Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

setzte der Geheimrath mit tiefer Verbeugung hinzu: "Ma¬
jestät, nur wegen der allgemeinen Calamität!"

Ob die Königin in ihren Schmerzen gelächelt,
ob sie wirklich eine Bewegung mit der Hand gemacht,
die für eine Segnung gelten konnte? Sie hatte sich
schnell wieder in die Kutsche zurückgelehnt. Alles
war das Werk des Augenblicks.

Walter zückte plötzlich auf. Der Brautzug trennte
ihn noch von jener Wagenreihe; aber er sah eine
weibliche Gestalt in Trauer sich aus der dritten Kutsche
hinauslehnen und dem alten Alltag einen Scheide¬
kuß geben. Es war Adelheid. Ihre Augen trafen
sich. "Eine junge Wittwe, die Frau von Bovillard,"
sagte Jemand neben ihm. Der Wagen rollte den
andern nach. Adelheid sah noch einmal hinaus und
winkte mit dem Tuche, er wußte nicht, ob ihm, oder
ihrem Vater. Durch die Pappeln schwirrte ein Luft¬
zug; ihm war es, als säusele er: Auf Wiedersehn!

"Rebutant! sagte die Gräfin Voß, als die könig¬
lichen Wagen außer dem Thore waren. Daß Ihro
Majestät zuletzt ein solcher ridiculer Auftritt in Dero
Residenz begegnen mußte. Man sieht, es ist mit aller
Ordnung und Dehors dort aus."

Man mußte Zeit gehabt haben, vielleicht um sie
zu zerstreuen, die Fürstin von den Verhältnissen zu
unterrichten. Auch hatte man sie aufmerksam gemacht, daß
der alte wohlbekannte Kaufmann van Asten lächelnd an
der Straße gestanden: "Er hätte doch wenigstens in
solchem Augenblick seine Freude verbergen müssen."

ſetzte der Geheimrath mit tiefer Verbeugung hinzu: „Ma¬
jeſtät, nur wegen der allgemeinen Calamität!“

Ob die Königin in ihren Schmerzen gelächelt,
ob ſie wirklich eine Bewegung mit der Hand gemacht,
die für eine Segnung gelten konnte? Sie hatte ſich
ſchnell wieder in die Kutſche zurückgelehnt. Alles
war das Werk des Augenblicks.

Walter zückte plötzlich auf. Der Brautzug trennte
ihn noch von jener Wagenreihe; aber er ſah eine
weibliche Geſtalt in Trauer ſich aus der dritten Kutſche
hinauslehnen und dem alten Alltag einen Scheide¬
kuß geben. Es war Adelheid. Ihre Augen trafen
ſich. „Eine junge Wittwe, die Frau von Bovillard,“
ſagte Jemand neben ihm. Der Wagen rollte den
andern nach. Adelheid ſah noch einmal hinaus und
winkte mit dem Tuche, er wußte nicht, ob ihm, oder
ihrem Vater. Durch die Pappeln ſchwirrte ein Luft¬
zug; ihm war es, als ſäuſele er: Auf Wiederſehn!

„Rebutant! ſagte die Gräfin Voß, als die könig¬
lichen Wagen außer dem Thore waren. Daß Ihro
Majeſtät zuletzt ein ſolcher ridiculer Auftritt in Dero
Reſidenz begegnen mußte. Man ſieht, es iſt mit aller
Ordnung und Dehors dort aus.“

