schauspiel bieten. Da, wenn er auf der Höhe hält, den Tubus in der Hand, sein Schlachtroß unbeweg¬ lich unter seinen Lenden, da soll Napoleon ein Gott sein. Ein Bewegen mit dem kleinen Finger, ein Seitenblick, ein Zucken mit der Lippe, die Adjutan¬ ten verstehen es, neue Bataillone wälzen heran, sie füllen die Lücken, um wieder -- Lücken zu werden --"
"Bis eine kleine Kartätschenkugel, matt nur noch im Sande hüpfend, auf den Hügel springt und den Gott vom Pferde reißt."
"Qu'importe! So zu sterben, wäre auch Wol¬ lust. -- Sind wir nicht Alle zu Feldherren geboren, die wir über die Masse uns erheben? Diese Massen, die nichts sind ohne den Geist, der sie regiert, Knäuel grauen Gewürmes, ein Durcheinander ohne Unter¬ scheidung, wenn nicht ein Lichtstrahl sie färbt. Wir färben sie, geben ihnen Leben, Ordnung, Zweck des Daseins -- haben wir nicht dafür Recht, über sie zu schalten wie der Schachspieler? Futter für's Pulver, nicht wahr? -- Ich kann die Frau da begreifen, wenn es wahr ist, was sie von ihr erzählen. Mit Menschen¬ leben spielen wie mit Schachpuppen, warum soll es nicht zum Kitzel werden, dem man nicht mehr widersteht."
"Die Unglückliche! Sie wollte gewiß keine Ver¬ brecherin werden."
"Wer will das! Sie wollte nur Glück um sich verbreiten, aber weil die Menschen eigensinnig sich ihres auf eigne Weise suchen, ward sie erbittert, bis -- bis -- Ja -- weil sie nicht Muth hatte zu
ſchauſpiel bieten. Da, wenn er auf der Höhe hält, den Tubus in der Hand, ſein Schlachtroß unbeweg¬ lich unter ſeinen Lenden, da ſoll Napoleon ein Gott ſein. Ein Bewegen mit dem kleinen Finger, ein Seitenblick, ein Zucken mit der Lippe, die Adjutan¬ ten verſtehen es, neue Bataillone wälzen heran, ſie füllen die Lücken, um wieder — Lücken zu werden —“
„Bis eine kleine Kartätſchenkugel, matt nur noch im Sande hüpfend, auf den Hügel ſpringt und den Gott vom Pferde reißt.“
„Qu'importe! So zu ſterben, wäre auch Wol¬ luſt. — Sind wir nicht Alle zu Feldherren geboren, die wir über die Maſſe uns erheben? Dieſe Maſſen, die nichts ſind ohne den Geiſt, der ſie regiert, Knäuel grauen Gewürmes, ein Durcheinander ohne Unter¬ ſcheidung, wenn nicht ein Lichtſtrahl ſie färbt. Wir färben ſie, geben ihnen Leben, Ordnung, Zweck des Daſeins — haben wir nicht dafür Recht, über ſie zu ſchalten wie der Schachſpieler? Futter für's Pulver, nicht wahr? — Ich kann die Frau da begreifen, wenn es wahr iſt, was ſie von ihr erzählen. Mit Menſchen¬ leben ſpielen wie mit Schachpuppen, warum ſoll es nicht zum Kitzel werden, dem man nicht mehr widerſteht.“
„Die Unglückliche! Sie wollte gewiß keine Ver¬ brecherin werden.“
„Wer will das! Sie wollte nur Glück um ſich verbreiten, aber weil die Menſchen eigenſinnig ſich ihres auf eigne Weiſe ſuchen, ward ſie erbittert, bis — bis — Ja — weil ſie nicht Muth hatte zu
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0191"n="181"/>ſchauſpiel bieten. Da, wenn er auf der Höhe hält,<lb/>
den Tubus in der Hand, ſein Schlachtroß unbeweg¬<lb/>
