Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

hast Recht, ich muß ja jetzt auch romantisch sein, auf
jeden Fall aber bleibe -- ein Patriot!"

"Platz!" rief es, der Hochzeitzug bewegte sich
fort. Aber als der Geheimrath Lupinus mit der ihm
eben angetrauten Frau Geheimräthin nach dem Lust¬
garten schritt, rief es wieder: "Platz! Ihre Majestät
die Königin!" Der Zug stiebte auseinander, als
der Wagen sich langsam Platz machte. Charlotte
hatte in der Kirche viel geweint vor Gemüthsbewegung,
und sie hatte Gründe: der Tod ihres Wachtmeisters,
die unverhoffte Ehre, zu der er ihr endlich verhalf,
und der Verdruß, daß sie keine Kutschen und Pferde
erhalten können. Die waren alle requirirt zum Trans¬
port und für die Fliehenden. Ein Brautzug zu Fuß
hatte ihr eine Entwürdigung der Ehe gedünkt. Was
aber war das gegen ihr Gefühl, ihre Bestürzung,
nein, es war ein Donnerschlag, als man ihr auf die
Schulter stieß: "Zurück! die Königin!" Die Königin
hatte halten und warten müssen um Charlotten! --
Sie sah das holdselige Gesicht der Königin, das ver¬
wundert über das Unerwartete zum Kutschenschlage
herausblickte. Da war's um sie geschehn; es war zu
viel. In ihrem Brautanzuge, der sehr kostbar war,
aber doch vielleicht aus der Garderobe der seligen Frau
Geheimräthin, war sie auf die Knie gestürzt, das schwere
bauschigte Damastkleid im Gemüll der Straße! "Gnade,
allerdurchlauchtigste Königin, aber ich kann nicht dafür.
Er hat mich geheirathet." Als die Königin, die vielleicht
ein Bittgesuch vermuthete, den Kopf weiter vorbeugte,

haſt Recht, ich muß ja jetzt auch romantiſch ſein, auf
jeden Fall aber bleibe — ein Patriot!“

