werden nicht auf ihn hören, denn die Menschen ren¬ nen alle in ihr Verhängniß, und er preist die am glücklichsten, die nicht klug sind, und nicht Alles sehen wollen, denn ihnen wären viele Qualen gespart. Darum, sagt er, hat er uns so lieb, ob er schon weiß, daß ich ihm nicht gut bin, und Sie ihn gar nicht mögen. Da ist auch alle Mühe umsonst, setzte er hinzu, alle Beweise helfen nichts, und der Mißtrauische weiß sogar in der guten That, die man ihm erzeigt, eine heimliche böse Absicht herauszulesen."
Dem Herrn von Dohleneck ging es dumpf durch den Kopf: "Wenn man sich doch getäuscht hätte!"
"Das sagt er ja auch. Wenn in der letzten Stunde nur die Enttäuschung käme! Wenn er da liegt auf dem Felde der Ehre, und die Lüfte trü¬ gen mir wenigstens mit Aeolsharfenklang sein Ge¬ ständniß zu: Ich habe mich in dir geirrt! Das wäre wenigstens ein Trost!"
"Donner und -- Himmeldonner! Er macht mich doch nicht bei lebendigem Leibe todt!"
Der Obristwachtmeister Stier von Dohleneck hatte nicht die Veränderung gesehen, die auf dem Ge¬ sicht der Baronin vorgegangen. Die Thränen stürz¬ ten aus ihren großen, schönen Augen; sie zitterte:
"Ja, mein inniger, einziger Freund, er hat eine Ahnung -- er wollte schweigen -- ich erpreßte ihm das Geständniß -- Ihr zügelloser Muth -- er sah Ihr Blut fließen -- Wir ändern's nicht -- ja, es ist nur zu wahr, es findet sich Alles nur, um sich zu
werden nicht auf ihn hören, denn die Menſchen ren¬ nen alle in ihr Verhängniß, und er preiſt die am glücklichſten, die nicht klug ſind, und nicht Alles ſehen wollen, denn ihnen wären viele Qualen geſpart. Darum, ſagt er, hat er uns ſo lieb, ob er ſchon weiß, daß ich ihm nicht gut bin, und Sie ihn gar nicht mögen. Da iſt auch alle Mühe umſonſt, ſetzte er hinzu, alle Beweiſe helfen nichts, und der Mißtrauiſche weiß ſogar in der guten That, die man ihm erzeigt, eine heimliche böſe Abſicht herauszuleſen.“
Dem Herrn von Dohleneck ging es dumpf durch den Kopf: „Wenn man ſich doch getäuſcht hätte!“
„Das ſagt er ja auch. Wenn in der letzten Stunde nur die Enttäuſchung käme! Wenn er da liegt auf dem Felde der Ehre, und die Lüfte trü¬ gen mir wenigſtens mit Aeolsharfenklang ſein Ge¬ ſtändniß zu: Ich habe mich in dir geirrt! Das wäre wenigſtens ein Troſt!“
„Donner und — Himmeldonner! Er macht mich doch nicht bei lebendigem Leibe todt!“
Der Obriſtwachtmeiſter Stier von Dohleneck hatte nicht die Veränderung geſehen, die auf dem Ge¬ ſicht der Baronin vorgegangen. Die Thränen ſtürz¬ ten aus ihren großen, ſchönen Augen; ſie zitterte:
„Ja, mein inniger, einziger Freund, er hat eine Ahnung — er wollte ſchweigen — ich erpreßte ihm das Geſtändniß — Ihr zügelloſer Muth — er ſah Ihr Blut fließen — Wir ändern's nicht — ja, es iſt nur zu wahr, es findet ſich Alles nur, um ſich zu
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werden nicht auf ihn hören, denn die Menſchen ren¬
nen alle in ihr Verhängniß, und er preiſt die am
glücklichſten, die nicht klug ſind, und nicht Alles ſehen
wollen, denn ihnen wären viele Qualen geſpart.
Darum, ſagt er, hat er uns ſo lieb, ob er ſchon weiß,
daß ich ihm nicht gut bin, und Sie ihn gar nicht
mögen. Da iſt auch alle Mühe umſonſt, ſetzte er
hinzu, alle Beweiſe helfen nichts, und der Mißtrauiſche
weiß ſogar in der guten That, die man ihm erzeigt,
eine heimliche böſe Abſicht herauszuleſen.“
Dem Herrn von Dohleneck ging es dumpf durch
den Kopf: „Wenn man ſich doch getäuſcht hätte!“
„Das ſagt er ja auch. Wenn in der letzten
Stunde nur die Enttäuſchung käme! Wenn er da
liegt auf dem Felde der Ehre, und die Lüfte trü¬
gen mir wenigſtens mit Aeolsharfenklang ſein Ge¬
ſtändniß zu: Ich habe mich in dir geirrt! Das
wäre wenigſtens ein Troſt!“
„Donner und — Himmeldonner! Er macht
mich doch nicht bei lebendigem Leibe todt!“
Der Obriſtwachtmeiſter Stier von Dohleneck
hatte nicht die Veränderung geſehen, die auf dem Ge¬
ſicht der Baronin vorgegangen. Die Thränen ſtürz¬
ten aus ihren großen, ſchönen Augen; ſie zitterte:
„Ja, mein inniger, einziger Freund, er hat eine
Ahnung — er wollte ſchweigen — ich erpreßte ihm
das Geſtändniß — Ihr zügelloſer Muth — er ſah
Ihr Blut fließen — Wir ändern's nicht — ja, es
iſt nur zu wahr, es findet ſich Alles nur, um ſich zu
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/256>, abgerufen am 24.11.2024.
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