnen schwerlich ein anderer Student giebt. Ich habe auch manche Geschenke in Ihrem Hause gemacht. Nun ist es Ihnen unangenehm, daß das aufhört; allein die Aussicht, daß ich Ihre Wohnung, Ihren Tisch in meinem Vaterland empfehle, daß ich Ihnen einen noch reichern Landsmann zusende, auch vielleicht, wie es Sitte ist, ein hübsches Angedenken, tröstet Sie doch, wenn Sie es sich auch selbst nicht gestehen. — Keine Worte, keine Worte, mein Freund. Expellas naturam furca. Einer ist wie der Andre.
Mein theurer Herr von Sacken, sagte nicht ohne Rührung der Advocat, wir kennen uns nun durch vier
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Zitationshilfe: | Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910/35>, abgerufen am 16.07.2024. |