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Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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klang ihm so bekannt. Er rief hinaus. Keine Antwort, kein Zeichen; die Pferde stampften und wieherten nicht. Hatte man ihn abermals verlassen? Hier waren keine Wölfe, keine Einöde. Eine lustige Instrumentalmusik präludirte. Er rüttelte an der Thür; sie ging auf. Er sprang hinaus. Weder Rosse, Kutscher noch Wächter waren zu sehen. Das Fuhrwerk stand in einem kleinen Birkenbusch, den er kennen mußte. Schnell wandte er sich um. Das Portal mit den hölzernen Stufen kannte er auch. Es war sein Landhaus. Dort die Hecke, hinter der er lauschend vor einem Jahre stand, bis sie ihn in den Busch lockten. Er rieb die Augen. Es war keine Täuschung, die helle, klare Julisonne neigte sich über den Spitzen des Föhrenwaldes. Er schlich vorsichtig ans Thor. Jubel und Musik. Der Neugeborne lebe hoch! schallte ein munterer Chor, Gläserklang, Trompeten. Eine andere Stimme brachte eine andere Gesundheit aus: Unser guter Oheim Theosophus Sacken, daß es ihm wohlgehe und er bald heimkehre!

Nun hielt er sich nicht länger. Er stand im Saale, wo der Kindtaufschmaus ungefähr dieselben Gäste versammelt hatte, welche ein Jahr zuvor bei der Hochzeit waren, Vettern aller Art, Lauson, Behrend, seine Tochter Benigna, eine blasse junge Mutter. Nur an ihrer Seite saß ein anderer, stolzer Gast, dessen Gegenwart den Eintretenden zurückgetrieben hätte, wenn es sich noch thun lassen -- der Herzog. Doch grade Dieser hatte ihn ins Auge gefaßt, die kugelrunden Glasaugen hatten

klang ihm so bekannt. Er rief hinaus. Keine Antwort, kein Zeichen; die Pferde stampften und wieherten nicht. Hatte man ihn abermals verlassen? Hier waren keine Wölfe, keine Einöde. Eine lustige Instrumentalmusik präludirte. Er rüttelte an der Thür; sie ging auf. Er sprang hinaus. Weder Rosse, Kutscher noch Wächter waren zu sehen. Das Fuhrwerk stand in einem kleinen Birkenbusch, den er kennen mußte. Schnell wandte er sich um. Das Portal mit den hölzernen Stufen kannte er auch. Es war sein Landhaus. Dort die Hecke, hinter der er lauschend vor einem Jahre stand, bis sie ihn in den Busch lockten. Er rieb die Augen. Es war keine Täuschung, die helle, klare Julisonne neigte sich über den Spitzen des Föhrenwaldes. Er schlich vorsichtig ans Thor. Jubel und Musik. Der Neugeborne lebe hoch! schallte ein munterer Chor, Gläserklang, Trompeten. Eine andere Stimme brachte eine andere Gesundheit aus: Unser guter Oheim Theosophus Sacken, daß es ihm wohlgehe und er bald heimkehre!

Nun hielt er sich nicht länger. Er stand im Saale, wo der Kindtaufschmaus ungefähr dieselben Gäste versammelt hatte, welche ein Jahr zuvor bei der Hochzeit waren, Vettern aller Art, Lauson, Behrend, seine Tochter Benigna, eine blasse junge Mutter. Nur an ihrer Seite saß ein anderer, stolzer Gast, dessen Gegenwart den Eintretenden zurückgetrieben hätte, wenn es sich noch thun lassen — der Herzog. Doch grade Dieser hatte ihn ins Auge gefaßt, die kugelrunden Glasaugen hatten

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[0103] klang ihm so bekannt. Er rief hinaus. Keine Antwort, kein Zeichen; die Pferde stampften und wieherten nicht. Hatte man ihn abermals verlassen? Hier waren keine Wölfe, keine Einöde. Eine lustige Instrumentalmusik präludirte. Er rüttelte an der Thür; sie ging auf. Er sprang hinaus. Weder Rosse, Kutscher noch Wächter waren zu sehen. Das Fuhrwerk stand in einem kleinen Birkenbusch, den er kennen mußte. Schnell wandte er sich um. Das Portal mit den hölzernen Stufen kannte er auch. Es war sein Landhaus. Dort die Hecke, hinter der er lauschend vor einem Jahre stand, bis sie ihn in den Busch lockten. Er rieb die Augen. Es war keine Täuschung, die helle, klare Julisonne neigte sich über den Spitzen des Föhrenwaldes. Er schlich vorsichtig ans Thor. Jubel und Musik. Der Neugeborne lebe hoch! schallte ein munterer Chor, Gläserklang, Trompeten. Eine andere Stimme brachte eine andere Gesundheit aus: Unser guter Oheim Theosophus Sacken, daß es ihm wohlgehe und er bald heimkehre! Nun hielt er sich nicht länger. Er stand im Saale, wo der Kindtaufschmaus ungefähr dieselben Gäste versammelt hatte, welche ein Jahr zuvor bei der Hochzeit waren, Vettern aller Art, Lauson, Behrend, seine Tochter Benigna, eine blasse junge Mutter. Nur an ihrer Seite saß ein anderer, stolzer Gast, dessen Gegenwart den Eintretenden zurückgetrieben hätte, wenn es sich noch thun lassen — der Herzog. Doch grade Dieser hatte ihn ins Auge gefaßt, die kugelrunden Glasaugen hatten

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T12:11:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T12:11:53Z)

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910/103>, abgerufen am 02.05.2024.