Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Gefühle. Davor fürchteten sie sich mehr, als davor,
ihre Königin dem übelsten Gerede auszusetzen. Und
wenn sie wirklich dachten, daß meine Anwesenheit
beim Heer unsrer Sache Schaden bringt! Sind das
treue Diener ihres Herrn, die sich mehr vor einem
bösen Gesicht fürchteten, das ich ihnen machen konnte,
als -- o mein Gott, wie lernt man die Men¬
schen in solcher Zeit kennen!"

Sie schien von dem Gedanken sehr geängstigt.
Nach einer Pause hub sie wieder an:

"Ich wollte schon früher zurück, da beschwor
mich Kalkreuth, er legte auf meine Gegenwart, wie
er sagte, das größte Gewicht. -- Jetzt legt ein An¬
derer Gewicht darauf; Napoleon, weiß ich, beschimpft
mich und meinen Gemahl laut vor seinen Officieren,
wer es will, kann seine Schmähungen hören."

"Ihre Majestät hörten dafür den Jubelruf der
braven Truppen, als sie in Weimar vor Ihnen vor¬
überzogen."

"Auch das wird mir zum Verbrechen gemacht!
Ich bin die Kriegsfurie, die wuthschnaubende Me¬
gäre, die den König fort und fort gestachelt, bis er
sich zum Kriege entschloß, ich bin hier, nur damit er
in seinem Entschluß nicht wankend werde. Gott
weiß, daß ich nie über öffentliche Angelegenheiten zu
Rath gezogen wurde und auch nie danach gestrebt
hatte. Erst als Kaiser Alexander voriges Jahr mich
auf die Gefahr unsrer Lage, unseres Hauses aufmerk¬
sam machte, erwachte ich. Damals konnte ich noch

Gefühle. Davor fürchteten ſie ſich mehr, als davor,
ihre Königin dem übelſten Gerede auszuſetzen. Und
wenn ſie wirklich dachten, daß meine Anweſenheit
beim Heer unſrer Sache Schaden bringt! Sind das
treue Diener ihres Herrn, die ſich mehr vor einem
böſen Geſicht fürchteten, das ich ihnen machen konnte,
als — o mein Gott, wie lernt man die Men¬
ſchen in ſolcher Zeit kennen!“

Sie ſchien von dem Gedanken ſehr geängſtigt.
Nach einer Pauſe hub ſie wieder an:

„Ich wollte ſchon früher zurück, da beſchwor
mich Kalkreuth, er legte auf meine Gegenwart, wie
er ſagte, das größte Gewicht. — Jetzt legt ein An¬
derer Gewicht darauf; Napoleon, weiß ich, beſchimpft
mich und meinen Gemahl laut vor ſeinen Officieren,
wer es will, kann ſeine Schmähungen hören.“

„Ihre Majeſtät hörten dafür den Jubelruf der
braven Truppen, als ſie in Weimar vor Ihnen vor¬
überzogen.“

