den andern zu kümmern, ihre Blicke und ihre Ge¬ danken gehörten den schönen, jungen ausmarschiren¬ den Reitern allein an. Der ältliche Herr klopfte ihr auf die Schultern: "Charlotte, weine Sie nur nicht, gebe Sie sich zur Ruhe, es wird sich schon Alles finden, und ich verlasse Sie nicht."
Es war eine besondere Stimmung unter Allen, sehr verschieden von der lauten beim Vorüberziehen der frühern Regimenter. Hatte der Abend sie ge¬ macht? Waren die Gensdarmen grade die Lieb¬ linge der Zuschauer? Man hörte keine lauten Hurrah's, keinen jubelnden Zuruf, nur unterdrücktes Schluchzen. Vielleicht that's die Regimentsmusik; sie spielte die Melodie eines alten Volksliedes von Morgenroth und frühem Tod. Nachher flüsterte man sich zu: Prinz Louis sei in seinem Mantel verhüllt unter dieser Schwadron in der Stille mit ausmarschirt.
In den Sälen, die als sehr bescheidene Pavillons des auch bescheidenen Restaurationsgebäudes in den Garten ausliefen, hatten einzelne Familien und Ge¬ sellschaften zum Abendbrod sich vereinigt. Die Lich¬ ter wurden schon angezündet, es sah aber wenig fest¬ lich aus, trotz der Astern und anderer Herbstblumen, die eine sorgende Hand wohl hie und da auf den Tisch gestellt. Luft und Boden, die Dielen auf dem Erdreich liegend, waren kalt und feucht, die Frauen hatten ihre Enveloppen, die Männer ihre Ueberröcke umgethan. Es war auch sonst ein Etwas, was die helle Freude nicht aufkommen ließ.
den andern zu kümmern, ihre Blicke und ihre Ge¬ danken gehörten den ſchönen, jungen ausmarſchiren¬ den Reitern allein an. Der ältliche Herr klopfte ihr auf die Schultern: „Charlotte, weine Sie nur nicht, gebe Sie ſich zur Ruhe, es wird ſich ſchon Alles finden, und ich verlaſſe Sie nicht.“
Es war eine beſondere Stimmung unter Allen, ſehr verſchieden von der lauten beim Vorüberziehen der frühern Regimenter. Hatte der Abend ſie ge¬ macht? Waren die Gensdarmen grade die Lieb¬ linge der Zuſchauer? Man hörte keine lauten Hurrah's, keinen jubelnden Zuruf, nur unterdrücktes Schluchzen. Vielleicht that's die Regimentsmuſik; ſie ſpielte die Melodie eines alten Volksliedes von Morgenroth und frühem Tod. Nachher flüſterte man ſich zu: Prinz Louis ſei in ſeinem Mantel verhüllt unter dieſer Schwadron in der Stille mit ausmarſchirt.
In den Sälen, die als ſehr beſcheidene Pavillons des auch beſcheidenen Reſtaurationsgebäudes in den Garten ausliefen, hatten einzelne Familien und Ge¬ ſellſchaften zum Abendbrod ſich vereinigt. Die Lich¬ ter wurden ſchon angezündet, es ſah aber wenig feſt¬ lich aus, trotz der Aſtern und anderer Herbſtblumen, die eine ſorgende Hand wohl hie und da auf den Tiſch geſtellt. Luft und Boden, die Dielen auf dem Erdreich liegend, waren kalt und feucht, die Frauen hatten ihre Enveloppen, die Männer ihre Ueberröcke umgethan. Es war auch ſonſt ein Etwas, was die helle Freude nicht aufkommen ließ.
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den andern zu kümmern, ihre Blicke und ihre Ge¬
danken gehörten den ſchönen, jungen ausmarſchiren¬
den Reitern allein an. Der ältliche Herr klopfte ihr
auf die Schultern: „Charlotte, weine Sie nur nicht,
gebe Sie ſich zur Ruhe, es wird ſich ſchon Alles
finden, und ich verlaſſe Sie nicht.“
Es war eine beſondere Stimmung unter Allen,
ſehr verſchieden von der lauten beim Vorüberziehen
der frühern Regimenter. Hatte der Abend ſie ge¬
macht? Waren die Gensdarmen grade die Lieb¬
linge der Zuſchauer? Man hörte keine lauten Hurrah's,
keinen jubelnden Zuruf, nur unterdrücktes Schluchzen.
Vielleicht that's die Regimentsmuſik; ſie ſpielte die
Melodie eines alten Volksliedes von Morgenroth
und frühem Tod. Nachher flüſterte man ſich zu: Prinz
Louis ſei in ſeinem Mantel verhüllt unter dieſer
Schwadron in der Stille mit ausmarſchirt.
In den Sälen, die als ſehr beſcheidene Pavillons
des auch beſcheidenen Reſtaurationsgebäudes in den
Garten ausliefen, hatten einzelne Familien und Ge¬
ſellſchaften zum Abendbrod ſich vereinigt. Die Lich¬
ter wurden ſchon angezündet, es ſah aber wenig feſt¬
lich aus, trotz der Aſtern und anderer Herbſtblumen,
die eine ſorgende Hand wohl hie und da auf den
Tiſch geſtellt. Luft und Boden, die Dielen auf dem
Erdreich liegend, waren kalt und feucht, die Frauen
hatten ihre Enveloppen, die Männer ihre Ueberröcke
umgethan. Es war auch ſonſt ein Etwas, was die
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/266>, abgerufen am 24.11.2024.
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