Man mußte Zeit gehabt haben, vielleicht um ſie
zu zerſtreuen, die Fürſtin von den Verhältniſſen zu
unterrichten. Auch hatte man ſie aufmerkſam gemacht, daß
der alte wohlbekannte Kaufmann van Aſten lächelnd an
der Straße geſtanden: „Er hätte doch wenigſtens in
ſolchem Augenblick ſeine Freude verbergen müſſen.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0393" n="383"/>
&#x017F;etzte der Geheimrath mit tiefer Verbeugung hinzu: &#x201E;Ma¬<lb/>
je&#x017F;tät, nur wegen der allgemeinen Calamität!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Ob die Königin in ihren Schmerzen gelächelt,<lb/>
ob &#x017F;ie wirklich eine Bewegung mit der Hand gemacht,<lb/>
die für eine Segnung gelten konnte? Sie hatte &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;chnell wieder in die Kut&#x017F;che zurückgelehnt. Alles<lb/>
war das Werk des Augenblicks.</p><lb/>
        <p>Walter zückte plötzlich auf. Der Brautzug trennte<lb/>
ihn noch von jener Wagenreihe; aber er &#x017F;ah eine<lb/>
weibliche Ge&#x017F;talt in Trauer &#x017F;ich aus der dritten Kut&#x017F;che<lb/>
hinauslehnen und dem alten Alltag einen Scheide¬<lb/>
kuß geben. Es war Adelheid. Ihre Augen trafen<lb/>
&#x017F;ich. &#x201E;Eine junge Wittwe, die Frau von Bovillard,&#x201C;<lb/>
&#x017F;agte Jemand neben ihm. Der Wagen rollte den<lb/>
andern nach. Adelheid &#x017F;ah noch einmal hinaus und<lb/>
winkte mit dem Tuche, er wußte nicht, ob ihm, oder<lb/>
ihrem Vater. Durch die Pappeln &#x017F;chwirrte ein Luft¬<lb/>
zug; ihm war es, als &#x017F;äu&#x017F;ele er: Auf Wieder&#x017F;ehn!</p><lb/>
        <p>&#x201E;Rebutant! &#x017F;agte die Gräfin Voß, als die könig¬<lb/>
lichen Wagen außer dem Thore waren. Daß Ihro<lb/>
Maje&#x017F;tät zuletzt ein &#x017F;olcher ridiculer Auftritt in Dero<lb/>
Re&#x017F;idenz begegnen mußte. Man &#x017F;ieht, es i&#x017F;t mit aller<lb/>
Ordnung und Dehors dort aus.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Man mußte Zeit gehabt haben, vielleicht um &#x017F;ie<lb/>
zu zer&#x017F;treuen, die Für&#x017F;tin von den Verhältni&#x017F;&#x017F;en zu<lb/>
unterrichten. Auch hatte man &#x017F;ie aufmerk&#x017F;am gemacht, daß<lb/>
der alte wohlbekannte Kaufmann van A&#x017F;ten lächelnd an<lb/>
der Straße ge&#x017F;tanden: &#x201E;Er hätte doch wenig&#x017F;tens in<lb/>
&#x017F;olchem Augenblick &#x017F;eine Freude verbergen mü&#x017F;&#x017F;en.&#x201C;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[383/0393] ſetzte der Geheimrath mit tiefer Verbeugung hinzu: „Ma¬ jeſtät, nur wegen der allgemeinen Calamität!“ Ob die Königin in ihren Schmerzen gelächelt, ob ſie wirklich eine Bewegung mit der Hand gemacht, die für eine Segnung gelten konnte? Sie hatte ſich ſchnell wieder in die Kutſche zurückgelehnt. Alles war das Werk des Augenblicks. Walter zückte plötzlich auf. Der Brautzug trennte ihn noch von jener Wagenreihe; aber er ſah eine weibliche Geſtalt in Trauer ſich aus der dritten Kutſche hinauslehnen und dem alten Alltag einen Scheide¬ kuß geben. Es war Adelheid. Ihre Augen trafen ſich. „Eine junge Wittwe, die Frau von Bovillard,“ ſagte Jemand neben ihm. Der Wagen rollte den andern nach. Adelheid ſah noch einmal hinaus und winkte mit dem Tuche, er wußte nicht, ob ihm, oder ihrem Vater. Durch die Pappeln ſchwirrte ein Luft¬ zug; ihm war es, als ſäuſele er: Auf Wiederſehn! „Rebutant! ſagte die Gräfin Voß, als die könig¬ lichen Wagen außer dem Thore waren. Daß Ihro Majeſtät zuletzt ein ſolcher ridiculer Auftritt in Dero Reſidenz begegnen mußte. Man ſieht, es iſt mit aller Ordnung und Dehors dort aus.“ Man mußte Zeit gehabt haben, vielleicht um ſie zu zerſtreuen, die Fürſtin von den Verhältniſſen zu unterrichten. Auch hatte man ſie aufmerkſam gemacht, daß der alte wohlbekannte Kaufmann van Aſten lächelnd an der Straße geſtanden: „Er hätte doch wenigſtens in ſolchem Augenblick ſeine Freude verbergen müſſen.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/393
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/393>, abgerufen am 24.11.2024.