der über den Wachtfeuern des Feindes sich kräuselte, jeden Windzug, der in der Zeltleinwand spielte. Seit die Rotten und Glieder sich auf die Erde gestreckt, konnte man das Schauspiel frei übersehen. So weit das Auge in die Nacht reichte, Wachtfeuer und Zelt¬ reihen. Durch sechs Stunden dehnte sich die Schlacht¬ linie der Preußen aus, hell, licht, Alles in beque¬ mer, hergebrachter Ordnung. Und hier auf engem Raum, um einen bewaldeten Berg zusammengedrängt, im Dunkel seiner Schatten und der Nacht, und am Rande eines Abgrunds hinter ihm, der Feind. Die Wachtposten standen kaum auf Schußweite von ein¬ ander entfernt; aber es fiel kein Schuß, kein Allarm¬ zeichen, kein versprengtes Pferd störte die Ruhe. Schien es doch ein stillschweigend Abkommen, sie be¬ durften beide der Ruhe, um morgen sich zu morden.
Nicht Alle schliefen, auch von denen nicht, wel¬ chen es vergönnt war. Unter einer Eiche lag ein zum Tode Verurtheilter. Der Officier, der ihm zur Be¬ wachung zugeordert, hatte ihm doch höflich das Bund Heu, was für sein Pferd bestimmt, zum Kopfkissen gegeben, daß er, so bequem es ging, eines letzten Schlafes vor seinem letzten Tage sich erfreue. Aber Louis Bovillard konnte nicht schlafen, oder er hatte schon genug geschlafen; er richtete sich auf und stützte den Kopf auf seinem gesunden rechten Arm. Der linke war verwundet, ein Verband war darum ge¬ schlungen. Vorgestern war er, als er, aus dem Saalethal aufgescheucht, über die Schwarzach setzen
18*
der über den Wachtfeuern des Feindes ſich kräuſelte, jeden Windzug, der in der Zeltleinwand ſpielte. Seit die Rotten und Glieder ſich auf die Erde geſtreckt, konnte man das Schauſpiel frei überſehen. So weit das Auge in die Nacht reichte, Wachtfeuer und Zelt¬ reihen. Durch ſechs Stunden dehnte ſich die Schlacht¬ linie der Preußen aus, hell, licht, Alles in beque¬ mer, hergebrachter Ordnung. Und hier auf engem Raum, um einen bewaldeten Berg zuſammengedrängt, im Dunkel ſeiner Schatten und der Nacht, und am Rande eines Abgrunds hinter ihm, der Feind. Die Wachtpoſten ſtanden kaum auf Schußweite von ein¬ ander entfernt; aber es fiel kein Schuß, kein Allarm¬ zeichen, kein verſprengtes Pferd ſtörte die Ruhe. Schien es doch ein ſtillſchweigend Abkommen, ſie be¬ durften beide der Ruhe, um morgen ſich zu morden.
