und starke Laxanzen. Er, der erklärte Gegner der Romantik und alles Mysticismus, las in Büchern, die man nicht auf seinem Tisch erwarten sollen, und an Aerzte, die sich jener Richtung näherten, stellte er die verblümte Frage, was sie von dem bösen Blick hielten, an den die südlichen Nationen glauben, und ob nicht eine physische Möglichkeit sei, daß er der Gesundheit Anderer schaden könne? Der Geheim¬ rath Bovillard war bereits als malade imaginaire sprüchwörtlich. Sein Gönner, der Minister mit der aufrechten Haltung, hatte ihm seine Universalcur, Karlsbad, wiederholentlich empfohlen, der Geheim¬ rath den Rath aber von der Hand gewiesen -- für jetzt. Er fürchte, es werde ihm als Furcht ausgelegt, wenn er sich aus Preußen entferne, er sei ein Pa¬ triot, darum müsse er es zeigen. Darum zeigte er sich an öffentlichen Orten; wenn auch nicht grade an dem, wo die Baronin ihm begegnete.
"Ach, meine gnädige Frau, sagte er, nachdem von seiner Seite weder eine freudige noch eine andre Ueberraschung stattgefunden, er brachte die Worte vielmehr mit einer Art innerem Gähnen heraus, in¬ dem er neben ihr herging. Ach, meine gnädige Frau, die Moralisten sagen, Alles in der Welt ist eitel; aber es ist nur die Wirkung aus der Ferne. Ich sehe in der Welt nicht ab, warum das eitel sein soll, was ich genieße, und es schmeckt mir. Eitel, das heißt, es verdirbt und vergeht, wird es nur durch die Einflüsse von außerhalb. Könnte Jeder
und ſtarke Laxanzen. Er, der erklärte Gegner der Romantik und alles Myſticismus, las in Büchern, die man nicht auf ſeinem Tiſch erwarten ſollen, und an Aerzte, die ſich jener Richtung näherten, ſtellte er die verblümte Frage, was ſie von dem böſen Blick hielten, an den die ſüdlichen Nationen glauben, und ob nicht eine phyſiſche Möglichkeit ſei, daß er der Geſundheit Anderer ſchaden könne? Der Geheim¬ rath Bovillard war bereits als malade imaginaire ſprüchwörtlich. Sein Gönner, der Miniſter mit der aufrechten Haltung, hatte ihm ſeine Univerſalcur, Karlsbad, wiederholentlich empfohlen, der Geheim¬ rath den Rath aber von der Hand gewieſen — für jetzt. Er fürchte, es werde ihm als Furcht ausgelegt, wenn er ſich aus Preußen entferne, er ſei ein Pa¬ triot, darum müſſe er es zeigen. Darum zeigte er ſich an öffentlichen Orten; wenn auch nicht grade an dem, wo die Baronin ihm begegnete.
„Ach, meine gnädige Frau, ſagte er, nachdem von ſeiner Seite weder eine freudige noch eine andre Ueberraſchung ſtattgefunden, er brachte die Worte vielmehr mit einer Art innerem Gähnen heraus, in¬ dem er neben ihr herging. Ach, meine gnädige Frau, die Moraliſten ſagen, Alles in der Welt iſt eitel; aber es iſt nur die Wirkung aus der Ferne. Ich ſehe in der Welt nicht ab, warum das eitel ſein ſoll, was ich genieße, und es ſchmeckt mir. Eitel, das heißt, es verdirbt und vergeht, wird es nur durch die Einflüſſe von außerhalb. Könnte Jeder
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[251/0261]
und ſtarke Laxanzen. Er, der erklärte Gegner der
Romantik und alles Myſticismus, las in Büchern,
die man nicht auf ſeinem Tiſch erwarten ſollen, und
an Aerzte, die ſich jener Richtung näherten, ſtellte er
die verblümte Frage, was ſie von dem böſen Blick
hielten, an den die ſüdlichen Nationen glauben, und
ob nicht eine phyſiſche Möglichkeit ſei, daß er der
Geſundheit Anderer ſchaden könne? Der Geheim¬
rath Bovillard war bereits als malade imaginaire
ſprüchwörtlich. Sein Gönner, der Miniſter mit der
aufrechten Haltung, hatte ihm ſeine Univerſalcur,
Karlsbad, wiederholentlich empfohlen, der Geheim¬
rath den Rath aber von der Hand gewieſen — für
jetzt. Er fürchte, es werde ihm als Furcht ausgelegt,
wenn er ſich aus Preußen entferne, er ſei ein Pa¬
triot, darum müſſe er es zeigen. Darum zeigte er
ſich an öffentlichen Orten; wenn auch nicht grade an
dem, wo die Baronin ihm begegnete.
„Ach, meine gnädige Frau, ſagte er, nachdem
von ſeiner Seite weder eine freudige noch eine andre
Ueberraſchung ſtattgefunden, er brachte die Worte
vielmehr mit einer Art innerem Gähnen heraus, in¬
dem er neben ihr herging. Ach, meine gnädige
Frau, die Moraliſten ſagen, Alles in der Welt iſt
eitel; aber es iſt nur die Wirkung aus der Ferne.
Ich ſehe in der Welt nicht ab, warum das eitel ſein
ſoll, was ich genieße, und es ſchmeckt mir. Eitel,
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/261>, abgerufen am 24.11.2024.
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