Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Benigna lachte: Ach, Onkel Sacken, was bist du doch närrisch! lernst du denn das dumme Zeug aus den Büchern? Vater redet auch bisweilen so, daß Onkel Lauson meint, er spreche es nicht aus sich, sondern aus den Büchern; aber du sprichst doch noch viel häßlicher. Mutter sagt, wenn du zu deiner Braut auch so wärst, wie zu allen andern Menschen, so begriffe sie nicht, warum sie's mit dir aushielte. Sie hätte dir schon längst den Valetbrief schreiben sollen. Wer weiß, meine kluge Benigna, ob deine Namensschwester es nicht wirklich thut. Vielleicht liegt er schon geschrieben, und sie wartet nur auf den Augenblick, wo er mich recht schmerzt. Liebt sie dich denn nicht? fragte das Kind. Mich liebt Niemand. Warum ist sie denn aber deine Braut? Weil ihre Eltern es wollen, weil kein Besserer kam, weil sie arm ist, und ich reich bin. Pfui! Herr von Sacken, sagte der eintretende Behrend. Was freut es Sie, dem Kinde irrige Vorstellungen von Ihrer Braut beizubringen? Schämen Sie sich nicht der Lüge vor sich und der Verleumdung des hochverehrungswürdigen Fräuleins? Theilten Sie mir nicht so viel Vortreffliches von ihrem Charakter mit, ließen Sie mich nicht selbst aus ihren Briefen lesen, damit ich Ihre Freude über den klaren Geist des klugen Mädchens theile? Ja, sie ist klug, entgegnete Sacken, darum ist sie Benigna lachte: Ach, Onkel Sacken, was bist du doch närrisch! lernst du denn das dumme Zeug aus den Büchern? Vater redet auch bisweilen so, daß Onkel Lauson meint, er spreche es nicht aus sich, sondern aus den Büchern; aber du sprichst doch noch viel häßlicher. Mutter sagt, wenn du zu deiner Braut auch so wärst, wie zu allen andern Menschen, so begriffe sie nicht, warum sie's mit dir aushielte. Sie hätte dir schon längst den Valetbrief schreiben sollen. Wer weiß, meine kluge Benigna, ob deine Namensschwester es nicht wirklich thut. Vielleicht liegt er schon geschrieben, und sie wartet nur auf den Augenblick, wo er mich recht schmerzt. Liebt sie dich denn nicht? fragte das Kind. Mich liebt Niemand. Warum ist sie denn aber deine Braut? Weil ihre Eltern es wollen, weil kein Besserer kam, weil sie arm ist, und ich reich bin. Pfui! Herr von Sacken, sagte der eintretende Behrend. Was freut es Sie, dem Kinde irrige Vorstellungen von Ihrer Braut beizubringen? Schämen Sie sich nicht der Lüge vor sich und der Verleumdung des hochverehrungswürdigen Fräuleins? Theilten Sie mir nicht so viel Vortreffliches von ihrem Charakter mit, ließen Sie mich nicht selbst aus ihren Briefen lesen, damit ich Ihre Freude über den klaren Geist des klugen Mädchens theile? Ja, sie ist klug, entgegnete Sacken, darum ist sie <TEI> <text> <body> <div n="3"> <pb facs="#f0034"/> <p>Benigna lachte: Ach, Onkel Sacken, was bist du doch närrisch! lernst du denn das dumme Zeug aus den Büchern? Vater redet auch bisweilen so, daß Onkel Lauson meint, er spreche es nicht aus sich, sondern aus den Büchern; aber du sprichst doch noch viel häßlicher. Mutter sagt, wenn du zu deiner Braut auch so wärst, wie zu allen andern Menschen, so begriffe sie nicht, warum sie's mit dir aushielte. Sie hätte dir schon längst den Valetbrief schreiben sollen.</p><lb/> <p>Wer weiß, meine kluge Benigna, ob deine Namensschwester es nicht wirklich thut. Vielleicht liegt er schon geschrieben, und sie wartet nur auf den Augenblick, wo er mich recht schmerzt.</p><lb/> <p>Liebt sie dich denn nicht? fragte das Kind.</p><lb/> <p>Mich liebt Niemand.</p><lb/> <p>Warum ist sie denn aber deine Braut?</p><lb/> <p>Weil ihre Eltern es wollen, weil kein Besserer kam, weil sie arm ist, und ich reich bin.</p><lb/> <p>Pfui! Herr von Sacken, sagte der eintretende Behrend. Was freut es Sie, dem Kinde irrige Vorstellungen von Ihrer Braut beizubringen? Schämen Sie sich nicht der Lüge vor sich und der Verleumdung des hochverehrungswürdigen Fräuleins? Theilten Sie mir nicht so viel Vortreffliches von ihrem Charakter mit, ließen Sie mich nicht selbst aus ihren Briefen lesen, damit ich Ihre Freude über den klaren Geist des klugen Mädchens theile?</p><lb/> <p>Ja, sie ist klug, entgegnete Sacken, darum ist sie<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0034]
Benigna lachte: Ach, Onkel Sacken, was bist du doch närrisch! lernst du denn das dumme Zeug aus den Büchern? Vater redet auch bisweilen so, daß Onkel Lauson meint, er spreche es nicht aus sich, sondern aus den Büchern; aber du sprichst doch noch viel häßlicher. Mutter sagt, wenn du zu deiner Braut auch so wärst, wie zu allen andern Menschen, so begriffe sie nicht, warum sie's mit dir aushielte. Sie hätte dir schon längst den Valetbrief schreiben sollen.
Wer weiß, meine kluge Benigna, ob deine Namensschwester es nicht wirklich thut. Vielleicht liegt er schon geschrieben, und sie wartet nur auf den Augenblick, wo er mich recht schmerzt.
Liebt sie dich denn nicht? fragte das Kind.
Mich liebt Niemand.
Warum ist sie denn aber deine Braut?
Weil ihre Eltern es wollen, weil kein Besserer kam, weil sie arm ist, und ich reich bin.
Pfui! Herr von Sacken, sagte der eintretende Behrend. Was freut es Sie, dem Kinde irrige Vorstellungen von Ihrer Braut beizubringen? Schämen Sie sich nicht der Lüge vor sich und der Verleumdung des hochverehrungswürdigen Fräuleins? Theilten Sie mir nicht so viel Vortreffliches von ihrem Charakter mit, ließen Sie mich nicht selbst aus ihren Briefen lesen, damit ich Ihre Freude über den klaren Geist des klugen Mädchens theile?
Ja, sie ist klug, entgegnete Sacken, darum ist sie
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Zitationshilfe: | Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910/34>, abgerufen am 16.02.2025. |