„Auch das wird mir zum Verbrechen gemacht!
Ich bin die Kriegsfurie, die wuthſchnaubende Me¬
gäre, die den König fort und fort geſtachelt, bis er
ſich zum Kriege entſchloß, ich bin hier, nur damit er
in ſeinem Entſchluß nicht wankend werde. Gott
weiß, daß ich nie über öffentliche Angelegenheiten zu
Rath gezogen wurde und auch nie danach geſtrebt
hatte. Erſt als Kaiſer Alexander voriges Jahr mich
auf die Gefahr unſrer Lage, unſeres Hauſes aufmerk¬
ſam machte, erwachte ich. Damals konnte ich noch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0311" n="301"/>
Gefühle. Davor fürchteten &#x017F;ie &#x017F;ich mehr, als davor,<lb/>
ihre Königin dem übel&#x017F;ten Gerede auszu&#x017F;etzen. Und<lb/>
wenn &#x017F;ie wirklich dachten, daß meine Anwe&#x017F;enheit<lb/>
beim Heer un&#x017F;rer Sache Schaden bringt! Sind das<lb/>
treue Diener ihres Herrn, die &#x017F;ich mehr vor einem<lb/>&#x017F;en Ge&#x017F;icht fürchteten, das ich ihnen machen konnte,<lb/>
als &#x2014; o mein Gott, wie lernt man die Men¬<lb/>
&#x017F;chen in &#x017F;olcher Zeit kennen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Sie &#x017F;chien von dem Gedanken &#x017F;ehr geäng&#x017F;tigt.<lb/>
Nach einer Pau&#x017F;e hub &#x017F;ie wieder an:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich wollte &#x017F;chon früher zurück, da be&#x017F;chwor<lb/>
mich Kalkreuth, er legte auf meine Gegenwart, wie<lb/>
er &#x017F;agte, das größte Gewicht. &#x2014; Jetzt legt ein An¬<lb/>
derer Gewicht darauf; Napoleon, weiß ich, be&#x017F;chimpft<lb/>
mich und meinen Gemahl laut vor &#x017F;einen Officieren,<lb/>
wer es will, kann &#x017F;eine Schmähungen hören.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ihre Maje&#x017F;tät hörten dafür den Jubelruf der<lb/>
braven Truppen, als &#x017F;ie in Weimar vor Ihnen vor¬<lb/>
überzogen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Auch das wird mir zum Verbrechen gemacht!<lb/>
Ich bin die Kriegsfurie, die wuth&#x017F;chnaubende Me¬<lb/>
gäre, die den König fort und fort ge&#x017F;tachelt, bis er<lb/>
&#x017F;ich zum Kriege ent&#x017F;chloß, ich bin hier, nur damit er<lb/>
in &#x017F;einem Ent&#x017F;chluß nicht wankend werde. Gott<lb/>
weiß, daß ich nie über öffentliche Angelegenheiten zu<lb/>
Rath gezogen wurde und auch nie danach ge&#x017F;trebt<lb/>
hatte. Er&#x017F;t als Kai&#x017F;er Alexander voriges Jahr mich<lb/>
auf die Gefahr un&#x017F;rer Lage, un&#x017F;eres Hau&#x017F;es aufmerk¬<lb/>
&#x017F;am machte, erwachte ich. Damals konnte ich noch<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[301/0311] Gefühle. Davor fürchteten ſie ſich mehr, als davor, ihre Königin dem übelſten Gerede auszuſetzen. Und wenn ſie wirklich dachten, daß meine Anweſenheit beim Heer unſrer Sache Schaden bringt! Sind das treue Diener ihres Herrn, die ſich mehr vor einem böſen Geſicht fürchteten, das ich ihnen machen konnte, als — o mein Gott, wie lernt man die Men¬ ſchen in ſolcher Zeit kennen!“ Sie ſchien von dem Gedanken ſehr geängſtigt. Nach einer Pauſe hub ſie wieder an: „Ich wollte ſchon früher zurück, da beſchwor mich Kalkreuth, er legte auf meine Gegenwart, wie er ſagte, das größte Gewicht. — Jetzt legt ein An¬ derer Gewicht darauf; Napoleon, weiß ich, beſchimpft mich und meinen Gemahl laut vor ſeinen Officieren, wer es will, kann ſeine Schmähungen hören.“ „Ihre Majeſtät hörten dafür den Jubelruf der braven Truppen, als ſie in Weimar vor Ihnen vor¬ überzogen.“ „Auch das wird mir zum Verbrechen gemacht! Ich bin die Kriegsfurie, die wuthſchnaubende Me¬ gäre, die den König fort und fort geſtachelt, bis er ſich zum Kriege entſchloß, ich bin hier, nur damit er in ſeinem Entſchluß nicht wankend werde. Gott weiß, daß ich nie über öffentliche Angelegenheiten zu Rath gezogen wurde und auch nie danach geſtrebt hatte. Erſt als Kaiſer Alexander voriges Jahr mich auf die Gefahr unſrer Lage, unſeres Hauſes aufmerk¬ ſam machte, erwachte ich. Damals konnte ich noch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/311
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/311>, abgerufen am 17.05.2024.