"Wer weiß von allen Opfern, die im Strudel der Revolution untergingen!"
"Desto besser für ihn. Ich hörte einmal dunkel, er sei mit Napoleon nach Aegypten gegangen, und in Syrien wie die andern Zurückgelassenen aus dieser Welt geschieden. Wie dem sei, er hat seine Thor¬ heiten oder seine Vergehungen gebüßt, und so wenig ich auf meine altaristokratische Abkunft stolz bin, fühle ich mich verlegen durch die präsumtive Verwandtschaft mit einem Vaurien. Wir Alle, mein theuerster Re¬ gierungsrath, leben nur für die Gegenwart. Ihr und uns gehören wir an; ein Thor, wer weiter hinaus will, und nun, Excus für die Abschweifung, zu un¬ serer unglücklichen Geheimräthin zurück. -- Hat sie wirklich noch nichts eingestanden?"
"So nehmen Sie an, daß sie etwas einzuge¬ stehen hat?"
Wandel war aufgestanden. Er schien ein schwe¬ res Wort aus der Brust zu pressen: "Ja, wie die Dinge stehen, kann ich einer Vermuthung mich nicht erwehren. Und -- offenherzig -- kann man ein no¬ torisches Factum bestreiten? Sie hat die ganze Schule an Königs Geburtstag nach den Zelten eingeladen; sie hat sie dort bewirthet mit Kaffee und Kuchen; sie selbst bereitete den Kaffee, sie hatte den Zucker mit¬ gebracht, den Kuchen zu Hause gebacken. Die Lehrer und Hunderte von Zeugen standen umher und sahen -- "
"Daß drei oder vier Kinder unwohl wurden und nach Hause gefahren werden mußten, weil sie sich den
„Wer weiß von allen Opfern, die im Strudel der Revolution untergingen!“
„Deſto beſſer für ihn. Ich hörte einmal dunkel, er ſei mit Napoleon nach Aegypten gegangen, und in Syrien wie die andern Zurückgelaſſenen aus dieſer Welt geſchieden. Wie dem ſei, er hat ſeine Thor¬ heiten oder ſeine Vergehungen gebüßt, und ſo wenig ich auf meine altariſtokratiſche Abkunft ſtolz bin, fühle ich mich verlegen durch die präſumtive Verwandtſchaft mit einem Vaurien. Wir Alle, mein theuerſter Re¬ gierungsrath, leben nur für die Gegenwart. Ihr und uns gehören wir an; ein Thor, wer weiter hinaus will, und nun, Excus für die Abſchweifung, zu un¬ ſerer unglücklichen Geheimräthin zurück. — Hat ſie wirklich noch nichts eingeſtanden?“
„So nehmen Sie an, daß ſie etwas einzuge¬ ſtehen hat?“
Wandel war aufgeſtanden. Er ſchien ein ſchwe¬ res Wort aus der Bruſt zu preſſen: „Ja, wie die Dinge ſtehen, kann ich einer Vermuthung mich nicht erwehren. Und — offenherzig — kann man ein no¬ toriſches Factum beſtreiten? Sie hat die ganze Schule an Königs Geburtstag nach den Zelten eingeladen; ſie hat ſie dort bewirthet mit Kaffee und Kuchen; ſie ſelbſt bereitete den Kaffee, ſie hatte den Zucker mit¬ gebracht, den Kuchen zu Hauſe gebacken. Die Lehrer und Hunderte von Zeugen ſtanden umher und ſahen — “
„Daß drei oder vier Kinder unwohl wurden und nach Hauſe gefahren werden mußten, weil ſie ſich den
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„Wer weiß von allen Opfern, die im Strudel
der Revolution untergingen!“
„Deſto beſſer für ihn. Ich hörte einmal dunkel,
er ſei mit Napoleon nach Aegypten gegangen, und
in Syrien wie die andern Zurückgelaſſenen aus dieſer
Welt geſchieden. Wie dem ſei, er hat ſeine Thor¬
heiten oder ſeine Vergehungen gebüßt, und ſo wenig
ich auf meine altariſtokratiſche Abkunft ſtolz bin, fühle
ich mich verlegen durch die präſumtive Verwandtſchaft
mit einem Vaurien. Wir Alle, mein theuerſter Re¬
gierungsrath, leben nur für die Gegenwart. Ihr und
uns gehören wir an; ein Thor, wer weiter hinaus
will, und nun, Excus für die Abſchweifung, zu un¬
ſerer unglücklichen Geheimräthin zurück. — Hat ſie
wirklich noch nichts eingeſtanden?“
„So nehmen Sie an, daß ſie etwas einzuge¬
ſtehen hat?“
Wandel war aufgeſtanden. Er ſchien ein ſchwe¬
res Wort aus der Bruſt zu preſſen: „Ja, wie die
Dinge ſtehen, kann ich einer Vermuthung mich nicht
erwehren. Und — offenherzig — kann man ein no¬
toriſches Factum beſtreiten? Sie hat die ganze Schule
an Königs Geburtstag nach den Zelten eingeladen;
ſie hat ſie dort bewirthet mit Kaffee und Kuchen; ſie
ſelbſt bereitete den Kaffee, ſie hatte den Zucker mit¬
gebracht, den Kuchen zu Hauſe gebacken. Die Lehrer
und Hunderte von Zeugen ſtanden umher und ſahen — “
„Daß drei oder vier Kinder unwohl wurden und
nach Hauſe gefahren werden mußten, weil ſie ſich den
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/208>, abgerufen am 23.11.2024.
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