Die Antwort kam dem Cäsar ungelegen. In¬ dem er sein Auge nach einem Punkte draußen rich¬ tete, rief sein Blick einen Obristen heran. Er mochte etwas sehen, was dem Feldherrn nicht gefiel. Nach¬ dem er dem Unwillen gegen den Officier Luft ge¬ macht, hatte er den Ton gefunden, in dem er gegen den Gefangenen einfiel:
"Diese Hitzköpfe sind es, diese Kriegspartei von hirnverbrannten Phantasten, diese Geologen und Studenten! Der Prinz hat seinen Lohn weg. Viel zu gut! Wie, ist es erhört, hier schreibt mir der König von Preußen, er wünscht Frieden, er wünscht eine Zusammenkunft, eine Vermittelung. Die hätte sich so leicht gemacht. Und während sein König das mir schreibt, verläßt der Tollkopf seinen Posten, greift in rasendem Ehrgeiz meine Truppen an. Gleich¬ viel ihm, wie viel Tausende darum ihr Leben ließen. Wollte durch die Attaque zur Schlacht zwingen. Und das nennt er Gehorsam gegen seinen Monarchen. Unerhört!"
Es war die ernsteste Stunde in Louis Bovil¬ lards Leben. Dem größten Genius des Jahrhun¬ derts stand er, der Unbedeutende, gegenüber, gewür¬ digt einer Unterhaltung, um die ihn Millionen be¬ neidet hätten, und in der brennenden Krisis welchen Momentes! Und wie kam es, daß nicht Schauer vor der Größe, nicht Haß und Bewunderung wie Fieberfrost und Hitze, in ihm wechselten? Nein, er entsann sich des spöttischen Artikels einer englischen
V. 19
Die Antwort kam dem Cäſar ungelegen. In¬ dem er ſein Auge nach einem Punkte draußen rich¬ tete, rief ſein Blick einen Obriſten heran. Er mochte etwas ſehen, was dem Feldherrn nicht gefiel. Nach¬ dem er dem Unwillen gegen den Officier Luft ge¬ macht, hatte er den Ton gefunden, in dem er gegen den Gefangenen einfiel:
„Dieſe Hitzköpfe ſind es, dieſe Kriegspartei von hirnverbrannten Phantaſten, dieſe Geologen und Studenten! Der Prinz hat ſeinen Lohn weg. Viel zu gut! Wie, iſt es erhört, hier ſchreibt mir der König von Preußen, er wünſcht Frieden, er wünſcht eine Zuſammenkunft, eine Vermittelung. Die hätte ſich ſo leicht gemacht. Und während ſein König das mir ſchreibt, verläßt der Tollkopf ſeinen Poſten, greift in raſendem Ehrgeiz meine Truppen an. Gleich¬ viel ihm, wie viel Tauſende darum ihr Leben ließen. Wollte durch die Attaque zur Schlacht zwingen. Und das nennt er Gehorſam gegen ſeinen Monarchen. Unerhört!“
Es war die ernſteſte Stunde in Louis Bovil¬ lards Leben. Dem größten Genius des Jahrhun¬ derts ſtand er, der Unbedeutende, gegenüber, gewür¬ digt einer Unterhaltung, um die ihn Millionen be¬ neidet hätten, und in der brennenden Kriſis welchen Momentes! Und wie kam es, daß nicht Schauer vor der Größe, nicht Haß und Bewunderung wie Fieberfroſt und Hitze, in ihm wechſelten? Nein, er entſann ſich des ſpöttiſchen Artikels einer engliſchen
V. 19
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Die Antwort kam dem Cäſar ungelegen. In¬
dem er ſein Auge nach einem Punkte draußen rich¬
tete, rief ſein Blick einen Obriſten heran. Er mochte
etwas ſehen, was dem Feldherrn nicht gefiel. Nach¬
dem er dem Unwillen gegen den Officier Luft ge¬
macht, hatte er den Ton gefunden, in dem er gegen
den Gefangenen einfiel:
„Dieſe Hitzköpfe ſind es, dieſe Kriegspartei von
hirnverbrannten Phantaſten, dieſe Geologen und
Studenten! Der Prinz hat ſeinen Lohn weg. Viel
zu gut! Wie, iſt es erhört, hier ſchreibt mir der
König von Preußen, er wünſcht Frieden, er wünſcht
eine Zuſammenkunft, eine Vermittelung. Die hätte
ſich ſo leicht gemacht. Und während ſein König das
mir ſchreibt, verläßt der Tollkopf ſeinen Poſten, greift
in raſendem Ehrgeiz meine Truppen an. Gleich¬
viel ihm, wie viel Tauſende darum ihr Leben ließen.
Wollte durch die Attaque zur Schlacht zwingen. Und
das nennt er Gehorſam gegen ſeinen Monarchen.
Unerhört!“
Es war die ernſteſte Stunde in Louis Bovil¬
lards Leben. Dem größten Genius des Jahrhun¬
derts ſtand er, der Unbedeutende, gegenüber, gewür¬
digt einer Unterhaltung, um die ihn Millionen be¬
neidet hätten, und in der brennenden Kriſis welchen
Momentes! Und wie kam es, daß nicht Schauer
vor der Größe, nicht Haß und Bewunderung wie
Fieberfroſt und Hitze, in ihm wechſelten? Nein, er
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/299>, abgerufen am 22.11.2024.
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