Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

schillernde Verwesung! Wie stolz sind wir auf unsre
unpartheiische Justiz, und der pfiffige Müller Arnold
kochte noch vergnügt seine Klöße von dem abgestriche¬
nen Mehl, als die Präsidenten schon vor den Recom¬
mandationen der Lichtenau sich bückten, und zitterten,
wenn Einer, den sie abgewiesen, an sie appellirte.
Für welches Wunderwerk galt Friedrichs Controlle,
sein großes Auge sah ja Alles, es zählte die Gro¬
schen; schlagen Sie aber die großen Baurechnungen
nach, und sehen, wie grob er doch betrogen ward!
Unsre stolzen Großen am Hofe, wie viele danken ihre
Grafentitel, nicht dem Könige, dem Kammerdiener
Rietz! Wie manche ihre Titel, Güter, Orden, der
Laune des Augenblicks, einem schönen Frauenblick!
Wie kamen wir denn zu Haugwitz, wie zu --,
zu --, zu -- Ward ihr Werth auf der Staatswage
abgewogen?"

"Wie kamen wir zu dem, den Sie und ich gleich
verehren, ein geharnischter Geist, der durch diese Mi¬
sere schreitet?"

"Und wie Hamlets geharnischter Vater in die
Versenkung fallen wird. Und das, ehe Hamlet Muth
bekommt. -- Der Freiherr wird sich nicht, ich sage es
Ihnen, er kann sich nicht halten. So lange er seine
Pfeile nicht losschoß, fürchtete, darum schonte man
ihn. Wenn er den Köcher entleert hat, wird man
ihm ein Bein stellen. Er wird zu schroff drauf los¬
gehen, und unvermerkt sitzt er in der Schlinge. Da
wird er haspeln, poltern, um sich schlagen, das De¬

ſchillernde Verweſung! Wie ſtolz ſind wir auf unſre
unpartheiiſche Juſtiz, und der pfiffige Müller Arnold
kochte noch vergnügt ſeine Klöße von dem abgeſtriche¬
nen Mehl, als die Präſidenten ſchon vor den Recom¬
mandationen der Lichtenau ſich bückten, und zitterten,
wenn Einer, den ſie abgewieſen, an ſie appellirte.
Für welches Wunderwerk galt Friedrichs Controlle,
ſein großes Auge ſah ja Alles, es zählte die Gro¬
ſchen; ſchlagen Sie aber die großen Baurechnungen
nach, und ſehen, wie grob er doch betrogen ward!
Unſre ſtolzen Großen am Hofe, wie viele danken ihre
Grafentitel, nicht dem Könige, dem Kammerdiener
Rietz! Wie manche ihre Titel, Güter, Orden, der
Laune des Augenblicks, einem ſchönen Frauenblick!
Wie kamen wir denn zu Haugwitz, wie zu —,
zu —, zu — Ward ihr Werth auf der Staatswage
abgewogen?“

„Wie kamen wir zu dem, den Sie und ich gleich
verehren, ein geharniſchter Geiſt, der durch dieſe Mi¬
ſere ſchreitet?“

