"Behält die Kraft, auf einen Feind sich zu stür¬ zen, der zwar Sieger ist, aber blutet. Denn auf einen verzweifelten Widerstand dieser zweimal hun¬ derttausend Preußen sind wir gefaßt. Was dann weiter, steht im Rath der Götter, aber ich meine, daß Kaiser Alexander, an der Spitze seines Reiches, soutenirt von seiner Grenze, ein Wort darin mitspre¬ chen wird, das nicht verhallen kann. Wo zwei Gleiche sich gegenüber stehen, ist aber Zeit zum Verhandeln."
"Ich könnte es eine Gnade Gottes nennen, daß Preußen keine Staatsmänner hat, wie Herrn von Laforest."
"Und ich Rußland Glück wünschen, daß sein Czaar eine Freundin hat, deren hellerem Blick er traut. Unter uns, Napoleon hat keine solche Freun¬ din, er glaubt nicht an das wunderbare den Frauen geschenkte Ahnungsvermögen. Er traut nur auf sich. Das ist -- ein Unglück, denn über aller menschlichen Weisheit schwebt doch ein Etwas -- was wir mit dem Verstande nicht ergründen. -- Gleichviel nun, ob Sie Burhövden die Regimenter, die er zusam¬ mentreibt, marschiren lassen, oder ihn freundlich war¬ nen, daß er die Dinge sich vorher ansieht, daß er mehr an Rußlands Ansehen denke, als an die mo¬ mentane Freundschaftsaufwallung Alexanders für Frie¬ drich Wilhelm -- das, theuerste Frau, sind Baga¬ tellen -- so oder so, ein höherer Wille lenkt dennoch Alles, und -- ich denke, unser Abschied ist nicht auf
„Und Rußland, das zuſieht?“
„Behält die Kraft, auf einen Feind ſich zu ſtür¬ zen, der zwar Sieger iſt, aber blutet. Denn auf einen verzweifelten Widerſtand dieſer zweimal hun¬ derttauſend Preußen ſind wir gefaßt. Was dann weiter, ſteht im Rath der Götter, aber ich meine, daß Kaiſer Alexander, an der Spitze ſeines Reiches, ſoutenirt von ſeiner Grenze, ein Wort darin mitſpre¬ chen wird, das nicht verhallen kann. Wo zwei Gleiche ſich gegenüber ſtehen, iſt aber Zeit zum Verhandeln.“
„Ich könnte es eine Gnade Gottes nennen, daß Preußen keine Staatsmänner hat, wie Herrn von Laforeſt.“
„Und ich Rußland Glück wünſchen, daß ſein Czaar eine Freundin hat, deren hellerem Blick er traut. Unter uns, Napoleon hat keine ſolche Freun¬ din, er glaubt nicht an das wunderbare den Frauen geſchenkte Ahnungsvermögen. Er traut nur auf ſich. Das iſt — ein Unglück, denn über aller menſchlichen Weisheit ſchwebt doch ein Etwas — was wir mit dem Verſtande nicht ergründen. — Gleichviel nun, ob Sie Burhövden die Regimenter, die er zuſam¬ mentreibt, marſchiren laſſen, oder ihn freundlich war¬ nen, daß er die Dinge ſich vorher anſieht, daß er mehr an Rußlands Anſehen denke, als an die mo¬ mentane Freundſchaftsaufwallung Alexanders für Frie¬ drich Wilhelm — das, theuerſte Frau, ſind Baga¬ tellen — ſo oder ſo, ein höherer Wille lenkt dennoch Alles, und — ich denke, unſer Abſchied iſt nicht auf
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„Und Rußland, das zuſieht?“
„Behält die Kraft, auf einen Feind ſich zu ſtür¬
zen, der zwar Sieger iſt, aber blutet. Denn auf
einen verzweifelten Widerſtand dieſer zweimal hun¬
derttauſend Preußen ſind wir gefaßt. Was dann
weiter, ſteht im Rath der Götter, aber ich meine,
daß Kaiſer Alexander, an der Spitze ſeines Reiches,
ſoutenirt von ſeiner Grenze, ein Wort darin mitſpre¬
chen wird, das nicht verhallen kann. Wo zwei Gleiche
ſich gegenüber ſtehen, iſt aber Zeit zum Verhandeln.“
„Ich könnte es eine Gnade Gottes nennen, daß
Preußen keine Staatsmänner hat, wie Herrn von
Laforeſt.“
„Und ich Rußland Glück wünſchen, daß ſein
Czaar eine Freundin hat, deren hellerem Blick er
traut. Unter uns, Napoleon hat keine ſolche Freun¬
din, er glaubt nicht an das wunderbare den Frauen
geſchenkte Ahnungsvermögen. Er traut nur auf ſich.
Das iſt — ein Unglück, denn über aller menſchlichen
Weisheit ſchwebt doch ein Etwas — was wir mit
dem Verſtande nicht ergründen. — Gleichviel nun,
ob Sie Burhövden die Regimenter, die er zuſam¬
mentreibt, marſchiren laſſen, oder ihn freundlich war¬
nen, daß er die Dinge ſich vorher anſieht, daß er
mehr an Rußlands Anſehen denke, als an die mo¬
mentane Freundſchaftsaufwallung Alexanders für Frie¬
drich Wilhelm — das, theuerſte Frau, ſind Baga¬
tellen — ſo oder ſo, ein höherer Wille lenkt dennoch
Alles, und — ich denke, unſer Abſchied iſt nicht auf
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/232>, abgerufen am 22.11.2024.
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