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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

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eine Stimme. Nur etwas zu ernst! Aber die Hold¬
seligkeit der Königin hatte ihr auch davon angehaucht.
Welche naive, frappante Antworten sie gegeben! Wie
hatte sie den jungen Prinzen August auf eine etwas
kecke Frage anlaufen lassen! Aber wie hatte der
ältere Bruder, Prinz Louis, sich benommen?-- Eine
solche spirituelle Schönheit mußte doch auf den galan¬
testen Ritter wirken. -- Er war an ihr vorüber ge¬
gangen. -- Unmöglich! hieß es; aber Viele versicherten
es. Der unglückliche Prinz sieht jetzt nur Gespenster!
Die Aussicht auf den Krieg schüttelt in ihm wie ein
kaltes Fieber. -- Aber nein, er war zurückgekehrt, er
hatte mit ihr Worte gewechselt. Es klang unglaublich,
was der Lauscher gehört. Er hatte sie wehmüthig
angeblickt, wie Hamlet Ophelien: "Was wollen Sie
in dieser Atmosphäre? Die ist nur für kranke Seelen.
-- Und sie, was hatte sie geantwortet? "Gnädigster Herr,
ich meinte, wer gesund ist, bringe Lebenslust in
jede Atmosphäre mit." -- Unbegreiflich fanden es
Viele -- ein simples Bürgermädchen, die Tochter von
dem alten Geheimrath Alltag! Er wird wohl nun
geadelt werden, meinten Einige. Andre schüttelten
schlau den Kopf: Wer weiß denn, ob er ihr Vater
ist! Eine Dame fand in Adelheids Gesicht Züge, die
an den vorigen König erinnerten.

Als der Kammerherr von St. Real der Fürstin
Gargazin in einem entfernten Zimmer die erste Nach¬
richt mit den Worten hinterbracht: "Sa fortune est
faite!"
hatte sie lächelnd geantwortet: "Wissen Sie

eine Stimme. Nur etwas zu ernſt! Aber die Hold¬
ſeligkeit der Königin hatte ihr auch davon angehaucht.
Welche naive, frappante Antworten ſie gegeben! Wie
hatte ſie den jungen Prinzen Auguſt auf eine etwas
kecke Frage anlaufen laſſen! Aber wie hatte der
ältere Bruder, Prinz Louis, ſich benommen?— Eine
ſolche ſpirituelle Schönheit mußte doch auf den galan¬
teſten Ritter wirken. — Er war an ihr vorüber ge¬
gangen. — Unmöglich! hieß es; aber Viele verſicherten
es. Der unglückliche Prinz ſieht jetzt nur Geſpenſter!
Die Ausſicht auf den Krieg ſchüttelt in ihm wie ein
kaltes Fieber. — Aber nein, er war zurückgekehrt, er
hatte mit ihr Worte gewechſelt. Es klang unglaublich,
was der Lauſcher gehört. Er hatte ſie wehmüthig
angeblickt, wie Hamlet Ophelien: „Was wollen Sie
in dieſer Atmoſphäre? Die iſt nur für kranke Seelen.
— Und ſie, was hatte ſie geantwortet? „Gnädigſter Herr,
ich meinte, wer geſund iſt, bringe Lebensluſt in
jede Atmoſphäre mit.“ — Unbegreiflich fanden es
Viele — ein ſimples Bürgermädchen, die Tochter von
dem alten Geheimrath Alltag! Er wird wohl nun
geadelt werden, meinten Einige. Andre ſchüttelten
ſchlau den Kopf: Wer weiß denn, ob er ihr Vater
iſt! Eine Dame fand in Adelheids Geſicht Züge, die
an den vorigen König erinnerten.

Als der Kammerherr von St. Real der Fürſtin
Gargazin in einem entfernten Zimmer die erſte Nach¬
richt mit den Worten hinterbracht: „Sa fortune est
faite!“
hatte ſie lächelnd geantwortet: „Wiſſen Sie

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[37/0047] eine Stimme. Nur etwas zu ernſt! Aber die Hold¬ ſeligkeit der Königin hatte ihr auch davon angehaucht. Welche naive, frappante Antworten ſie gegeben! Wie hatte ſie den jungen Prinzen Auguſt auf eine etwas kecke Frage anlaufen laſſen! Aber wie hatte der ältere Bruder, Prinz Louis, ſich benommen?— Eine ſolche ſpirituelle Schönheit mußte doch auf den galan¬ teſten Ritter wirken. — Er war an ihr vorüber ge¬ gangen. — Unmöglich! hieß es; aber Viele verſicherten es. Der unglückliche Prinz ſieht jetzt nur Geſpenſter! Die Ausſicht auf den Krieg ſchüttelt in ihm wie ein kaltes Fieber. — Aber nein, er war zurückgekehrt, er hatte mit ihr Worte gewechſelt. Es klang unglaublich, was der Lauſcher gehört. Er hatte ſie wehmüthig angeblickt, wie Hamlet Ophelien: „Was wollen Sie in dieſer Atmoſphäre? Die iſt nur für kranke Seelen. — Und ſie, was hatte ſie geantwortet? „Gnädigſter Herr, ich meinte, wer geſund iſt, bringe Lebensluſt in jede Atmoſphäre mit.“ — Unbegreiflich fanden es Viele — ein ſimples Bürgermädchen, die Tochter von dem alten Geheimrath Alltag! Er wird wohl nun geadelt werden, meinten Einige. Andre ſchüttelten ſchlau den Kopf: Wer weiß denn, ob er ihr Vater iſt! Eine Dame fand in Adelheids Geſicht Züge, die an den vorigen König erinnerten. Als der Kammerherr von St. Real der Fürſtin Gargazin in einem entfernten Zimmer die erſte Nach¬ richt mit den Worten hinterbracht: „Sa fortune est faite!“ hatte ſie lächelnd geantwortet: „Wiſſen Sie

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/47>, abgerufen am 25.04.2024.