lich unter ſeinen Lenden, da ſoll Napoleon ein Gott<lb/>ſein. Ein Bewegen mit dem kleinen Finger, ein<lb/>
Seitenblick, ein Zucken mit der Lippe, die Adjutan¬<lb/>
ten verſtehen es, neue Bataillone wälzen heran, ſie<lb/>
füllen die Lücken, um wieder — Lücken zu werden —“</p><lb/><p>„Bis eine kleine Kartätſchenkugel, matt nur<lb/>
noch im Sande hüpfend, auf den Hügel ſpringt und<lb/>
den Gott vom Pferde reißt.“</p><lb/><p><hirendition="#aq">„Qu'importe!</hi> So zu ſterben, wäre auch Wol¬<lb/>
luſt. — Sind wir nicht Alle zu Feldherren geboren,<lb/>
die wir über die Maſſe uns erheben? Dieſe Maſſen,<lb/>
die nichts ſind ohne den Geiſt, der ſie regiert, Knäuel<lb/>
grauen Gewürmes, ein Durcheinander ohne Unter¬<lb/>ſcheidung, wenn nicht ein Lichtſtrahl ſie färbt. <hirendition="#g">Wir</hi><lb/>
färben ſie, geben ihnen Leben, Ordnung, Zweck des<lb/>
Daſeins — haben wir nicht dafür Recht, über ſie zu<lb/>ſchalten wie der Schachſpieler? Futter für's Pulver,<lb/>
nicht wahr? — Ich kann die Frau da begreifen, wenn<lb/>
es wahr iſt, was ſie von ihr erzählen. Mit Menſchen¬<lb/>
leben ſpielen wie mit Schachpuppen, warum ſoll es nicht<lb/>
zum Kitzel werden, dem man nicht mehr widerſteht.“</p><lb/><p>„Die Unglückliche! Sie wollte gewiß keine Ver¬<lb/>
brecherin werden.“</p><lb/><p>„Wer will das! Sie wollte nur Glück um ſich<lb/>
verbreiten, aber weil die Menſchen eigenſinnig ſich<lb/>
ihres auf eigne Weiſe ſuchen, ward ſie erbittert,<lb/>
bis — bis — Ja — weil ſie nicht Muth hatte zu<lb/></p></div></body></text></TEI>
[181/0191]
ſchauſpiel bieten. Da, wenn er auf der Höhe hält,
den Tubus in der Hand, ſein Schlachtroß unbeweg¬
lich unter ſeinen Lenden, da ſoll Napoleon ein Gott
ſein. Ein Bewegen mit dem kleinen Finger, ein
Seitenblick, ein Zucken mit der Lippe, die Adjutan¬
ten verſtehen es, neue Bataillone wälzen heran, ſie
füllen die Lücken, um wieder — Lücken zu werden —“
„Bis eine kleine Kartätſchenkugel, matt nur
noch im Sande hüpfend, auf den Hügel ſpringt und
den Gott vom Pferde reißt.“
„Qu'importe! So zu ſterben, wäre auch Wol¬
luſt. — Sind wir nicht Alle zu Feldherren geboren,
die wir über die Maſſe uns erheben? Dieſe Maſſen,
die nichts ſind ohne den Geiſt, der ſie regiert, Knäuel
grauen Gewürmes, ein Durcheinander ohne Unter¬
ſcheidung, wenn nicht ein Lichtſtrahl ſie färbt. Wir
färben ſie, geben ihnen Leben, Ordnung, Zweck des
Daſeins — haben wir nicht dafür Recht, über ſie zu
ſchalten wie der Schachſpieler? Futter für's Pulver,
nicht wahr? — Ich kann die Frau da begreifen, wenn
es wahr iſt, was ſie von ihr erzählen. Mit Menſchen¬
leben ſpielen wie mit Schachpuppen, warum ſoll es nicht
zum Kitzel werden, dem man nicht mehr widerſteht.“
„Die Unglückliche! Sie wollte gewiß keine Ver¬
brecherin werden.“
„Wer will das! Sie wollte nur Glück um ſich
verbreiten, aber weil die Menſchen eigenſinnig ſich
ihres auf eigne Weiſe ſuchen, ward ſie erbittert,
bis — bis — Ja — weil ſie nicht Muth hatte zu
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/191>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.