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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

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sie hatte ihr Tuch über seine Füße gebreitet und ihr
Gesicht in seinen Schooß gedrückt. Ein Bildhauer
hätte die Figur der Trauer nicht besser dargestellt.
Ihr aufgelöstes Haar wallte um ihren Nacken.

Auch die Anwesenheit dieser Trauernden störte
sie nicht. Sie war jetzt neben ihm niedergekniet und
hatte die kalte Hand erfaßt, die sie an die Lippen
drückte. Sie schien zu beten, als es hinter ihr rauschte;
die Königin legte die Hände sanft auf ihren Scheitel:
"Mein Kind, es trifft jeden sein Theil und Du warst
darauf vorbereitet."

"Wenn er nur noch einmal die Augen aufschlüge!"
athmete sie leise.

"Um meinen Dank in den Himmel mitzuneh¬
men, denn er hat seine Königin gerettet. Ich kann
ihm nicht mehr danken."

"Doch, Königin, sprach Adelheid, sich umwendend.
Gönnen Sie mir die Freiheit, lassen Sie mich hier
zurück. Ich war seine Braut vor Gott und Ihnen,
er darf nicht verlassen sterben. Die Pflege ist zu
spät, aber den letzten Dienst kann ich ihm erzeigen.
Lassen Sie mich ihm die Augen zudrücken."

Da richtete sich das verwilderte Mädchen etwas auf
und starrte die Hinzugekommenen an. Der Traum
der Wahrheit schien durch ihre brechenden Augen zu
dämmern.

Die Gräfin Voß war an die Königin, die zwei¬
felnd dastand, getreten und flüsterte ihr zu: "Wenn
Ihro Majestät das zugeben, ist es absolut unmöglich,

ſie hatte ihr Tuch über ſeine Füße gebreitet und ihr
Geſicht in ſeinen Schooß gedrückt. Ein Bildhauer
hätte die Figur der Trauer nicht beſſer dargeſtellt.
Ihr aufgelöſtes Haar wallte um ihren Nacken.

Auch die Anweſenheit dieſer Trauernden ſtörte
ſie nicht. Sie war jetzt neben ihm niedergekniet und
hatte die kalte Hand erfaßt, die ſie an die Lippen
drückte. Sie ſchien zu beten, als es hinter ihr rauſchte;
die Königin legte die Hände ſanft auf ihren Scheitel:
„Mein Kind, es trifft jeden ſein Theil und Du warſt
darauf vorbereitet.“

„Wenn er nur noch einmal die Augen aufſchlüge!“
athmete ſie leiſe.

„Um meinen Dank in den Himmel mitzuneh¬
men, denn er hat ſeine Königin gerettet. Ich kann
ihm nicht mehr danken.“

„Doch, Königin, ſprach Adelheid, ſich umwendend.
Gönnen Sie mir die Freiheit, laſſen Sie mich hier
zurück. Ich war ſeine Braut vor Gott und Ihnen,
er darf nicht verlaſſen ſterben. Die Pflege iſt zu
ſpät, aber den letzten Dienſt kann ich ihm erzeigen.
Laſſen Sie mich ihm die Augen zudrücken.“

Da richtete ſich das verwilderte Mädchen etwas auf
und ſtarrte die Hinzugekommenen an. Der Traum
der Wahrheit ſchien durch ihre brechenden Augen zu
dämmern.

Die Gräfin Voß war an die Königin, die zwei¬
felnd daſtand, getreten und flüſterte ihr zu: „Wenn
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[308/0318] ſie hatte ihr Tuch über ſeine Füße gebreitet und ihr Geſicht in ſeinen Schooß gedrückt. Ein Bildhauer hätte die Figur der Trauer nicht beſſer dargeſtellt. Ihr aufgelöſtes Haar wallte um ihren Nacken. Auch die Anweſenheit dieſer Trauernden ſtörte ſie nicht. Sie war jetzt neben ihm niedergekniet und hatte die kalte Hand erfaßt, die ſie an die Lippen drückte. Sie ſchien zu beten, als es hinter ihr rauſchte; die Königin legte die Hände ſanft auf ihren Scheitel: „Mein Kind, es trifft jeden ſein Theil und Du warſt darauf vorbereitet.“ „Wenn er nur noch einmal die Augen aufſchlüge!“ athmete ſie leiſe. „Um meinen Dank in den Himmel mitzuneh¬ men, denn er hat ſeine Königin gerettet. Ich kann ihm nicht mehr danken.“ „Doch, Königin, ſprach Adelheid, ſich umwendend. Gönnen Sie mir die Freiheit, laſſen Sie mich hier zurück. Ich war ſeine Braut vor Gott und Ihnen, er darf nicht verlaſſen ſterben. Die Pflege iſt zu ſpät, aber den letzten Dienſt kann ich ihm erzeigen. Laſſen Sie mich ihm die Augen zudrücken.“ Da richtete ſich das verwilderte Mädchen etwas auf und ſtarrte die Hinzugekommenen an. Der Traum der Wahrheit ſchien durch ihre brechenden Augen zu dämmern. Die Gräfin Voß war an die Königin, die zwei¬ felnd daſtand, getreten und flüſterte ihr zu: „Wenn Ihro Majeſtät das zugeben, iſt es abſolut unmöglich,

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/318>, abgerufen am 25.11.2024.