„Und wie Hamlets geharniſchter Vater in die
Verſenkung fallen wird. Und das, ehe Hamlet Muth
bekommt. — Der Freiherr wird ſich nicht, ich ſage es
Ihnen, er kann ſich nicht halten. So lange er ſeine
Pfeile nicht losſchoß, fürchtete, darum ſchonte man
ihn. Wenn er den Köcher entleert hat, wird man
ihm ein Bein ſtellen. Er wird zu ſchroff drauf los¬
gehen, und unvermerkt ſitzt er in der Schlinge. Da
wird er haspeln, poltern, um ſich ſchlagen, das De¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0030" n="20"/>
&#x017F;chillernde Verwe&#x017F;ung! Wie &#x017F;tolz &#x017F;ind wir auf un&#x017F;re<lb/>
unpartheii&#x017F;che Ju&#x017F;tiz, und der pfiffige Müller Arnold<lb/>
kochte noch vergnügt &#x017F;eine Klöße von dem abge&#x017F;triche¬<lb/>
nen Mehl, als die Prä&#x017F;identen &#x017F;chon vor den Recom¬<lb/>
mandationen der Lichtenau &#x017F;ich bückten, und zitterten,<lb/>
wenn Einer, den &#x017F;ie abgewie&#x017F;en, an &#x017F;ie appellirte.<lb/>
Für welches Wunderwerk galt Friedrichs Controlle,<lb/>
&#x017F;ein großes Auge &#x017F;ah ja Alles, es zählte die Gro¬<lb/>
&#x017F;chen; &#x017F;chlagen Sie aber die großen Baurechnungen<lb/>
nach, und &#x017F;ehen, wie grob er doch betrogen ward!<lb/>
Un&#x017F;re &#x017F;tolzen Großen am Hofe, wie viele danken ihre<lb/>
Grafentitel, nicht dem Könige, dem Kammerdiener<lb/>
Rietz! Wie manche ihre Titel, Güter, Orden, der<lb/>
Laune des Augenblicks, einem &#x017F;chönen Frauenblick!<lb/>
Wie kamen wir denn zu Haugwitz, wie zu &#x2014;,<lb/>
zu &#x2014;, zu &#x2014; Ward ihr Werth auf der Staatswage<lb/>
abgewogen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wie kamen wir zu dem, den Sie und ich gleich<lb/>
verehren, ein geharni&#x017F;chter Gei&#x017F;t, der durch die&#x017F;e Mi¬<lb/>
&#x017F;ere &#x017F;chreitet?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und wie Hamlets geharni&#x017F;chter Vater in die<lb/>
Ver&#x017F;enkung fallen wird. Und das, ehe Hamlet Muth<lb/>
bekommt. &#x2014; Der Freiherr wird &#x017F;ich nicht, ich &#x017F;age es<lb/>
Ihnen, er kann &#x017F;ich nicht halten. So lange er &#x017F;eine<lb/>
Pfeile nicht los&#x017F;choß, fürchtete, darum &#x017F;chonte man<lb/>
ihn. Wenn er den Köcher entleert hat, wird man<lb/>
ihm ein Bein &#x017F;tellen. Er wird zu &#x017F;chroff drauf los¬<lb/>
gehen, und unvermerkt &#x017F;itzt er in der Schlinge. Da<lb/>
wird er haspeln, poltern, um &#x017F;ich &#x017F;chlagen, das De¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0030] ſchillernde Verweſung! Wie ſtolz ſind wir auf unſre unpartheiiſche Juſtiz, und der pfiffige Müller Arnold kochte noch vergnügt ſeine Klöße von dem abgeſtriche¬ nen Mehl, als die Präſidenten ſchon vor den Recom¬ mandationen der Lichtenau ſich bückten, und zitterten, wenn Einer, den ſie abgewieſen, an ſie appellirte. Für welches Wunderwerk galt Friedrichs Controlle, ſein großes Auge ſah ja Alles, es zählte die Gro¬ ſchen; ſchlagen Sie aber die großen Baurechnungen nach, und ſehen, wie grob er doch betrogen ward! Unſre ſtolzen Großen am Hofe, wie viele danken ihre Grafentitel, nicht dem Könige, dem Kammerdiener Rietz! Wie manche ihre Titel, Güter, Orden, der Laune des Augenblicks, einem ſchönen Frauenblick! Wie kamen wir denn zu Haugwitz, wie zu —, zu —, zu — Ward ihr Werth auf der Staatswage abgewogen?“ „Wie kamen wir zu dem, den Sie und ich gleich verehren, ein geharniſchter Geiſt, der durch dieſe Mi¬ ſere ſchreitet?“ „Und wie Hamlets geharniſchter Vater in die Verſenkung fallen wird. Und das, ehe Hamlet Muth bekommt. — Der Freiherr wird ſich nicht, ich ſage es Ihnen, er kann ſich nicht halten. So lange er ſeine Pfeile nicht losſchoß, fürchtete, darum ſchonte man ihn. Wenn er den Köcher entleert hat, wird man ihm ein Bein ſtellen. Er wird zu ſchroff drauf los¬ gehen, und unvermerkt ſitzt er in der Schlinge. Da wird er haspeln, poltern, um ſich ſchlagen, das De¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/30
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/30>, abgerufen am 21.11.2024.