„Platz!“ rief es, der Hochzeitzug bewegte ſich
fort. Aber als der Geheimrath Lupinus mit der ihm
eben angetrauten Frau Geheimräthin nach dem Luſt¬
garten ſchritt, rief es wieder: „Platz! Ihre Majeſtät
die Königin!“ Der Zug ſtiebte auseinander, als
der Wagen ſich langſam Platz machte. Charlotte
hatte in der Kirche viel geweint vor Gemüthsbewegung,
und ſie hatte Gründe: der Tod ihres Wachtmeiſters,
die unverhoffte Ehre, zu der er ihr endlich verhalf,
und der Verdruß, daß ſie keine Kutſchen und Pferde
erhalten können. Die waren alle requirirt zum Trans¬
port und für die Fliehenden. Ein Brautzug zu Fuß
hatte ihr eine Entwürdigung der Ehe gedünkt. Was
aber war das gegen ihr Gefühl, ihre Beſtürzung,
nein, es war ein Donnerſchlag, als man ihr auf die
Schulter ſtieß: „Zurück! die Königin!“ Die Königin
hatte halten und warten müſſen um Charlotten! —
Sie ſah das holdſelige Geſicht der Königin, das ver¬
wundert über das Unerwartete zum Kutſchenſchlage
herausblickte. Da war's um ſie geſchehn; es war zu
viel. In ihrem Brautanzuge, der ſehr koſtbar war,
aber doch vielleicht aus der Garderobe der ſeligen Frau
Geheimräthin, war ſie auf die Knie geſtürzt, das ſchwere
bauſchigte Damaſtkleid im Gemüll der Straße! „Gnade,
allerdurchlauchtigſte Königin, aber ich kann nicht dafür.
Er hat mich geheirathet.“ Als die Königin, die vielleicht
ein Bittgeſuch vermuthete, den Kopf weiter vorbeugte,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0392" n="382"/>
ha&#x017F;t Recht, ich muß ja jetzt auch romanti&#x017F;ch &#x017F;ein, auf<lb/>
jeden Fall aber bleibe &#x2014; ein Patriot!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Platz!&#x201C; rief es, der Hochzeitzug bewegte &#x017F;ich<lb/>
fort. Aber als der Geheimrath Lupinus mit der ihm<lb/>
eben angetrauten Frau Geheimräthin nach dem Lu&#x017F;<lb/>
garten &#x017F;chritt, rief es wieder: &#x201E;Platz! Ihre Maje&#x017F;tät<lb/>
die Königin!&#x201C; Der Zug &#x017F;tiebte auseinander, als<lb/>
der Wagen &#x017F;ich lang&#x017F;am Platz machte. Charlotte<lb/>
hatte in der Kirche viel geweint vor Gemüthsbewegung,<lb/>
und &#x017F;ie hatte Gründe: der Tod ihres Wachtmei&#x017F;ters,<lb/>
die unverhoffte Ehre, zu der er ihr endlich verhalf,<lb/>
und der Verdruß, daß &#x017F;ie keine Kut&#x017F;chen und Pferde<lb/>
erhalten können. Die waren alle requirirt zum Trans¬<lb/>
port und für die Fliehenden. Ein Brautzug zu Fuß<lb/>
hatte ihr eine Entwürdigung der Ehe gedünkt. Was<lb/>
aber war das gegen ihr Gefühl, ihre Be&#x017F;türzung,<lb/>
nein, es war ein Donner&#x017F;chlag, als man ihr auf die<lb/>
Schulter &#x017F;tieß: &#x201E;Zurück! die Königin!&#x201C; Die Königin<lb/>
hatte halten und warten mü&#x017F;&#x017F;en um Charlotten! &#x2014;<lb/>
Sie &#x017F;ah das hold&#x017F;elige Ge&#x017F;icht der Königin, das ver¬<lb/>
wundert über das Unerwartete zum Kut&#x017F;chen&#x017F;chlage<lb/>
herausblickte. Da war's um &#x017F;ie ge&#x017F;chehn; es war zu<lb/>
viel. In ihrem Brautanzuge, der &#x017F;ehr ko&#x017F;tbar war,<lb/>
aber doch vielleicht aus der Garderobe der &#x017F;eligen Frau<lb/>
Geheimräthin, war &#x017F;ie auf die Knie ge&#x017F;türzt, das &#x017F;chwere<lb/>
bau&#x017F;chigte Dama&#x017F;tkleid im Gemüll der Straße! &#x201E;Gnade,<lb/>
allerdurchlauchtig&#x017F;te Königin, aber ich kann nicht dafür.<lb/>
Er hat mich geheirathet.&#x201C; Als die Königin, die vielleicht<lb/>
ein Bittge&#x017F;uch vermuthete, den Kopf weiter vorbeugte,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[382/0392] haſt Recht, ich muß ja jetzt auch romantiſch ſein, auf jeden Fall aber bleibe — ein Patriot!“ „Platz!“ rief es, der Hochzeitzug bewegte ſich fort. Aber als der Geheimrath Lupinus mit der ihm eben angetrauten Frau Geheimräthin nach dem Luſt¬ garten ſchritt, rief es wieder: „Platz! Ihre Majeſtät die Königin!“ Der Zug ſtiebte auseinander, als der Wagen ſich langſam Platz machte. Charlotte hatte in der Kirche viel geweint vor Gemüthsbewegung, und ſie hatte Gründe: der Tod ihres Wachtmeiſters, die unverhoffte Ehre, zu der er ihr endlich verhalf, und der Verdruß, daß ſie keine Kutſchen und Pferde erhalten können. Die waren alle requirirt zum Trans¬ port und für die Fliehenden. Ein Brautzug zu Fuß hatte ihr eine Entwürdigung der Ehe gedünkt. Was aber war das gegen ihr Gefühl, ihre Beſtürzung, nein, es war ein Donnerſchlag, als man ihr auf die Schulter ſtieß: „Zurück! die Königin!“ Die Königin hatte halten und warten müſſen um Charlotten! — Sie ſah das holdſelige Geſicht der Königin, das ver¬ wundert über das Unerwartete zum Kutſchenſchlage herausblickte. Da war's um ſie geſchehn; es war zu viel. In ihrem Brautanzuge, der ſehr koſtbar war, aber doch vielleicht aus der Garderobe der ſeligen Frau Geheimräthin, war ſie auf die Knie geſtürzt, das ſchwere bauſchigte Damaſtkleid im Gemüll der Straße! „Gnade, allerdurchlauchtigſte Königin, aber ich kann nicht dafür. Er hat mich geheirathet.“ Als die Königin, die vielleicht ein Bittgeſuch vermuthete, den Kopf weiter vorbeugte,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/392
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/392>, abgerufen am 28.11.2024.