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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

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Die Gerichtsdiener waren eingetreten.

"Haben Sie mir nichts mehr zu sagen? Wir
sehn uns wahrscheinlich zum letzten Mal."

"Das würde ich aufrichtig bedauern."

"Nichts der Baronin Eitelbach, deren --"

"Deren Glück ich gemacht, wollen Sie andeuten,
lachte Wandel auf. Wider Willen allerdings, wenn
es wäre! Wenn ihre Wunden und seine Wunden
geheilt, die Trauermonate mit honetten Thränen
anständig verweint sind, wird sie ihn heirathen, und
wenn ich an das Glück dieser geistreichen Ehe denke
-- wahrhaftig, dann wird mein Gefängniß mir noch
einmal so interessant erscheinen."

"Und keinen Wunsch mehr?"

"Nur eine Bitte. Haben Sie die Güte und
empfehlen mich der Frau Geheimräthin Lupinus. Ich
traue ihr zwar zu, daß, wenn sie von dem Evene¬
ment hört, eine kleine Schadenfreude in ihr aufblitzt.
Warum nicht, sie bleibt doch eine charmante Frau.
Wir verstanden uns, es war eine wirkliche Sympa¬
thie. Durch Mauern und Räume getrennt, werden
wir noch miteinander leben, eine platonische Ehe; um
so sicherer, denn unter einem Dach hätte sie mir doch
vielleicht, aus Rache oder Liebe, einen ihrer Tränke
gereicht, die für meinen Geschmack zu stark sind. Es
hat sich so besser gefügt."


Die Kutsche mit dem Gefangenen mußte oft
anhalten. Wagen, schwer rasselnd, unter starker Mi¬

Die Gerichtsdiener waren eingetreten.

„Haben Sie mir nichts mehr zu ſagen? Wir
ſehn uns wahrſcheinlich zum letzten Mal.“

„Das würde ich aufrichtig bedauern.“

„Nichts der Baronin Eitelbach, deren —“

„Deren Glück ich gemacht, wollen Sie andeuten,
lachte Wandel auf. Wider Willen allerdings, wenn
es wäre! Wenn ihre Wunden und ſeine Wunden
geheilt, die Trauermonate mit honetten Thränen
anſtändig verweint ſind, wird ſie ihn heirathen, und
wenn ich an das Glück dieſer geiſtreichen Ehe denke
— wahrhaftig, dann wird mein Gefängniß mir noch
einmal ſo intereſſant erſcheinen.“

„Und keinen Wunſch mehr?“

„Nur eine Bitte. Haben Sie die Güte und
empfehlen mich der Frau Geheimräthin Lupinus. Ich
traue ihr zwar zu, daß, wenn ſie von dem Evene¬
ment hört, eine kleine Schadenfreude in ihr aufblitzt.
Warum nicht, ſie bleibt doch eine charmante Frau.
Wir verſtanden uns, es war eine wirkliche Sympa¬
thie. Durch Mauern und Räume getrennt, werden
wir noch miteinander leben, eine platoniſche Ehe; um
ſo ſicherer, denn unter einem Dach hätte ſie mir doch
vielleicht, aus Rache oder Liebe, einen ihrer Tränke
gereicht, die für meinen Geſchmack zu ſtark ſind. Es
hat ſich ſo beſſer gefügt.“


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[373/0383] Die Gerichtsdiener waren eingetreten. „Haben Sie mir nichts mehr zu ſagen? Wir ſehn uns wahrſcheinlich zum letzten Mal.“ „Das würde ich aufrichtig bedauern.“ „Nichts der Baronin Eitelbach, deren —“ „Deren Glück ich gemacht, wollen Sie andeuten, lachte Wandel auf. Wider Willen allerdings, wenn es wäre! Wenn ihre Wunden und ſeine Wunden geheilt, die Trauermonate mit honetten Thränen anſtändig verweint ſind, wird ſie ihn heirathen, und wenn ich an das Glück dieſer geiſtreichen Ehe denke — wahrhaftig, dann wird mein Gefängniß mir noch einmal ſo intereſſant erſcheinen.“ „Und keinen Wunſch mehr?“ „Nur eine Bitte. Haben Sie die Güte und empfehlen mich der Frau Geheimräthin Lupinus. Ich traue ihr zwar zu, daß, wenn ſie von dem Evene¬ ment hört, eine kleine Schadenfreude in ihr aufblitzt. Warum nicht, ſie bleibt doch eine charmante Frau. Wir verſtanden uns, es war eine wirkliche Sympa¬ thie. Durch Mauern und Räume getrennt, werden wir noch miteinander leben, eine platoniſche Ehe; um ſo ſicherer, denn unter einem Dach hätte ſie mir doch vielleicht, aus Rache oder Liebe, einen ihrer Tränke gereicht, die für meinen Geſchmack zu ſtark ſind. Es hat ſich ſo beſſer gefügt.“ Die Kutſche mit dem Gefangenen mußte oft anhalten. Wagen, ſchwer raſſelnd, unter ſtarker Mi¬

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/383>, abgerufen am 17.05.2024.