Nicht Alle ſchliefen, auch von denen nicht, wel¬ chen es vergönnt war. Unter einer Eiche lag ein zum Tode Verurtheilter. Der Officier, der ihm zur Be¬ wachung zugeordert, hatte ihm doch höflich das Bund Heu, was für ſein Pferd beſtimmt, zum Kopfkiſſen gegeben, daß er, ſo bequem es ging, eines letzten Schlafes vor ſeinem letzten Tage ſich erfreue. Aber Louis Bovillard konnte nicht ſchlafen, oder er hatte ſchon genug geſchlafen; er richtete ſich auf und ſtützte den Kopf auf ſeinem geſunden rechten Arm. Der linke war verwundet, ein Verband war darum ge¬ ſchlungen. Vorgeſtern war er, als er, aus dem Saalethal aufgeſcheucht, über die Schwarzach ſetzen
18*
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0285"n="275"/>
der über den Wachtfeuern des Feindes ſich kräuſelte,<lb/>
jeden Windzug, der in der Zeltleinwand ſpielte. Seit<lb/>
die Rotten und Glieder ſich auf die Erde geſtreckt,<lb/>
konnte man das Schauſpiel frei überſehen. So weit<lb/>
das Auge in die Nacht reichte, Wachtfeuer und Zelt¬<lb/>
reihen. Durch ſechs Stunden dehnte ſich die Schlacht¬<lb/>
linie der Preußen aus, hell, licht, Alles in beque¬<lb/>
mer, hergebrachter Ordnung. Und hier auf engem<lb/>
Raum, um einen bewaldeten Berg zuſammengedrängt,<lb/>
im Dunkel ſeiner Schatten und der Nacht, und am<lb/>
Rande eines Abgrunds hinter ihm, der Feind. Die<lb/>
Wachtpoſten ſtanden kaum auf Schußweite von ein¬<lb/>
ander entfernt; aber es fiel kein Schuß, kein Allarm¬<lb/>
zeichen, kein verſprengtes Pferd ſtörte die Ruhe.<lb/>
Schien es doch ein ſtillſchweigend Abkommen, ſie be¬<lb/>
durften beide der Ruhe, um morgen ſich zu morden.</p><lb/><p>Nicht Alle ſchliefen, auch von denen nicht, wel¬<lb/>
chen es vergönnt war. Unter einer Eiche lag ein zum<lb/>
Tode Verurtheilter. Der Officier, der ihm zur Be¬<lb/>
wachung zugeordert, hatte ihm doch höflich das Bund<lb/>
Heu, was für ſein Pferd beſtimmt, zum Kopfkiſſen<lb/>
gegeben, daß er, ſo bequem es ging, eines letzten<lb/>
Schlafes vor ſeinem letzten Tage ſich erfreue. Aber<lb/>
Louis Bovillard konnte nicht ſchlafen, oder er hatte<lb/>ſchon genug geſchlafen; er richtete ſich auf und ſtützte<lb/>
den Kopf auf ſeinem geſunden rechten Arm. Der<lb/>
linke war verwundet, ein Verband war darum ge¬<lb/>ſchlungen. Vorgeſtern war er, als er, aus dem<lb/>
Saalethal aufgeſcheucht, über die Schwarzach ſetzen<lb/><fwplace="bottom"type="sig">18*<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[275/0285]
der über den Wachtfeuern des Feindes ſich kräuſelte,
jeden Windzug, der in der Zeltleinwand ſpielte. Seit
die Rotten und Glieder ſich auf die Erde geſtreckt,
konnte man das Schauſpiel frei überſehen. So weit
das Auge in die Nacht reichte, Wachtfeuer und Zelt¬
reihen. Durch ſechs Stunden dehnte ſich die Schlacht¬
linie der Preußen aus, hell, licht, Alles in beque¬
mer, hergebrachter Ordnung. Und hier auf engem
Raum, um einen bewaldeten Berg zuſammengedrängt,
im Dunkel ſeiner Schatten und der Nacht, und am
Rande eines Abgrunds hinter ihm, der Feind. Die
Wachtpoſten ſtanden kaum auf Schußweite von ein¬
ander entfernt; aber es fiel kein Schuß, kein Allarm¬
zeichen, kein verſprengtes Pferd ſtörte die Ruhe.
Schien es doch ein ſtillſchweigend Abkommen, ſie be¬
durften beide der Ruhe, um morgen ſich zu morden.
Nicht Alle ſchliefen, auch von denen nicht, wel¬
chen es vergönnt war. Unter einer Eiche lag ein zum
Tode Verurtheilter. Der Officier, der ihm zur Be¬
wachung zugeordert, hatte ihm doch höflich das Bund
Heu, was für ſein Pferd beſtimmt, zum Kopfkiſſen
gegeben, daß er, ſo bequem es ging, eines letzten
Schlafes vor ſeinem letzten Tage ſich erfreue. Aber
Louis Bovillard konnte nicht ſchlafen, oder er hatte
ſchon genug geſchlafen; er richtete ſich auf und ſtützte
den Kopf auf ſeinem geſunden rechten Arm. Der
linke war verwundet, ein Verband war darum ge¬
ſchlungen. Vorgeſtern war er, als er, aus dem
Saalethal aufgeſcheucht, über die Schwarzach ſetzen
18*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/285>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.