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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

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lich der Polizei und den Husaren, und als er vor
dem Hause der Madame Braunbiegler hielt, war
nichts Gefährliches passirt, als daß eine Scheibe im
Kutschenschlage -- wahrscheinlich durch einen zufälligen
Ellenbogenstoß -- entzwei gegangen war. Auch hatte
sich seltsamer Weise ein Fußgänger, nach einer Ver¬
ständigung mit dem Kutscher, zu ihm auf den Bock
gesetzt. Dieser war, schneller als der Kutscher herab¬
gesprungen, bereits verschwunden, als letzterer sich
langsam heruntermachte, um, in Ermangelung eines
Bedienten, den Wagen zu öffnen. Ehe das geschah,
hatte sich aber die Wagenthür gegenüber schon von
selbst geöffnet und der Rittmeister war nach einem
langen, zärtlichen Kuß auf die Hand der Baronin
entschlüpft.

Die Eitelbach war nie so langsam als heute
die Treppe zu einer Gesellschaft hinaufgestiegen. Auch
im Vorzimmer hatte sie noch so viel mit ihrer Toi¬
lette zu thun. Ein Glück, daß die große Gesellschaft,
welche sich noch spät bei der Braunbiegler versam¬
melt, mit andern Dingen beschäftigt war, um auf
ihre Verlegenheit Acht geben zu können. Diese Ver¬
legenheit hätte sich eigentlich noch um ein Bedeuten¬
des steigern müssen, als die Wirthin ihr mit dem
Bedauern entgegen kam, daß sie ihre Hand an der
Fensterscheibe verwundet habe, sie hoffe, es werde
doch nicht üble Folgen haben. Die Wirthin hatte
nicht Zeit, ihr Erröthen zu bemerken, sie hatte über¬
haupt in dem Gewirr nicht Zeit für einen einzelnen

lich der Polizei und den Huſaren, und als er vor
dem Hauſe der Madame Braunbiegler hielt, war
nichts Gefährliches paſſirt, als daß eine Scheibe im
Kutſchenſchlage — wahrſcheinlich durch einen zufälligen
Ellenbogenſtoß — entzwei gegangen war. Auch hatte
ſich ſeltſamer Weiſe ein Fußgänger, nach einer Ver¬
ſtändigung mit dem Kutſcher, zu ihm auf den Bock
geſetzt. Dieſer war, ſchneller als der Kutſcher herab¬
geſprungen, bereits verſchwunden, als letzterer ſich
langſam heruntermachte, um, in Ermangelung eines
Bedienten, den Wagen zu öffnen. Ehe das geſchah,
hatte ſich aber die Wagenthür gegenüber ſchon von
ſelbſt geöffnet und der Rittmeiſter war nach einem
langen, zärtlichen Kuß auf die Hand der Baronin
entſchlüpft.

Die Eitelbach war nie ſo langſam als heute
die Treppe zu einer Geſellſchaft hinaufgeſtiegen. Auch
im Vorzimmer hatte ſie noch ſo viel mit ihrer Toi¬
lette zu thun. Ein Glück, daß die große Geſellſchaft,
welche ſich noch ſpät bei der Braunbiegler verſam¬
melt, mit andern Dingen beſchäftigt war, um auf
ihre Verlegenheit Acht geben zu können. Dieſe Ver¬
legenheit hätte ſich eigentlich noch um ein Bedeuten¬
des ſteigern müſſen, als die Wirthin ihr mit dem
Bedauern entgegen kam, daß ſie ihre Hand an der
Fenſterſcheibe verwundet habe, ſie hoffe, es werde
doch nicht üble Folgen haben. Die Wirthin hatte
nicht Zeit, ihr Erröthen zu bemerken, ſie hatte über¬
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[63/0073] lich der Polizei und den Huſaren, und als er vor dem Hauſe der Madame Braunbiegler hielt, war nichts Gefährliches paſſirt, als daß eine Scheibe im Kutſchenſchlage — wahrſcheinlich durch einen zufälligen Ellenbogenſtoß — entzwei gegangen war. Auch hatte ſich ſeltſamer Weiſe ein Fußgänger, nach einer Ver¬ ſtändigung mit dem Kutſcher, zu ihm auf den Bock geſetzt. Dieſer war, ſchneller als der Kutſcher herab¬ geſprungen, bereits verſchwunden, als letzterer ſich langſam heruntermachte, um, in Ermangelung eines Bedienten, den Wagen zu öffnen. Ehe das geſchah, hatte ſich aber die Wagenthür gegenüber ſchon von ſelbſt geöffnet und der Rittmeiſter war nach einem langen, zärtlichen Kuß auf die Hand der Baronin entſchlüpft. Die Eitelbach war nie ſo langſam als heute die Treppe zu einer Geſellſchaft hinaufgeſtiegen. Auch im Vorzimmer hatte ſie noch ſo viel mit ihrer Toi¬ lette zu thun. Ein Glück, daß die große Geſellſchaft, welche ſich noch ſpät bei der Braunbiegler verſam¬ melt, mit andern Dingen beſchäftigt war, um auf ihre Verlegenheit Acht geben zu können. Dieſe Ver¬ legenheit hätte ſich eigentlich noch um ein Bedeuten¬ des ſteigern müſſen, als die Wirthin ihr mit dem Bedauern entgegen kam, daß ſie ihre Hand an der Fenſterſcheibe verwundet habe, ſie hoffe, es werde doch nicht üble Folgen haben. Die Wirthin hatte nicht Zeit, ihr Erröthen zu bemerken, ſie hatte über¬ haupt in dem Gewirr nicht Zeit für einen einzelnen

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/73>, abgerufen am 01.05.2024.